Gunnar Sønsteby

Gunnar Sønsteby
Gunnar Sønsteby (2008)

Gunnar Fridtjof Thurmann Sønsteby DSO (* 11. Januar 1918 in Rjukan (Norwegen)) ist ein norwegischer Widerstandskämpfer aus der Zeit der deutschen Besetzung Norwegens zwischen 1940 und 1945. Er ist heute der am höchsten dekorierte Staatsbürger des Königreiches.

Zusammen mit Max Manus war Sønsteby 1943 bis 1945 einer der führenden Köpfe der so genannten Oslogjeng (Oslobande) und war im Laufe des Krieges an einer Vielzahl von Sabotageaktionen beteiligt. Er operierte unter 30 bis 40 verschiedenen Decknamen (u. a. Kjakan, Nr. 24). Erst gegen Ende des Krieges gelang es der Gestapo, seinen richtigen Namen herauszufinden. Doch obwohl sie ihm zeitweise eng auf den Fersen war, gelang es ihr letztlich nie, ihn festzunehmen.

Inhaltsverzeichnis

Kindheit und Jugend

Sønsteby wuchs in der kleinen, südnorwegischen Industriestadt Rjukan in Telemark auf. Bereits als Schüler verbrachte er mit Kameraden viel Zeit auf Wandertouren in den umliegenden Bergen.

Nach dem Abschluss des Gymnasiums 1937 zog Sønsteby nach Oslo, wo er seinen Wehrdienst ableistete und ein Studium der Sozialökonomie begann. Auch dort pflegte er seine Leidenschaft für Bergtouren und das Skifahren. Viele seiner Tourkameraden – unter ihnen Knut Haugland, Halvor Rivrud, Olav Skogen, Leif Nilsen, Rolf Solem, Turjus Aarnes, Knut Berge und Einar Nordgaard – waren später ebenfalls im norwegischen Widerstand aktiv.

Besetzung und Widerstand

Als deutsche Truppen am 9. April 1940 Norwegen besetzten, arbeitete Gunnar Sønsteby als Assistent der Buchhaltung. Er schloss sich norwegischen Einheiten im Osten des Landes an und folgte ihnen ins Østre Gausdal, musste jedoch bald darauf mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus.

Noch im selben Jahr begann Sønsteby, sich in der aufkeimenden Widerstandsbewegung in Norwegen zu engagieren, wo er zunächst im Kreis um den Studentenführer Knut Møyen aktiv war. Er war – unter anderem mit Max Manus – auch an der Herausgabe der verbotenen Zeitung „Vi vil oss et land“ (Wir fordern ein Land für uns) beteiligt.

1941 ging er nach Schweden, wo er in Kontakt mit der Special Operations Executive (SOE) kam, einer geheimen britischen Militäreinheit mit dem Auftrag, Sabotageaktionen in von Deutschland besetzten Ländern zu organisieren und zu fördern. Nach einem erfolglosen Versuch, unbemerkt nach Großbritannien zu gelangen – Sønsteby zog sich auf dem Weg nach Ålesund Erfrierungen am Bein zu – führte er für die Britische Vertretung in Stockholm in der Folge verschiedene Kurier- und Aufklärungsaufträge in Norwegen durch. 1942 wurde er von der schwedischen Polizei interniert und saß drei Monate im Gefängnis, bis es ihm schließlich gelang, sie zu überzeugen, nicht der gesuchte Gunnar Sønsteby zu sein.

Im weiteren Verlauf des Jahres stationierte ihn die SOE als britischen Geheimagent und Vertrauensmann im besetzten Oslo. Unter dem Decknamen „No. 24“ baute er ein Netzwerk an konspirativen Wohnungen und Kontakten zu anderen Widerstandsgruppen auf. Unter anderem arbeitete er während dieser Zeit mit der Organisation 2A und Asbjørn Sundes Osvald-Gruppe zusammen. Der Kontakt zur Milorg bestand über Knut Møyen.

Am 23. Februar 1943 wurde Sønstebys Vater Gustav in Sippenhaft genommen und bis Dezember 1944 im Gefangenenlager Grini interniert.

Nachdem er im April 1943 selbst nur knapp der Gestapo entkommen war, flüchtete Sønsteby erneut nach Stockholm. Von dort wurde er nach Großbritannien geschickt und im Juni 1943 in die Kompanie Linge (norw. Kompani Linge, eigentlich Norwegian Independent Company No. 1 (NORIC 1)) eingebunden. Nach einer geheimdienstlichen Ausbildung wurde er im Oktober mit dem Fallschirm wieder über Norwegen abgesetzt und arbeitete zunächst als „Mann für alle Fälle“ für seinen Freund Knut Haugland. Später übernahm er die Rolle des Aktionschefs in der zentralen Führung der Milorg sowie die Leitung der Sabotagegruppe Oslogjengen.

Sabotageaktionen an denen Sønsteby maßgeblich beteiligt war:[1]

  • Der Überfall auf die Zentralbank von Norwegen im Herbst 1942, mit dem der Exilregierung in London Druckplatten für norwegische Geldscheine gesichert wurden.
  • Die Sprengung des Archivs und später der Lochkartenmaschinen des Arbeidskontorets in Oslo, die vermutlich viele norwegische Männer vor der Entsendung an die Ostfront bewahrte (Juni 1943).
  • Die Sprengung deutscher Flugmotoren und anderer Flugzeugteile in einem Lager in der Bjølsenhalle in der Moldegate in Oslo (August 1944).
  • Die Sprengung der Waffenfabrik Kongsberg im September 1944.
  • Die Kaperung einer Lieferung mit 75.000 Rationierungskarten.

