Henry Schmidt

Henry Schmidt

Lothar Henry Schmidt (* 2. Oktober 1912 in Chemnitz) war ein deutscher SS-Obersturmführer und als Kriminal-Kommissar Leiter des Referats IV 4 (vorher II B) der Staatspolizeistelle Dresden der Gestapo.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Elternhaus, Ausbildung und nationalsozialistischer Beginn

Als Sohn des Sattlers und Tapeziers Hugo Schmidt und seiner Ehefrau, der Strumpfnäherin Alma Uhlig, besuchte er von 1919 bis 1923 die Volksschule. Danach erfolgte eine Schulbesuch in der Real- und Aufbauschule in Chemnitz bis 1929, und dann trat er auch als einer der 30 ersten in Chemnitz in die Hitlerjugend ein.

Er begann im April 1929 eine Ausbildung zum Kaufmann im Baugeschäft Fischer in Chemnitz, die am 31. März 1932 mit dem Abschluss endete. Seine Karriere unter den Nationalsozialisten hatte er mit dem Eintritt in die SA im Januar 1930 fortgesetzt, wobei er an Kämpfen mit dem SA-Sturm 104 teilnahm. Es folgte der Eintritt in die NSDAP am 1. Oktober 1930 (Mitglied Nr. 321 297). Mitglied der SS und des SD wurde er mit der Nr. 9 926 im Oktober 1933.

Ausbildung zum Kriminal-Kommissar der Gestapo

Als erste Tätigkeit unter dem NS-Regime wurde er Hilfspolizist zum Bewachen eines Gefängnisses. Nach der Beförderung zum SS-Scharführer wurde er beim Geheimen Staatspolizeiamt Sachsen in Dresden eingesetzt. Auch hier verrichtete er noch einfache Wach- und Meldedienste. Den Leiter des Amtes kannte er noch aus der SA-Zeit in Chemnitz. Jetzt war es der SS-Standartenführer Friedrich Schlegel, der ihn für den Dienst in der Gestapo anwarb.

Ein weiterer Offizier der Dienststelle, der spätere Chef der Geheimen Feldpolizei, SS-Obergruppenführer Wilhelm Kriechbaum, befürwortete seine Übernahme in die Gestapo. 1936 wurde er zum SS-Untersturmführer befördert. In Berlin-Charlottenburg besuchte er von Mai bis Juni 1937 die Führerschule der Sicherheitspolizei zur Ausbildung zum Kriminal-Assistenten. Die Kanzleiansgestellte Gertrud Richter heiratete er am 16. Oktober 1937.

Nun erfolgte für ihn die Zeit der „Erprobung“ auf verschiedenen Staatspolizeistellen in Österreich und in Polen. Im Juni 1939 diente er in der Staatspolizeistelle Oppeln. Als Zeuge vor dem Volksgerichtshof wurde er zum 26. Februar 1940 vom Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof vorgeladen. Zur Führerschule der Sicherheitspolizei ging er 1941, um dort einen Lehrgang zum Kriminalkommissar zu besuchen.

1942: Dienstbeginn in Dresden

Danach diente er in der Staatspolizeistelle Trier. Im Befehlsblatt des Chefs der Sicherheitspolizei Nummer 53 vom 28. November 1942 wird unter Versetzungen bei den Staatspolizeistellen vermerkt, dass ein SS-Untersturmführer und Kriminal-Kommissar Henry Schmidt nach Dresden versetzt wird. Im April 1942 bezog er sein Büro im Gebäude der Gestapo in der Bismarckstraße (später Bayerische Straße) gegenüber dem Hauptbahnhof, was vorher das Hotel „Continental“ war.

Um sich eine Unterkunft zu besorgen, ließ er die jüdische Bürgerin Klara Weiß und ihre Tochter Eva durch den Kriminalobersekretär Rudolf Müller (genannt „Juden-Müller“) aus der Wohnung in der Schlüterstraße 22b vertreiben. Nach seiner Einrichtung und dem Nachzug seiner Familie begann er, mit der Erfassung und Registrierung der jüdischen Bürger, um ihre Deportation vorzubereiten.

