Alleingang

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Ein Alleingang bedeutet im Allgemeinen der Verzicht auf oder das Fehlen von Kooperation.

Inhaltsverzeichnis

Alleingang als politische Strategie in der Schweiz

Als Alleingang wird in der Schweizer Politik die Strategie bezeichnet, die politische Verflechtung mit der Europäischen Union im speziellen und dem Rest der Welt im allgemeinen auf geringem Niveau zu halten. Der Begriff steht im Zusammenhang mit einigen Besonderheiten der schweizerischen Aussen- und Innenpolitik. So hatte sich die Schweiz ab 1648 aus der Weltpolitik herausgehalten. Von den Verwüstungen des I. und II. Weltkriegs war die Schweiz verschont geblieben und hatte deshalb ab 1945 eine hervorragende Ausgangslage im wirtschaftlichen Wettbewerb der Staaten. Die militärische und politische Unabhängigkeit der Schweiz war letztlich ein Erfolgsmodell.

Das Nein der Schweiz zum EWR-Beitritt

Der Zwist zwischen jenen Kräften, die auf diesem Modell beharrten und jenen, die sich der veränderten Weltlage nach 1989 anpassen wollten, eskalierte im Vorfeld der Abstimmung zum Beitritt der Schweiz zum EWR. Sowohl der Bundesrat (die schweizerische Landesregierung) und das Parlament, wie auch die Mehrheit der grossen Parteien hatten sich für einen Beitritt ausgesprochen. Da der Bundesrat nicht mit einem Nein gerechnet hatte, hinterlegte er bereits anfangs 1992 ein Beitrittsgesuch zur EU in Brüssel und signalisierte damit, dass der EWR-Beitritt nur ein Schritt in Richtung EU-Vollmitgliedschaft sei. Dies war ein entscheidender Fehler. Nun konnten die gegnerischen Kräfte die Abstimmung über eine stärkere wirtschaftliche Kooperation mit den europäischen Partnern, die man im Rahmen der EFTA bereits mit Erfolg erprobt hatte, in eine hochemotionale Abstimmung über schweizerische Kultur und Tradition (direkte Demokratie, militärische Neutralität etc.) verwandeln. Die rechtskonservativen Kreise behaupteten, viele dieser schweizerischen Eigenheiten könnten nur im Alleingang bewahrt werden. Die Schweiz müsse an ihrer Unabhängigkeit festhalten und sich vor der europäischen Bürokratie schützen.

Die Abstimmung wurde zum Debakel für das politische Establishment. Der EWR-Beitritt scheiterte am 6. Dezember 1992 am Ständemehr (16 von 23 Nein) und an 50.3% Nein-Stimmen. Seither ist die Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern einer starken Integration der Schweiz ins europäische Umfeld eine der zentralen Auseinandersetzungen in der politischen Landschaft der Schweiz.

Der bilaterale Weg

Als Alternative zum EWR-Beitritt priesen die Gegner im Abstimmungskampf den Alleingang und den bilaterale Weg an (was sich natürlich widerspricht). Die negativen Folgen des Nichtbeitritts milderte die Regierung in den Folgejahren mit bilateralen Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU, die in zwei umfassenden Vertragspaketen endeten (siehe dazu: Bilaterale Verträge zwischen der Schweiz und der EU)

Gegen diese Vertragspakete wurde das Referendum ergriffen, von jenen Kreisen, die auch schon den Beitritt zum EWR bekämpft hatten.

Wieder wurde der Alleingang als der beste Weg gepriesen. Mit dem allmählichen Inkrafttreten dieser bilateralen Verträge wurde zwar der Druck, der auf der Schweiz lastete, sich stärker in die europäische Landschaft zu integrieren, verringert, gleichzeitig wurde klar, dass ein Alleingang der Schweiz in einer zunehmend, politisch wie wirtschaftlich globalisierten Welt unmöglich ist. Dies äusserte sich einerseits in strukturellen Reformen beispielsweise der Schweizer Armee, die heute mehr oder weniger NATO-kompatibel ist (obwohl die Schweiz Nicht-Mitglied ist) andererseits darin, dass seit dem EWR-Nein sämtliche europapolitischen Abstimmungen (Mit Ausnahme der Initiative "Ja zu Europa", die 2001 sofortige Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU gefordert hatte) von den Pro-Europäischen Kräften gewonnen wurden (ua. die Referenden zu den bilateralen Verträgen, die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit (Teil der bilateralen Verträgen I) auf die neuen EU-Mitgliedstaaten, der Beitritt zu Schengen/Dublin).

Auch der Beitritt der Schweiz zu den Vereinten Nationen 2001 (was ebenfalls mittels Referendum bekämpft worden war) ist ein Zeichen dafür, dass weder die (meisten) Parteien, noch das Wahlvolk einen Alleingang der Schweiz für weiterhin praktikabel hält.

