- Gütermarktgleichgewicht
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Gütermarktgleichgewicht [alternativ: Outputmarktgleichgewicht] (engl. equilibrium in the goods market) ist ein makroökonomischer Begriff. Ein Gleichgewicht auf dem gesamtwirtschaftlichen Gütermarkt herrscht, wenn geplantes Angebot und geplante Nachfrage bzw. geplantes Sparen und geplante Investitionen in einer Periode übereinstimmen.
Inhaltsverzeichnis
Einordnung des Modells
Das Gütermarktgleichgewicht ist neben dem Geldmarktgleichgewicht und dem Arbeitsmarktgleichgewicht ein makroökonomisches Marktgleichgewicht, auf dem sich Angebot und Nachfrage beziehungsweise Ersparnisse und Investitionen ex ante entsprechen. Das Gleichgewicht zwischen dem gesamtwirtschaftlichen Güterangebot und der gesamtwirtschaftlichen Güternachfrage bildet den Brennpunkt des realwirtschaftlichen Sektors. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die Verknüpfungen zwischen Angebot und Nachfrage. In der makroökonomischen Theorie stehen sich hier zwei rivalisierende Ansätze, der klassische und der Keynesianische Ansatz, gegenüber. Diese werden in den folgenden Abschnitten näher erläutert.
Klassischer Ansatz
Der Klassische Ansatz beruht auf dem Theorem nach Jean-Baptiste Say, wonach sich jedes Angebot seine Nachfrage schafft. Die Idee basiert auf Erfahrungen aus der Tauschwirtschaft, die im 18. und 19. Jahrhundert aufgrund der großen Massenarmut einerseits und der geringen Güterproduktion in einer Zeit, in der die Industrialisierung erst begann, andererseits in begrenztem Umfang wiederauflebte.[1] In einer totalen Tauschwirtschaft tauscht jeder seine Mehrproduktion gegen andere Güter. Folglich kann es keine Überproduktion geben, da immer ausreichend Nachfrage für alle Produkte besteht. Nach Ansicht der Klassiker bestimmt die Beschäftigung die Produktion. Diese wiederum schafft das Angebot, das die Höhe des Volkseinkommens bildet. Das Volkseinkommen gilt als Voraussetzung jeglicher Nachfrage.
Dieser Ansatz beinhaltet jedoch folgende Prämissen:
- Die Gesamtwirtschaft wird betrachtet, da das Modell nur über alle Gütergruppen hinweg funktioniert und nicht auf die mikroökonomische Ebene eines Unternehmens übertragbar ist.
- Sparen und Investieren müssen sich innerhalb einer Periode entsprechen, denn ein im Vergleich zu den Investitionen höherer Sparanteil würde einen Verlust für den Konsum bedeuten.
- Sämtliche Preise sowohl auf den Faktor- als auch auf den Gütermärkten passen sich an, wodurch der Preismechanismus garantiert ist.
- Es handelt sich um eine langfristige Betrachtung, da Angebot und Nachfrage in der kurzen Frist auch hier auseinander fallen können.[2]
Keynesianischer Ansatz
Ausgangspunkt der Theorie nach John Maynard Keynes war die 1929 begonnene Weltwirtschaftskrise. Schon während der Goldenen Zwanziger Jahre konnte dem Produktionsausbau keine Nachfragesteigerung entgegengesetzt werden. Unternehmen mussten schließen, weil sie ihre Produkte nicht mehr absetzen konnten. Die vorherrschenden Monopole und Kartelle unterdrückten den Preismechanismus. Die Inflation störte das Gleichgewicht zwischen Sparen und Investitionen, so dass gespartes Geld bereits am nächsten Tag nahezu wertlos war. Diese Entwicklung widersprach dem Sayschen Theorem und forderte daher eine neue Theorie, welche diese durch die klassische Theorie nicht erklärten Phänomene erläutert. Laut Keynes bestimmt in der kurzen Frist die Nachfrage Art und Umfang des Angebotes. Angeboten kann nur werden, was auch produziert wird. Die Produktion bestimmt entsprechend den technischen Gegebenheiten über die Beschäftigung.
Jedoch wird auch diese Theorie in ihrer Anwendung durch Prämissen eingeschränkt:
- Das Angebot ist größer als die Nachfrage, wodurch es zu Sättigungstendenzen kommt.
