Helmut Hentrich

Helmut Hentrich
Thyssen-Haus in Düsseldorf
Finnlandhaus in Hamburg an der Esplanade, innovative Hängekonstruktion 1966 nach Plänen von Hentrich und Petschnigg erbaut.

Helmut Hentrich (* 17. Juni 1905 in Krefeld; † 7. Februar 2001 in Düsseldorf) war ein deutscher Architekt, der besonders durch seine markanten Hochhausbauten in den 60er, 70er Jahren bekannt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Helmut Hentrich wurde 1905 in Krefeld als Sohn des Bauingenieurs Hubert Hentrich geboren. Schon während seiner Schulzeit interessierte er sich für Kunst, Architektur und absolvierte Praktika in den Architekturbüros von August Biebricher und Franz Brantzky.

Nach dem Abitur gab Hentrich zunächst dem Drängen des Vaters nach und nahm im Jahre 1922 ein Jurastudium an der Universität Freiburg im Breisgau auf, wechselte jedoch schon bald an die Architekturfakultät der Technischen Hochschule Wien. Zum Wintersemester 1925/1926 wechselte er an die Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg, um bei Hans Poelzig, Heinrich Tessenow und Hermann Jansen zu studieren.

In Berlin lernte Hentrich die im Aufbruch befindliche moderne Architektur kennen, arbeitete in den Semesterferien in den Architekturbüros von Hugo Häring und Ludwig Mies van der Rohe, aber es war vor allem Hans Poelzig, der sein Architekturverständnis prägte. Während seiner Studienzeit in Berlin lernte er Albert Speer, Friedrich Tamms und Rudolf Wolters kennen, die ebenfalls dort studierten. Hentrich legte im Jahre 1928 seine Diplom-Hauptprüfung mit Auszeichnung ab.

Nach dem Diplom begann er 1929 ein Referendariat (als Regierungsbauführer), um sich für den Staatsdienst zu qualifizieren und war als Bauleiter beim Umbau der Andreaskirche in der Düsseldorfer Altstadt tätig. Ebenfalls 1929 erhielt er für den Entwurf einer „Hochschule für Tanzkunst“ den Schinkelpreis, mit dem 1892 auch sein Vater ausgezeichnet worden war,[1] und promovierte an der Technischen Hochschule Wien mit einer auf diesem Entwurf basierenden Arbeit über modernes Tanztheater.

Anfang der 1930er Jahre arbeitete er in Paris (im Architekturbüro von Ernő Goldfinger) und New York (im Architekturbüro von Norman Bel Geddes), unternahm aber auch ausgedehnte Reisen durch die USA, China, Indien und andere Länder.

Nach Deutschland zurückgekehrt legte Hentrich im Jahre 1933 die zweite Staatsprüfung zum Regierungsbaumeister (Assessor) ab. Er sollte eine Anstellung im Staatshochbauamt Gumbinnen (Ostpreußen) erhalten, wählte jedoch den Weg in die Selbstständigkeit und eröffnete ein Architekturbüro in Düsseldorf. Nach anfänglicher Zusammenarbeit mit Hans Heuser gründete Hentrich 1935 mit diesem eine Büropartnerschaft (Hentrich & Heuser) und konnte sich mit Wettbewerbserfolgen und Wohnhausbauten in Düsseldorf etablieren.

Autobahnraststätte Rhynern, bis 2005 in Betrieb

Beide gewannen 1937 einen Wettbewerb für das Deichtor Orsoy, nahmen vermehrt an offiziellen Wettbewerben der Organisation Todt oder der Hitlerjugend teil. 1938 war Hentrich auf der Zweiten Deutschen Architekturausstellung der Nationalsozialisten im Münchener Haus der Deutschen Kunst mit dem Reichsautobahn-Rasthof Rhynern vertreten.[2]

Hentrich gehörte dem Arbeitsstab des am 30. Januar 1937 zum Generalbauinspektor (GBI) für die Reichshauptstadt Berlin ernannten Albert Speer an (u. a. Fassadenentwurf des Reichsversicherungsamtes) und war Mitglied des am 11. Oktober 1943 geschaffenen „Arbeitsstab Wiederaufbauplanung“ („Wiederaufbaustab Speer“) für die im Krieg zerstörten Städte (u. a. Wiederaufbauplanungen für seine Geburtsstadt Krefeld, oder städtebauliche Entwürfe für die Neugestaltung Hamburgs durch Konstanty Gutschow). In der Endphase des Zweiten Weltkriegs wurde Hentrich von Hitler in die Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Architekten aufgenommen, was ihn vor einem Kriegseinsatz bewahrte.[2]

