Grenzkirche

Grenzkirche

Grenzkirchen waren evangelische Gotteshäuser, die nach dem Dreißigjährigen Krieg in sächsischen und brandenburgischen Orten errichtet wurden, welche in unmittelbarer Nachbarschaft der von der Rekatholisierung betroffenen Länder Schlesien und Böhmen lagen. Dorthin wandten sich evangelische Schlesier und Böhmen, denen in ihrer Heimat die freie Religionsausübung fortan verwehrt war. Sie waren meist von einfacher Bauweise, so dass viele heute nicht mehr existieren.

Das habsburgische Herrscherhaus beanspruchte für sich in seinen eigenen Ländern das so genannte Reformationsrecht nach dem Prinzip cuius regio - eius religio, wie es der Augsburger Religionsfrieden 1555 festgelegt hatte. Das heißt der Fürst bestimmte die Konfession der Untertanen. Wer dem Machtspruch nicht folgen wollte, die so genannten Dissidenten, musste auswandern. In den böhmischen Ländern hatten die Habsburger dieses Prinzip vor dem Dreißigjährigen Krieg nicht durchsetzen können, vielmehr hatte Kaiser Rudolf II. den Protestanten Böhmens und Schlesiens in den Majestätsbriefen von 1609 freie Religionsausübung gewähren müssen. Nach der Niederlage der Stände in der Schlacht am Weißen Berg und der Rückeroberung Böhmens fühlte sich Kaiser Ferdinand II. an diese Zusage nicht mehr gebunden und 1621 begann in Böhmen die gewaltsame Durchsetzung der Gegenreformation.

Den evangelischen Bewohnern in den nördlichen Grenzregionen blieb außer Emigration und Konversion als dritte Option der Besuch lutherischer Gottesdienste im angrenzenden Sachsen und in der benachbarten Oberlausitz. Die aufgesuchten Dorfkirchen waren oft zu klein, deshalb ließen die sächsischen Kurfürsten und auch örtliche Grundherren für die Böhmen die Grenzkirchen errichten. Nicht selten war der Gang in die Grenzkirchen eine Vorstufe zur Auswanderung, denn die katholischen Obrigkeiten in Böhmen versuchten das Auslaufen ihrer Untertanen nach Sachsen mit polizeilichen Mitteln zu unterbinden und der Druck auf die Protestanten nahm mit der Zeit immer mehr zu.

Eine ganz ähnliche Entwicklung gab es zwei Jahrzehnte später in Schlesien, als die Habsburger auch dort gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges ihre Macht wieder festigten und mit der Gegenreformation begannen. An den Grenzen Niederschlesiens zur brandenburgischen Neumark und zur sächsischen Oberlausitz zählte man etwa 150 solcher Zufluchts- und Grenzkirchen. Mit dem Aussterben der letzten schlesischen Piasten (1675) gab es innerhalb Schlesiens keine evangelischen Territorien mehr. Außer in den drei evangelischen Friedenskirchen in Schweidnitz, Jauer und Glogau, die auf eine Bestimmung des Westfälischen Friedens zurückgingen, konnten die Protestanten nur mehr im Ausland an Gottesdiensten ihrer Konfession teilnehmen.

  • Grenzkirchen auf brandenburgischem Gebiet in der Neumark in Lippen (Lipno), Drehnower Vorwerk (Drzeniów), Logau (Łagów), Rothenburg (Czerwieńsk), Stockvorwerk, Trebschen (Trzebiechów), im Tschicherziger Oderwald (Cigacice) und Glauchower Oderwald (Głuchów).
  • Grenzkirchen auf sächsischem Gebiet in der Niederlausitz in Christianstadt (Krzystkowice) am Bober und Jeschkendorf bei Sorau und in der Oberlausitz in Skerbersdorf und Podrosche an der Neiße, Halbau (Iłowa), Dohms und Schöndorf am Queis, Wingendorf (Jałowiec) bei Lauban, Goldentraum (Złotniki Lubańskie), Friedersdorf (Biedrzychowice) am Queis und Nieder-Wiese (Wieża) am Queis.
  • Grenzkirchen auf polnischem Gebiet in Schlichtingsheim (Szlichtyngowa), Schlemsdorf (Szmezdrowo) bei Bojanowo und Unruhstadt (Kargowa).
  • Grenzkirchen auf dem Gebiet des evangelischen Fürstentums Liegnitz-Wohlau in Kriegheide (Pogorzeliska), Hummel (Trzmielów), Herrnlauersitz (Luboszyce) und Rützen (Ryczeń).

Ein katholisches Pendant zu den Grenzkirchen gab es im Grenzgebiet des Fürstbistums Münster zur Republik der Niederlande.

Literatur

  • Alfred Schirge: Grenzkirchen und Zufluchtskirchen des 17. und 18. Jahrhunderts in der Kurmark Brandenburg für Evangelische in Schlesien. In: Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 62 (1999), S. 77-81.
  • Gerhard Eberlein: Die schlesischen Grenzkirchen im XVII. Jahrhundert. In: Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte. Jg. 1901, S. 31-64
  • Ulrich Hutter-Wolandt: Die Grenzkirche in Podrosche. In: Schlesischer Gottesfreund 46 (1995), S. 39-49.
  • Theodor Otto G. Wotschke: Die Grenzkirche in Weigmannsdorf. Ihre Patrone und Pastoren. In: Korrespondenzblatt d. Vereins f. Gesch. der ev. Kirche Schlesiens. Jg. 1913, S. 285-315
  • Günther Grundmann: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien, 1970, Frankfurt/Main
  • Reiner Sörries: Von Kaisers Gnaden – Protestantische Kirchenbauten im Habsburger Reich, 2008, Böhlau

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