Gunnar Sønstebys Spitzname Kjakan (dt. Das Kinn) kommt von dem nicht ganz ernst gemeinten Decknamen Umulius Kjakabråten, mit dem er in der Oslogjeng bekannt war.

Arbeit und Leben nach dem Krieg

Gunnar Sønsteby (links) wurde im Film „Max Manus“ von Knut Joner (rechts) dargestellt. (Foto vom Interview während der Dreharbeiten in Oslo im Jahr 2008)

Nach Kriegsende zog Sønsteby in die USA, wo er an der Harvard Business School studierte. Vor seiner Rückkehr nach Norwegen arbeitete er dort einige Jahre in der Ölindustrie. In seiner Heimat war er als selbständiger Unternehmer tätig.

In den Nachkriegsjahren, doch vor allem seit er das Rentenalter erreicht hat, bereist Sønsteby mit Vorträgen und Informationsveranstaltungen das In- und Ausland, um den nachfolgenden Generationen die Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg nahe zu bringen.

Zu Ehren seines 90. Geburtstages im Januar 2008 richtete König Harald von Norwegen einen Empfang auf der Festung Akershus aus, bei der alle Mitglieder des Königshauses anwesend waren.[2]

Auch nach seinem 90. Geburtstag ist Sønsteby viel unterwegs. Anlässlich der Dreharbeiten im Frühjahr 2008 zum Film Max Manus, in dem er selbst von Knut Joner gespielt wird,[3] und während der Sondervorstellungen des Films im Jahr 2009 stand er in Skandinavien für Interviews zur Verfügung.[4]

Ehrungen und Auszeichnungen

Sønsteby ist Norwegens höchstdekorierter Bürger. Er ist der einzige Träger des Kriegskreuzes mit drei Schwertern (verliehen am 16. August 1946). Unter den vielen Auszeichnungen, die Sønsteby im Laufe seines Lebens entgegennehmen durfte, sind neben solchen seines Heimatlandes auch einige ausländische Orden. Einige Beispiele:

  • 1945 – USA: Presidential Medal of Freedom mit silberner Palme
  • 1946 – Norwegen: Kriegskreuz mit drei Schwertern (Krigskors med tre sverd)
  • 1946 – Norwegen: Erinnerungsmedaille seiner Majestät des Königs in Silber (H.M. Kongens Erindringsmedalje)
  • 1946 – Vereinigtes Königreich: Distinguished Service Order
  • 2001 – USA: Kulturpreis der American-Scandinavian Society
  • 2002 – USA: Freedom Award der Association of Former Intelligence Officers
  • 2004 – Norwegen: Verteidigungsmedaille mit Lorbeerzweig (Forsvarsmedaljen med laurbærgren)
  • 2006 – Norwegen: Ernennung zum Kommandeur des Sankt-Olav-Ordens (Den Kongelig Norske St. Olavs Orden)
  • 2008 – USA: Special Operations Command Medal (als erster Nicht-Amerikaner)

Seine Heimatkommune Tinn in Telemark ernannte ihn 2002 zu ihrem ersten und bislang einzigen Ehrenbürger. Daneben ist er seit 2005 der erste Ehrenschüler der Rjukan videregående skole (vergleichbar etwa mit der gymnasialen Oberstufe in Deutschland).

König Harald von Norwegen enthüllte am 13. Mai 2007 auf dem Solliplass in Oslo eine Statue Gunnar Sønstebys von Per Ung. Sie zeigt den 25-jährigen Widerstandskämpfer neben seinem Fahrrad.[5]

Im Dezember 2007 kürten die Leser der norwegischen Tageszeitung Aftenposten Sønsteby zum Osloer des Jahres. Die Ehrung fand am 21. Dezember 2007 im Norwegischen Widerstandsmuseum (Norges Hjemmefrontmuseum) auf der Festung Akerhus statt.

Im Herbst 2008 schließlich zeichnete ihn die Studentenvereinigung von Trondheim (Studentersamfundet i Trondheim) für seinen Einsatz für Norwegen mit der Ehrenmitgliedschaft aus.

Referenzen

Dieser Artikel basiert in weiten Teilen auf den gleichnamigen Artikeln im norwegischen und im englischen Wikipedia.

  1. Artikel zur Oslogjeng auf der Homepage über Gunnar Sønsteby, 8. November 2008
  2. War hero turns 90, Artikel aus der Aftenposten vom 11. Januar 2008
  3. Marit C. Anderssen: Så manus bli film. Interviews und Fotos zum Film Max Manus in Romerikes Blad vom 16. April 2008 (norwegisch)
  4. Kultur: "Max Manus" på svenska biografer. Offizielle norwegische Website für Schweden: Gunnar Sønsteby bei den norwegischen Filmtagen in Stockholm 2009 vom 30. April 2009
  5. Artikel auf der Homepage des norwegischen Militärs, 8. November 2008 (norwegisch)

Literatur

  • Sønsteby, Gunnar: Report from #24, New York: Barricade Books, 1999, [Nachdr. der Ausgabe] New York: Stuart, 1965, ISBN 1-56980-141-X (Norwegische Originalausgabe: Sønsteby, Gunnar: Rapport fra nr. 24, Oslo: Orion Forlag, 1996, ISBN 82-458-0153-4)

Weblinks

 Commons: Gunnar Sønsteby – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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