Verfechter des Alleingangs

Politisch profitierte sich beim Nein zum EWR die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), die seither von der "4.- stärksten" zur "wählerstärksten" Partei der Schweiz aufstieg. Sie war die einzige, der damaligen Bundesratsparteien (Parteien die mindestens einen der sieben Bundesräte (Minister) stellen), die sich gegen einen EWR-Beitritt (und damit gegen ihren eigenen Bundesrat) stellte.

Die SVP bildet damals wie heute das Rückgrat der isolierten, schweizerischen Politkräfte. Christoph Blocher, Präsident der SVP Kantonalsektion Zürich, brillierte bei der EWR-Ablehnung. Seine Wahl zum Bundesrat 2003 kann als eine der stärksten politischen Kräfteverschiebungen seit Jahrzehnten angesehen werden.

Blocher stieg durch die EWR-Abstimmung zum Politstar empor. Als "starker Mann" seiner Partei nahm er massgeblichen Einfluss auf den sich verschärfenden, isolierten und rechtskonservativen Kurs der SVP (auch in den vormals eher als gemässigt geltenden Kantonalsektionen Bern und Graubünden).

Die Kampagne gegen den EWR-Beitritt machte Blocher zum Politparadepferd der Schweiz. Der Begriff "Alleingang" verbindet sich sowohl mit einem Zeitabschnitt der SVP, sowie mit der politischen Laufbahn Christoph Blochers (er ergriff beispielsweise Jahre zuvor das Referendum gegen die Einführung der Sommerzeit in der Schweiz).

Während die SVP, die grosse Masse der Isolationisten darstellt, ist die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) deren Speerspitze. Die AUNS verfolgt das Ziel mit Initiativen, Referenden und Abstimmungskampagnen, jegliche Auslandannäherungen, seien sie auch noch so unbedeutend, zu verhindern. Langjähriger Präsident war, bis zu seiner Wahl zum Bundesrat, Christoph Blocher.

Gegner des Alleingangs

Das Nein zum EWR-Beitritt führte zu einer temporären Entfremdung der deutschsprachigen und der französischsprachigen Landesteilen. Da die französischsprachigen Stände entgegen der deutschsprachigen Mehrheit für einen EWR-Beitritt stimmte, erfanden die Medien den Begriff "Röstigraben", als Ausdruck für einen markanten Unterschied im Abstimmungsverhalten zwischen deutsch- und französischsprachiger Schweiz. In den allermeisten der späteren Abstimmungen stellte man das Fehlen eines "Röschtigrabens", was für den inneren Zusammenhalt der Schweiz spricht und den Begriff als das entlarvt, was er von Anfang an war: eine Schlagzeile und nicht eine analytisch brauchbare Grösse. Tatsache ist aber, dass die traditionell aufgeschlossenere, EU-freundlichere Romandie (französischsprachige Schweiz) sich der Mehrheit angepasste (was wohl auch mit dem Vordringen der Schweizerischen Volkspartei (SVP) mittels Gründung von Orts- und Kantonalsektionen in die Region zu tun hat).

Die einzige Bundesratspartei die sich immer noch vorbehaltslos für einen Beitritt der Schweiz zur EU- ausspricht ist die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP).

Die politische Mitte bestehend aus Christlichdemokratischer Volkspartei (CVP) und Freisinnig-Demokratischer Partei (FDP) tendiert heute stark zum bilateralen Weg. Besonders die FDP hat damit einen Kurswechsel von EU-freundlich zu EU-kritisch vollzogen.

Speerspitze der EU-Befürworter in der Schweiz ist heute die aus Fusionen verschiedener Gruppierungen hervorgegangen Neue Europäische Bewegung Schweiz (NEBS).

Fazit

Der Alleingang der Schweiz, verstanden als eine Nichteinmischung in "fremde Händel" bzw. das Heraushalten aus den militärischen Konflikten der Nachbarstaaten hat sich im Nachhinein als kluge Strategie erwiesen, die der Schweiz vieles erspart hat. Genauso hat sich, spätestens mit dem Ende des kalten Krieges und der Gründung der EU, der Alleingang verstanden als Nicht-Kooperation in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht als Sackgasse erwiesen. Der Begriff wird folgerichtig in der politischen Diskussion auch kaum mehr ernsthaft verwendet (es sei denn als Polemik).

Literatur

  • Nicolas G. Hayek, Josef F. Kümin (Redaktion); Stiftung Freiheit & Verantwortung (Hrsg.): Freiheit, Verantwortung und EU-Beitritt der Schweiz. Rede anlässlich des «Head of Missions Lunch Meetings» von Boris Lazar, Botschafter der Tschechischen Republik, am 16. März 2009 im Kursaal Bern. In: Schriftenreihe Freiheit & Verantwortung. Band 4, Gesellschaft und Kirche Wohin? Mitgliederbrief Nr. 233, Lachen SZ / Stiftung Freiheit & Verantwortung, Kriens LU 2009 (ohne ISBN).

Siehe auch

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