Hellenika Oxyrhynchia

Hellenika Oxyrhynchia

Als Helleniká Oxyrhynchia (von griechisch Ἑλληνικά, griechische (Geschichte) und Ὀξύρρυγχος, die Stadt Oxyrhynchos) bezeichnet man ein altgriechisches Geschichtswerk, von dem nur Fragmente erhalten sind, überliefert in drei Gruppen von Papyrusfragmenten (aus dem 2. Jahrhundert), zum einen dem „Londoner Papyrus“[1] (Fundjahr 1906), dem „Florentiner Papyrus“[2] (Fundjahr 1934) und einem kurzen Papyrusfragment aus Kairo.[3] Etwa 900 Zeilen des Werkes sind lückenhaft erhalten. Da der Autor und der ursprüngliche Titel des Werkes unbekannt sind, ist es nach dem Fundort Oxyrhynchos in Ägypten benannt. (Als Helleniká bezeichnet man allgemein antike historische Werke, die sich mit Griechenland/Hellas befassen.)

Inhaltlich schließen die Helleniká Oxyrhynchia an das Geschichtswerk des Thukydides an und bieten daher nach Ansicht vieler Forscher eine wertvolle Parallelüberlieferung zu Xenophons Helleniká. Der „Florentiner Papyrus“ berichtet von der Schlacht von Notion im dekeleisch-ionischen Krieg (407 v. Chr.). Der „Londoner Papyrus“ schildert diverse Ereignisse der Jahre 397395 v. Chr., nämlich den Seekrieg zwischen den Persern unter Konon und den Spartanern, die thebanisch-phokischen Auseinandersetzungen sowie die Landoperationen der Spartaner in Kleinasien unter Agesilaos. Ebenso beinhaltet er einen wichtigen Exkurs über die Verfassung des böotischen Bundes. Der sehr kurze „Kairoer Papyrus“ handelt von dem Fehlschlag der athenischen Offensive in Ionien unter den Mauern von Ephesos im Jahr 409 v. Chr.[4]

Der Autor hat, so nimmt man meist an, nach dem Vorbild des Thukydides aufgrund von Autopsie und eigener Erkundung gearbeitet. Der Stil ist schlicht, Exkurse sind häufig, Reden fehlen ganz. Wie bei Thukydides erfolgt die Jahreszählung mit Hilfe eines Epochenjahres, in diesem Fall der Übernahme der Hegemonie durch die Spartaner (403/02 v. Chr.). Als mögliche Autoren wurden von der Forschung vorgeschlagen: Ephoros von Kyme, Theopompos von Chios,[5] Androtion, Daimachos[6] und Kratippos von Athen[7]. Letzterer gilt vielen als wahrscheinlichster Kandidat, insbesondere in Hinblick auf die zeitliche Einordnung und Beurteilung seines Werkes durch Plutarch.[8] Hinweise auf die Helleniká Oxyrhynchia zurückgehende Quellentradition finden sich auch bei Plutarch sowie bei Diodor, Cornelius Nepos und Justin.[9]

Der Althistoriker Bruno Bleckmann hat allerdings jüngst wieder vehement für Theopompos als Verfasser plädiert und zudem die These vertreten, die Helleniká seien inhaltlich lediglich eine Ausschmückung älterer Werke (besonders von Xenophon) und besäßen daher wenig bis gar keinen eigenständigen Quellenwert. Bleckmann greift dabei eine schon von Georg Busolt vertretende Überlegung auf und begründet sie weiter.[10] Ob sich diese Position in der Forschung durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

Ausgaben und Übersetzungen

Die Helleniká Oxyrhynchia finden sich in JacobysFragmenten der griechischen Historiker“.[11] Des Weiteren erschien eine von Vittorio Bartoletti herausgegebene Edition in der Reihe Bibliotheca Teubneriana.[12] Kommentierte und übersetzte Ausgaben existieren in englischer[13] und deutscher Sprache.[14]

Literatur

  • Bruno Bleckmann: Fiktion als Geschichte. Neue Studien zum Autor der Hellenika Oxyrhynchia und zur Historiographie des vierten vorchristlichen Jahrhunderts. Göttingen 2006, ISBN 978-3-525-82549-5
  • Bruno Bleckmann: Athens Weg in die Niederlage. Die letzten Jahre des Peloponnesischen Kriegs. Stuttgart u.a. 1998.
  • Klaus Meister: Die griechische Geschichtsschreibung. Von den Anfängen bis zum Ende des Hellenismus, Stuttgart [u.a.] 1990, S. 65-68. ISBN 3-17-010264-8

Einzelnachweise

  1. P.Oxy. 842 [= The Oxyrhynchus Papyri. Hrsg. v. der Egypt Exploration Society in Graeco-Roman Memoirs, Band V, London 1908, Nummer 842].
  2. PSI 1304 [= Papiri greci e latini. Hrsg. v. der Società Italiana per la Ricerca dei Papiri Greci e Latini in Egitto, Band XIII, Florenz 1953, Nummer 1304].
  3. P.Cair (Temp. Inv. No.) 26/6/27/1-35 [= Service des Antiquités de l'Égypte, Catalogue Général des Antiquités égyptiennes du Musée du Caire].
  4. Gustav Adolf Lehmann: „Ein neues Fragment der Hell.Oxy.: Einige Bemerkungen zu P.Cairo (Temp. Inv. No.) 26/6/27/1-35“, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 26, 1977, S. 181-191.
  5. Eberhard Ruschenbusch: Theopompea. In: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 39, 1980, S. 81ff.
  6. Felix Jacoby & Paul Maas: The Authorship of the Hellenica of Oxyrhynchus. In: The Classical Quarterly 44, 1950, S. 1–11.
  7. Philipp Harding: The Authorship of the Hellenika Oxyrhynchia. In: The Ancient History Bulletin 1, 1987, S. 101–104.
  8. Plut. Mor. p. 345c-e
  9. Vgl. etwa Bleckmann, Athens Weg in die Niederlage, S. 19ff.
  10. Vgl. Georg Busolt: Der neue Historiker und Xenophon. In: Hermes 43 (1908), S. 255–285.
  11. FGrHist 66.
  12. Hellenica Oxyrhynchia, herausgegeben von Vittorio Bartoletti, Leipzig 1959.
  13. Hellenica Oxyrhynchia, übersetzt und kommentiert von Paul McKechnie & Stephen J. Kern, Warminster 1988. ISBN 0856683582.
  14. Hellenika von Oxyrhynchos, übersetzt und kommentiert von Ralf Behrwald, Darmstadt 2005. ISBN 3-534-18500-5

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