- Die Volkswirtschaft ist aufgrund begrenzter menschlicher Bedürfnisse in ihrer Nachfrage beschränkt.
- Nachfragerückgang führt zu Arbeitslosigkeit und Rezession.
- Es wird ausschließlich die kurze Frist betrachtet.[3]
Das Modell des Gütermarktgleichgewichtes
Die Grundannahme dieses Modells ist folgende Gleichgewichtsbedingung:
Gesamtwirtschaftliches Güterangebot = Gesamtwirtschaftliche Güternachfrage. Kurz: Y = Z
Zu beachten ist hierbei folgende Annahme: Angebot = Produktion = Einkommen = Y.
Güternachfrage
Die Güternachfrage Z wird im betrachteten Modell durch folgende Definition beschrieben: Z ≡ C + I + G + X – IM
Gemäß dieser Definition ist die Güternachfrage Z die Summe aus der Konsumnachfrage C, der Investitionsnachfrage I, der Staatsnachfrage G und der Exportnachfrage X abzüglich der Importnachfrage IM.
Die Konsumnachfrage als endogene Variable hängt im Wesentlichen vom verfügbaren Einkommen YD ab und kann daher als Funktion dessen verstanden werden. YD wird definiert als Differenz zwischen Y, dem Einkommen, und T, den Steuern abzüglich erhaltener Transferleistungen. C hängt zudem von der marginalen Konsumquote c1 ab. Es wird angenommen, dass der Konsum durch eine Erhöhung des verfügbaren Einkommens steigt (c1 > 0). Des Weiteren ist der autonome Konsum c0 zu beachten, der die Konsumhöhe bei einem verfügbaren Einkommen gleich Null widerspiegelt. Diese Aussagen lassen sich in folgender Funktion zusammenfassen: . Da das Modell an dieser Stelle nur in seinen Grundzügen erläutert werden soll, werden sowohl I und G als auch T als exogene Faktoren angesehen. Aus selbigem Grund wird hier lediglich die geschlossene Volkswirtschaft betrachtet, was bedeutet, dass es weder Im- noch Exporte gibt (IM = 0; X = 0).
Folglich erhalten wir für unsere Betrachtung die Gleichung:
Güterangebot
Da das Güterangebot durch die Güterproduktion bestimmt wird und folglich auch das Volkseinkommen abbildet, kann für alle drei Begrifflichkeiten die gleiche Variable, Y, verwendet werden. Das Modell setzt ferner voraus, dass die Unternehmen keine Lagerbestände aufbauen können, da sonst die Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage nicht notwendigerweise gegeben ist.[4]
Modelluntersuchung anhand der Multiplikatoranalyse
Algebraische Analyse
Y = Z
... exogen gegebene Parameter
Die Gleichung beschreibt die Gleichgewichtsproduktion Y*, das heißt das Niveau, bei dem sich Angebot (= Produktion) und Nachfrage entsprechen. sind unabhängig vom Produktionsniveau und werden als autonome Ausgaben definiert, da sich die gesamtwirtschaftliche Güternachfragefunktion bei einer Erhöhung/Verringerung dieser Ausgaben vollständig verschiebt (vgl. grafische Analyse). Der Multiplikator sagt aus, um wie viel sich das Gleichgewichtseinkommen bei Erhöhung/Verringerung der autonomen Ausgaben ändert. Je höher die marginale Konsumquote c1, desto größer ist der Multiplikator und desto größer ist die Änderung der Produktion.
Grafische Analyse
Betrachtung der Grafik "Das Gleichgewicht auf dem Gütermarkt":
Da Produktion (=Angebot) und Einkommen immer gleich sind, wurde die Produktionsfunktion (=Angebotsfunktion) auf der 45°-Linie abgetragen. Des Weiteren wurde die Nachfragefunktion abgetragen, wobei die autonomen Ausgaben und c1 die Steigung der Nachfragefunktion definieren.
