- Hellin-Regel
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Mehrlinge sind zwei oder mehr Kinder einer Mutter und eines Vaters, die innerhalb derselben Schwangerschaft herangewachsen sind und in der Regel im Verlauf desselben Geburtsvorganges zur Welt kommen. Der Begriff wird meist nur verwendet, wenn nicht der Spezialfall einer Zwillingsschwangerschaft vorliegt.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Die Entstehung von Drillingen und höhergradiger Mehrlinge entspricht der der Entstehung von Zwillingen:
- Eineiige Zwillinge (monozygotisch)
- Zweieiige Zwillinge (dizygotisch)
Bei Mehrlingsschwangerschaften mit eineiigen (= monozygoten) Zwillingen entstehen abhängig vom Zeitpunkt der Teilung des Embryoblasten vier Formen, wie sich die Zwillinge Plazenta und Fruchtblase teilen:
- Die dichorial-diamniote Zwillingsschwangerschaft ist mit etwa 70 von 100 Schwangerschaften mit eineiigen Zwillingen die mit Abstand häufigste Form. Jeder Zwilling hat einen eigenen Mutterkuchen (Plazenta) und eine eigene Fruchthöhle und ist von zwei Eihäuten (Amnion und Chorion) umhüllt, sodass die Trennwand zwischen ihnen aus vier Eihäuten besteht.
- Die monochorial-diamniote Zwillingsschwangerschaft kommt bei ca. 30 von 100 Schwangerschaften mit eineiigen Zwillingen vor. Die Zwillinge teilen sich einen Mutterkuchen (Plazenta), jedes Kind hat jedoch eine eigene Fruchthöhle, die von einer Eihaut umhüllt ist, so dass die Trennwand zwischen ihnen aus zwei Eihäuten, nämlich dem Amnion eines jeden Zwillings, besteht.
- Die monochorial-monoamniote Zwillingsschwangerschaft kommt bei ca. 1 von 100 Schwangerschaften mit eineiigen Zwillingen vor. Die Zwillinge teilen sich eine Plazenta und eine Fruchthöhle, sodass zwischen ihnen keine Trennwand aus Eihäuten besteht.
- Die monochorial-monoamniote siamesische Zwillingsschwangerschaft kommt bei ca. 1 von 300 Schwangerschaften mit eineiigen Zwillingen vor. Durch eine unvollständige Teilung des Embryoblasten sind die Kinder an ein oder mehreren Körperteilen zusammengewachsen. Die Zwillinge teilen sich eine Plazenta und eine Fruchthöhle.
Drillinge entstehen auf natürliche Weise, wenn es nach der Zwillingsbildung nochmals zu einer Teilung kommt. Dabei kommen alle Formen der zweiten Zwillingsbildung vor, häufen sich aber prägnant bei bestimmten Formen.
Häufigkeit
Entsprechend der Bildung lässt sich die Häufigkeit von Mehrlingsschwangerschaften nach der Hellin-Hypothese (auch Hellin-Regel) als Potenz der Häufigkeit von Zwillingsgeburten errechnen, wobei der Exponent die Anzahl der Kinder minus Eins ist.
Bei einer angenommenen Häufigkeit von Zwillingsschwangerschaften von 1:85 (aufgrund von Hormonbehandlung und künstlicher Befruchtung liegt die Quote heute in der betroffenen Gruppe sowie der Gesamtpopulation höher) ergeben sich folgende Häufigkeiten für Mehrlingsgeburten:
Anzahl Kinder Formel Häufigkeit in Prozent Zwillinge 1:851 1:85 ca. 1,2 Drillinge 1:852 ca. 1:7.000 ca. 0,01 Vierlinge 1:853 ca. 1:600.000 ca. 0,0002 Fünflinge 1:854 ca. 1:50.000.000 ca. 0,000002 Zeichen einer Mehrlingsschwangerschaft
Die Hinweise für eine Mehrlingsschwangerschaft können in sichere und unsichere Zeichen eingeteilt werden:
unsichere Zeichen
- auffällig hohe HCG-Konzentration im Blut
- übergroßer Bauchumfang,
- ausgeprägt erhöhter Fundusstand (oberer Rand der Gebärmutter),
- auffallend viele Kindsbewegungen,
- mehr als zwei „große“ und „harte“ Kindsteile, die Kopf oder Steiß sein könnten,
- auffallend viele kleine Kindsteile.
sichere Zeichen
Sichere Zeichen sind demgegenüber
- die Aufzeichnung von mindestens zwei Herztönen unterschiedlicher Frequenz in der fetalen Echokardiografie,
- Nachweis mindestens zweier Feten in der Sonografie.
Als indirekter Hinweis muss auch das Auftreten von Mehrlingsschwangerschaften in der Familie genommen werden. Dies betrifft ausschließlich Schwangerschaften mit mehreiigen Mehrlingen; monozygotische Mehrlinge treten nicht familiär gehäuft auf. Folglich kann eine Disposition zu Mehrlingsschwangerschaften ausschließlich über die Familie mütterlicherseits vererbt werden.
Mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine Mehrlingsschwangerschaft ist nach einer künstlichen Befruchtung zu rechnen.
Kritik
Die meisten Geburten mit mehr als zwei Kindern sind heute die Folge von Hormonbehandlungen. Aufgrund der hohen Gefahr auch für das Leben der Mutter wegen Mehrlingsschwangerschaften werden diese Hormonbehandlungen kritisch gesehen.[1]
Risiken
Eine Mehrlingsschwangerschaft stellt eine Risikoschwangerschaft für die Mutter und die Kinder dar. So weisen die Schwangeren selbst eine dreifach erhöhte Sterblichkeit auf. In der Frühschwangerschaft kommt es gehäuft zum Auftreten einer Hyperemesis gravidarum, in der späteren Schwangerschaft zum Auftreten von Gestosen. Die Frühgeburtlichkeit ist deutlich erhöht. Gegen Ende der Schwangerschaft kommt es zu einer Wachstumsverzögerung der Feten - bei Zwillingsschwangerschaften ab der 34.-35. Schwangerschaftswoche (SSW), bei Drillingen schon ab der 28. SSW. Um auch ein unterschiedliches Wachstum der einzelnen Feten feststellen zu können, werden 14-tägliche Kontrolluntersuchungen bis zur 28. SSW, danach wöchentlich empfohlen.
Bei einer Mehrlingsschwangerschaft können folgende Komplikationen gehäuft auftreten:
- Vermehrte Wassereinlagerung, besonders in den Beinen (Stauungsödeme)
- Beeinträchtigung mütterlicher Bauchorgane durch die große Gebärmutter (z.B. Darmprobleme oder Harnstau)
- Schwangerschaftsbedingter Bluthochdruck (schwangerschaftsinduzierte Hypertonie) bis hin zur Präeklampsie
- Krampfadern (Varizen)
- Blutarmut (Anämie)
- Vorgelagerte Plazenta (Plazenta praevia) und vorzeitige Plazentalösung
- Eingeschränkte Funktion des Mutterkuchens (Plazenta-Insuffizienz) mit Wachstumsstörungen des Kindes
- Verkürzter Gebärmutterhals und vorzeitige Öffnung des Muttermunds (Zervix-Insuffizienz)
- Blutübertragungen zwischen den Mehrlingen (Fetofetales Transfusionssyndrom FFTS); dies führt dazu, dass einer der Zwillinge mehr Blut erhält als der andere. Meistens ist in diesem Falle ein mikrochirurgischer Verschluss der Gefäßbildung nötig.
- Übermäßige Fruchtwasserbildung (Polyhydramnion)
- Nabelschnurumschlingungen
Insbesondere bei Drillingsschwangerschaften und Schwangerschaften mit höhergradigen Mehrlingen besteht die Möglichkeit des selektiven Fetozids, d.h. der pränatalen Reduktion von Mehrlingen. Dabei wird aufgrund einer medizinischen Indikation mindestens eines der ungeborenen Kinder getötet, entweder weil es behindert ist oder um die Überlebens- und Entwicklungschancen der anderen Föten zu erhöhen. In der Regel gehen der Entscheidung zum selektiven Fetozid pränataldiagnostische Untersuchungen voran, bei denen untersucht wird, ob ein Kind möglicherweise eine Erkrankung oder Behinderung hat, die die Wahl des Kindes, das getötet werden soll, erleichtern könnte. Lässt sich nichts dergleichen feststellen, wird meist das kleinste Kind ausgewählt und entweder durch eine tödliche Injektion oder durch die Unterbindung versorgender Gefäße abgetötet. Das Risiko, letztlich alle Kinder durch eine durch den Eingriff ausgelöste Fehlgeburt zu verlieren, beträgt durchschnittlich 15 %.
Berühmte Mehrlinge
- Elisabeth Kübler-Ross, Erika Faust-Kübler und Eva Bacher-Kübler waren Drillinge
- Franz, Gertrud und Paul Thieme waren Drillinge
- Falco war Drilling, seine Geschwister sind allerdings bei der Geburt gestorben
- Nicole, Erica und Jaclyn Dahm sind Drillinge
- Myrinda, Zachary, Lorenzo und Nikolas Brino sind Vierlinge
- Dionne-Fünflinge
Siehe auch
- Fetofetales Transfusionssyndrom in der Zwillingsschwangerschaft
Einzelnachweise
- ↑ Glück und Stress im Sechserpack – fünf Berliner Sechslinge zu Hause, Ärzte Zeitung online, 5. Januar 2009
Weblinks
- ABC-Club e.V., Initiative Drillings- und Mehrlingseltern
- Claudia Korebrits: Zwillinge, Drillinge, Mehrlinge....., Informationen der Charité, 2006
- Mehrlingsschwangerschaften: Viel Glück auf einmal, Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2009
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