Hentrich schrieb in seinen Erinnerungen („Bauzeit. Aufzeichnungen aus dem Leben eines Architekten.“ Düsseldorf 1995,) über seine Arbeiten im sogenannten Dritten Reich: „Die interessante Arbeit an diesen Bauten war immer nur sachbezogen und nie von politischen Aspekten gefärbt.“ Mit dieser Auffassung hatte Hentrich keine Probleme, für die berüchtigte „Organisation Todt“ Aufträge auszuführen oder Zwangsarbeiter auf seinen Baustellen zu beschäftigen.

In der Nachkriegszeit geriet Hentrich in die Schlagzeilen, als der von Bernhard Pfau gegründete Architektenring Düsseldorf dem Leiter des Stadtplanungsamtes, Friedrich Tamms, vorwarf, ehemals hochgestellte Freunde aus dem Stab des Generalbauinspektors – zu denen neben Julius Schulte-Frohlinde, Konstanty Gutschow oder Rudolf Wolters natürlich auch Hentrich gehörte – zu begünstigen. „Tatsächlich wird Düsseldorf zu einem Zentrum der ehemaligen Nazi-Prominenz“, formulierte der Architektenring in einer Denkschrift.

Trotz dieser Einwände konnte Hentrich – ehrenamtliches Mitglied im Kulturausschuss der Stadt Düsseldorf – sich an den Wiederaufbauplanungen für die Stadt beteiligen, sein Architekturbüro mit zahlreichen Neubauten das Erscheinungsbild der Stadt prägen. Dabei war sicherlich hilfreich, dass Hentrichs Studienfreund Friedrich Tamms Leiter des Stadtplanungsamtes und Julius Schulte-Frohlinde seit 1952 Leiter des Hochbauamtes der Stadt Düsseldorf war. Weisen die ersten Nachkriegsbauten Hentrichs noch starke Anklänge an die Formvorstellungen des sogenannten Dritten Reichs auf („Reichskanzlei-Stil“), so prägt in der Folge eine von den Materialien Glas und Stahl bestimmte kühle Sachlichkeit, die Balance zwischen Masse und Transparenz, die Bauten Hentrichs.

Nach dem Tod von Hans Heuser im Jahre 1953 nahm Hentrich Hubert Petschnigg in das Architekturbüro auf. 1959 wurde die Bürogemeinschaft um sechs Partner erweitert und in HPP Hentrich-Petschnigg & Partner umbenannt. HPP gewann in der Folge zahlreiche Wettbewerbe und entwickelte sich zu einem der größten Architekturbüros der Nachkriegszeit, mit Spezialisierung auf dem Gebiet des Verwaltungsbaus.

1972 wurde die Bürogemeinschaft zu einer Kommanditgesellschaft umgeformt. Zwei Jahre später übertrugen Hentrich und Petschnigg ihren beiden Partnern Hans Joachim Stutz und Rüdiger Thoma die Leitung des Büros. Sie selbst zogen sich in den Beirat des Büros zurück, nahmen aber weiter Anteil an den verschiedenen Projekten.

Auszeichnungen

  • 1960 wurde Helmut Hentrich zum Professor ernannt,
  • 1969 erhielt er die BDA-Plakette,
  • 1981 die Heinrich-Tessenow-Medaille in Gold,
  • 1985 wurde er von der Stadt Düsseldorf zum Ehrenbürger ernannt (Ehrenring der Stadt Düsseldorf).