Betrachtung der Grafik "Der Multiplikatoreffekt":
Steigt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, verschiebt sich die ZZ-Funktion nach oben. Der Multiplikatoreffekt, welcher in der rechten Abbildung durch die Pfeile dargestellt wird, setzt ein. Die Erhöhung der Nachfrage bewirkt eine Erhöhung der Produktion, was wiederum zu einer Erhöhung des Einkommens führt. Dieses wird entsprechend der Höhe der marginalen Konsumquote ausgegeben. Es entsteht eine erneute Nachfragesteigerung, die den eben beschriebenen Prozess von Neuem anstößt. Ergebnis ist die Verschiebung der Gleichgewichtsproduktion von Punkt A zu Punkt A' sowie die Erhöhung des Einkommens um ein Vielfaches der Nachfragesteigerung. Die Höhe dieses Vielfachen bestimmt der Multiplikator.
Betrachtung eines Beispiels
Es soll folgendes Beispiel betrachtet werden: Es wird einer Erhöhung der Konsumausgaben um eine Million Euro verzeichnet. Die marginale Konsumquote beträgt 60 % (c1 = 0,6).
Da sich die Konsumnachfrage um eine Million Euro erhöht hat, wird in der Konsumgüterindustrie für eine Million Euro mehr produziert. In der Konsumgüterindustrie entsteht ein zusätzliches Einkommen in Höhe einer Million Euro. Dieses zusätzliche Einkommen wird zu 60 % (marginale Konsumquote) wieder ausgegeben. Für 600.000 Euro werden neue Konsumgüter produziert, die ein zusätzliches Einkommen in Höhe von 600.000 Euro verursachten. Dieses wird wiederum zu 60 % ausgegeben. … Die weitere Nachfragesteigerung führt zu weiterer Produktionssteigerung, dieser führt zu weiterer Einkommenssteigerung. Dieser unendliche Kreislauf wird als Multiplikatorprozess bezeichnet. Die sich ergebende unendliche Reihe konvergiert gegen einen Endwert, der mithilfe des Multiplikators berechnet werden kann:
Folglich hat die Erhöhung der Konsumausgaben in Höhe von einer Million Euro, eine Einkommenserhöhung von 2,5 Millionen Euro bewirkt.
Gleichgewicht von Investitionen und Sparen
Diese alternative Betrachtungsweise beschäftigt sich mit dem Gleichgewicht zwischen Investition und Sparen. Dabei handelt es sich um ein Äquivalent zum oben erläuterten Ansatz des Gleichgewichtes zwischen Angebot und Nachfrage. Auch hier befindet sich der Leser in einer geschlossenen Volkswirtschaft.
Mathematischer Beweis
Das Sparvolumen S ist definiert als Differenz zwischen dem verfügbaren Einkommen YD und dem Konsum C.
, da YD = Y − T
Gleichgewichtsbedingung auf dem Gütermarkt: Y = Z
Y = C + I + G
Y − T − C = I + G − T
Als Sparen ist das Einkommen Y abzüglich Steuern T und Konsum C definiert:
S = I + G − T
I = S + (T − G)
Das heißt: Die Höhe der Investitionen ist gleich der Summe aus privatem Sparen S und staatlichem Sparen (Steuereinnahmen T – Staatsausgaben G). Bei einem ausgeglichenen Staatshaushalt (T = G) gilt: Investitionen sind gleich privatem Sparen.
Ökonomische Begründung
Für jedes Investitionsgut muss zunächst auf Konsum verzichtet werden. Aus verzichtetem Konsum entstehen Ersparnisse. Haben diese eine entsprechende Höhe erreicht, können sie für das gewünschte Gut investiert werden. Die Theorie wird als Robinsonökonomie bezeichnet. Der Begriff wurde von Robinson Crusoe abgeleitet, der zunächst auf Fischfang verzichten musste, um ein Netz für diesen herstellen zu können. Genau die Zeit, die er beim Fischfang sparte, investierte er in der Herstellung des Netzes.
Das Gütermarktgleichgewicht in der offenen Volkswirtschaft
In der offenen Volkswirtschaft ist das Gütermarktgleichgewicht abhängig von der Entwicklung des Wechselkurses, da diese einen hohen Einfluss auf Im- und Exporte und daher auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ausübt.
