Helmut Thomä

Helmut Thomä

Helmut Thomä (* 6. Mai 1921 in Stuttgart) ist ein deutscher Arzt, Psychoanalytiker und Hochschullehrer. Mit seiner Habilitation 1961 an der Universität Heidelberg erhielt er als erster Deutscher die Venia legendi für Psychosomatische Medizin und Psychoanalyse. Gemeinsam mit Horst Kächele schrieb er ein bedeutendes (nunmehr dreibändiges) Lehrbuch der Psychoanalyse. Er lebt in Leipzig.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Über Felix Schottländer kam Helmut Thomä zur Psychoanalyse. 1950 wurde Thomä Mitarbeiter von Alexander Mitscherlich an der Psychosomatischen Universitätsklinik in Heidelberg. 1955 ging er im Rahmen eines Fulbright-Stipendiums für ein Jahr an die Yale-Universität in New Haven (Connecticut). 1962 erhielt Thomä als erster Arzt an einer deutschen Universität die Lehrbefähigung für Psychosomatische Medizin und Psychoanalyse. Seine Habilitation über Anorexia nervosa beeindruckte durch sorgfältige Darstellung von Krankengeschichten im Kontext mit klinischer Theorie. Wichtige Anregungen erhielt Thomä durch Michael Balint, den er während eines Stipendiums in London traf. Daraufhin begann er mit einer Studie über die Deutungen des Analytikers. Eigene Forschung im größerem Rahmen wurde möglich, als ihn Thure von Uexküll 1967 nach Ulm holte, wo er den Lehrstuhl für Psychotherapie an der Medizinisch-Naturwissenschaftlichen Hochschule Ulm übernahm. Von 1968 bis 1972 war Helmut Thomä Vorsitzender der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung.

In langjähriger Zusammenarbeit mit Horst Kächele, seinem späteren Nachfolger am Ulmer Lehrstuhl, untersuchte Thomä psychotherapeutische Prozesse auf verschiedenen Ebenen. Sein spezielles Interesse galt dabei dem Konsensus-Problem unter Klinikern, als auch eine solide wissenschaftstheoretische Fundierung der Psychoanalyse. Nach seiner Emeritierung zog er mit Dr. Brigitte Thomä nach Leipzig.

Mit zahlreichen Publikationen erwarben Thomä und Kächele internationales Renommee; ihr Lehrbuch über die Psychoanalytische Therapie, inzwischen in zehn Sprachen übersetzt, fand weltweite Verbreitung. Andererseits provozierte die Ulmer Schule der Psychoanalyse auch den Widerstand einiger Kollegen. Im Paradigma der empirischen Fundierung von Psychoanalyse, im Intersubjektivismus und ihrer Verwissenschaftlichung der Ausbildung sah man eine Abwendung vom klassischen Erbe.[1]

Stellung

„Helmut Thomä – heute über achtzigjährig – war immer ein Rebell, sensibel, eigenwillig, kantig. Auf seinen frühen Reisen in die anglo-amerikanische Welt kristallisierten sich bei ihm jene Überzeugungen heraus, die dem anfangs eher orthodoxen Psychoanalytiker den Ruf eines Neuerers eintrugen und ihn mit seinem "Bruder im Geiste" Kächele verbinden. Der spekulativen Metapsychologie stellten die beiden das Postulat einer wissenschaftlichen Untersuchung des psychoanalytischen Prozesses entgegen. Ihr Grundsatz: die Hypothesen der Psychoanalyse müssen sich empirisch bewähren. So nutzte Thomä als einer der ersten Tonbandprotokolle, um die Deutungsarbeit des Therapeuten und ihre Wirkungen auf den Patienten zu überprüfen. [2]

Ehrungen

Schriften

  • Über zwei Fälle von Siderosis Bulbi. o. O. 1944
  • Anorexia nervosa. Huber, Bern 1961
  • Schriften zur Praxis der Psychoanalyse. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981
  • Psychoanalytische Therapie, gemeinsam mit Horst Kächele, 3-bändiges Lehrbuch, 3., überarb. und aktualisierte Aufl., Springer, Berlin 2006
  • Die vernetzte Seele. Die intersubjektive Wende in der Psychoanalyse. hrsg. gemeinsam mit Martin Altmeyer, Klett-Cotta, Stuttgart 2006

Einzelnachweise

  1. http://www.balint-stiftung.de/dl/Sigmund_Freud_Preis.pdf
  2. http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/5951/

Weblinks


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