Bauwerke

  • HJ-Heim, Rheinhausen 1937–1938
  • Bankhaus Trinkaus, Düsseldorf 1949–1950
  • Gerling-Hochhaus, Köln. Planung 1949–51. Erbaut 1951–53 mit Änderungen durch Hans Gerling[3]
  • Drahthaus, Düsseldorf 1951–1952
  • Bürohaus Pempelfort, Düsseldorf 1952–1953
  • Christuskirche, Düren 1953–54
  • Friedrich-Engelhorn-Hochhaus, Ludwigshafen 1954–1957
  • Evangelische Petruskirche, Düsseldorf 1955–1956
  • Aula Universität Bonn 1956
  • Thyssen-Haus (Dreischeibenhaus), Düsseldorf 1957–1960
  • Bayer-Hochhaus, Leverkusen 1960–1963
  • BAT-Hochhaus, Hamburg 1958–1960
  • Unilever-Haus, Hamburg 1961–1964
  • KHD-Hochhaus, Köln 1961–1964
  • Palais Nesselrode – Hetjens Museum, Düsseldorf 1961–1967
  • Westdeutscher Rundfunk, Köln 1962–1970
  • Europa-Center, Berlin 1963–1964
  • Ruhr-Universität Bochum 1963–1972
  • Evangelische Bonhoeffer-Kirche, Düsseldorf 1964–1965
  • Oberfinanzdirektion Münster 1966
  • Verwaltungszentrum Procter & Gamble, Schwalbach/Taunus 1967–1970
  • Ehemalige Hauptverwaltung Rank Xerox, Düsseldorf 1968–1970
  • Finnlandhaus, Esplanade, Hamburg 1963–1966
  • Standard Bank Center, Johannesburg 1965–1970
  • Hauptverwaltung TÜV Rheinland e. V., Köln-Poll 1970–1974
  • Diamond Sorting Building, Kimberley, Rep. Südafrika 1971–74
  • RWI-Haus, Düsseldorf 1971–1974
  • Haus Hentrich, Düsseldorf 1973–1974
  • Hauptverwaltung Rheinische Braunkohlenwerke, Köln 1973–1976
  • Tonhalle Düsseldorf 1973–1978 und 2005
  • Marriott Riyadh Hotel, Saudi-Arabien 1977–1981
  • Innenministerium Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1977–1980
  • Trianon-Hochhaus – BfG Bank für Gemeinwirtschaft, Frankfurt a. M. 1988–1993
  • Sheraton Hotel, Essen 1979–1981
  • Forum Hotel, Mecca, Saudi-Arabien 1980–1983
  • Handelsblatthaus, Düsseldorf 1980–1983
  • Olivandenhof (Umbau), Köln 1987–1988
  • Stadtsparkasse Köln 1990–1992
  • Haus des Buches, Leipzig 1993–1996
  • Restaurierung + Umnutzung der „Tabakmoschee“ (ehem. Zigarettenfabrik „Yenidze“), Dresden 1993–1996
  • Neven-DuMont-Haus, Köln 1994–1998
  • Eurotower, Frankfurt a. M. 1994–1995
  • Arena „Auf Schalke“, Gelsenkirchen 1997–2001
  • Detlev-Rohwedder-Haus, Bundesministerium der Finanzen, Berlin 1997–2000
  • Äußere Gestaltung „maxCologne“ (ehemaliges Lufthansa-Hochhaus), Köln seit 2010

Literatur

  • Gudrun Escher: Pragmatiker zuerst. Helmut Hentrich 1905–2001. in: DBZ 4/2001, S. 18–19
  • Helmut Hentrich: Bauzeit. Aufzeichnungen aus dem Leben eines Architekten. Düsseldorf, 1995.
  • Henry-Russell Hitchcock: HPP Hentrich-Petschnigg & Partner. Düsseldorf, 1973.
  • HPP Hentrich-Petschnigg & Partner: 50 Jahre HPP. Düsseldorf, 1985.
  • Sabine Tünkers: Hentrich, Heuser, Petschnigg 1927–1955. Weimar, 2000.
  • Klaus-Dieter Weiß: Architektenporträt Helmut Hentrich. Perfektion versus Philosophie? in: Der Architekt 1/1986, S. 37–41

Weblinks

 Commons: Helmut Hentrich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 150 Jahre Schinkel-Wettbewerb – Preisgekrönte Ideen und Projekte. Wettbewerbssieger 1852–2006, abgerufen am 12. Juni 2010
  2. a b Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 234–235.
  3. Hiltrud Kier: Architektur der 50er Jahre. 1. Auflage. Insel Verlag, Frankfurt am Main/Leipzig 1994, ISBN 3-458-33317-7, S. 64. 

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