Wird die ausländische Währung gegenüber der inländischen Währung beispielsweise abgewertet, verteuern sich ausländische Güter gegenüber inländischen.[7] Die inländische Nachfrage steigt und die gesamtwirtschaftliche Nachfragefunktion verschiebt sich nach oben. Aufgrund des Multiplikatorprozesses steigt die Gleichgewichtsproduktion. Ein Sinken des inländischen Preisniveaus oder ein Steigen des ausländischen Preisniveaus bei konstantem Wechselkurs haben den gleichen Effekt.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es bei einem Anstieg (Sinken) des realen Wechselkurses – unabhängig von den Ursachen - bei ansonsten gleich bleibenden Bedingungen zu einer Verschiebung der gesamtwirtschaftlichen Nachfragefunktion nach oben (unten) und einer Ausdehnung (einem Rückgang) der Produktion kommt.[7]
Die Gleichgewichtsbedingung in einer offenen Volkswirtschaft lautet: Angebot = Nachfrage
W sei der reale Wechselkurs. Wenn für alle Komponenten der Nachfrage nach inländischen Gütern dem Angebot zusammen gegenüberstehen ergibt sich eine einfache Gleichung, bei der das Angebot einer wie folgt zusammengesetzten Nachfrage gegenübersteht:
Angebot = Konsum (Einkommen - Steuern) + Investitionen (abhängig von Produktion und Zins) + Staatsausgaben - W · Importe (abhängig von Einkommen und W) + Exporte (Abhängig vom Einkommen des Auslands und W)[8]
Bedeutung des Gütermarktgleichgewichtes
Das Gütermarktgleichgewicht ist der Referenzpunkt für die Richtung des Multiplikatorprozesses. Liegt ein Nachfrageüberhang (Verkäufermarkt) vor, erfolgt eine Produktionssteigerung und damit eine Erhöhung des Angebots; bei einem Angebotsüberschuss (Käufermärkte) wird die Produktion zurückgefahren und das Angebot sinkt. Angebot und Nachfrage befinden sich nach Abschluss des Prozesses im Gleichgewicht.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Mussel, Gerhard: Einführung in die Makroökonomik, 6., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Verlag Franz Vahlen GmbH, München, 2000, Seite 47f.
- ↑ Vgl. Mussel, Gerhard: Einführung in die Makroökonomik, 6., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Verlag Franz Vahlen GmbH, München, 2000, Seite 63
- ↑ Vgl. Mussel, Gerhard: Einführung in die Makroökonomik, 6., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Verlag Franz Vahlen GmbH, München, 2000, Seite 64
- ↑ Vgl. Blanchard, Olivier; Illing, Gerhard: Makroökonomie, 3., aktualisierte Auflage, Pearson Education Deutschland GmbH, München, 2003, Seite 86
- ↑ Vgl. Blanchard, Olivier; Illing, Gerhard: Makroökonomie, 3., aktualisierte Auflage, Pearson Education Deutschland GmbH, München, 2003, Seite 89
- ↑ Vgl. Blanchard, Olivier; Illing, Gerhard: Makroökonomie, 3., aktualisierte Auflage, Pearson Education Deutschland GmbH, München, 2003, Seite 90
- ↑ a b Vgl. Krugman, Paul R.; Obstfeld, Maurice: Internationale Wirtschaft, Theorie und Politik der Außenwirtschaft, 7., aktualisierte Auflage, Pearson Education Deutschland GmbH, München, 2006, Seite 533
- ↑ Quelle: Blanchard, O. und Illing, G.: Makroökonomie. 3., aktualisierte Auflage. Pearson Studium, München, 2003
Literatur
- Blanchard, Olivier: Macroeconomics. 3. Auflage. Pearson Education Limited, London 2003, ISBN 0-13-110301-6.
- Blanchard, Olivier; Illing, Gerhard: Makroökonomie. 3., aktualisierte Auflage. Pearson Education Deutschland GmbH, München 2003, ISBN 3-8273-7051-5.
- Flaschel, Peter; Groh, Gangolf; Proano, Christian: Keynesianische Makroökonomik. Unterbeschäftigung, Inflation und Wachstum. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Springer Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-540-74858-8.
- Krugman, Paul R.; Obstfeld, Maurice: Internationale Wirtschaft, Theorie und Politik der Außenwirtschaft. 7., aktualisierte Auflage. Pearson Education Deutschland GmbH, München 2006, ISBN 978-3-8273-7199-7.
- Mussel, Gerhard: Einführung in die Makroökonomik. 6., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Verlag Franz Vahlen GmbH, München 2000, ISBN 3-8006-2544-X.
- Stobbe, Alfred: Volkswirtschaftslehre III. Makroökonomik. 2., völlig überarbeitete Auflage. Springer-Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-540-18172-5.
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