Organisation der Deportation von Juden

Von Juni 1942 bis zum 27. September 1944 beteiligte er sich an zehn Transporten in das Ghetto Theresienstadt. Dabei fanden von 375 Deportierten 311 den Tod. Der Verbleib von 39 Opfern konnte nicht geklärt werden. Als er am 10. Februar 1945 einen restlichen Transport von 100 Personen organisieren wollte, wurde dies durch den Luftangriff auf Dresden am 13. Februar verhindert. Bei den Luftangriffen wurde auch die Staatspolizeistelle in der Bismarckstraße vollständig samt den Unterlagen zerstört. In einem Schreiben vom 12. Februar 1945 waren alle registrierten jüdischen Bewohner Dresdens, darunter Victor Klemperer, aufgefordert worden, sich am 16. Februar 1945 um 6:45 Uhr auf dem Grundstück Zeughausstraße 1 im Erdgeschoß rechts mit Handgepäck und für zwei bis drei Tage „Marschverpflegung“ einzufinden.

Aufbau des Arbeitslagers Hellerberg und Ende in Dresden

Am 11. November 1942 nahm Schmidt an einer Besprechung teil, wo geregelt wurde, auf dem Dresdner Heller für die Goehle-Werke, die in der Großenhainer Straße 101 an der Ecke Heidestraße lagen, ein Zwangsarbeiterlager für etwa 300 Personen einzurichten, um dort Zeitzünder zu montieren. Dem Leiter Johannes Hasenteufel versprach Schmidt, die jüdischen Mitbürger und die Leitung des Lagers zu organisieren. Von dieser Organisation ist ein Dokumentarfilm erhalten geblieben, der die Szenen des Lagers mit Schmidt am 23. und 24. November 1942 zeigt. Im Februar 1943 wurde das Lager als Sammellager für die Fabrikaktion genutzt; die verhafteten Juden wurden in das KZ Auschwitz deportiert.

Die Bombardierung Dresdens im Februar 1945 hatte auch für Schmidt folgenreiche Auswirkungen. Mit der Zerstörung der Gestapozentrale waren seine Personalpapiere vernichtet worden. Andererseits war seine Wohnung in der Schlüterstraße nicht von Bomben getroffen worden. Schmidt setzte sich jedoch sofort in die umliegenden Wälder Dresdens ab und baute dort eine Gruppe von „Werwölfen“ auf. Der jüdische Dresdner Hochschullehrer Victor Klemperer fürchtete, dass Schmidts Werwölfe ihn in Falkenstein auffinden könnten.

Vor dem Zeitpunkt der Kapitulation hielt sich Schmidt in der Gegend um Altenberg auf, wo er einen Stützpunkt aufbauen wollte. Er zog es jedoch vor, vor den sowjetischen Truppen nach Teplitz zu seiner Familie zu flüchten. Dort ließ er sich von dem dort ansässigen Nationalausschuss ein Dokument zur Ausreise ins Reich ausstellen. Bei seiner Schwägerin in Chemnitz tauchte er am 8. Mai 1945 wieder auf. Dort ließ er sich auch von einer Krankenschwester die SS-Tätowierung der Blutgruppe entfernen.

Flucht und Untertauchen

Als Schmidt bekannt wurde, dass nach ihm gefahndet wurde, zog er zu Verwandten seiner Frau nach Oelsnitz. Dort arbeitete er die kommenden Jahre als Arbeiter in einer Sandgrube bei Frohnsdorf. Als der Betrieb verstaatlicht wurde, hatte er die Stellung eines Verwalters erreicht, die er auch unter der VEB Starkstromanlagenbau Halle behielt. Er lebte unter seinem richtigen Namen in Altenburg, Erich-Weinert-Höhe 29. Am 1. April 1963 wurde er Geschäftsführer der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft (AWG) Glückauf. In die Rente ging er 1977.

Fahndung, Verhaftung und Prozess

Die Fahndung nach Schmidt wurde über viele Jahre fortgesetzt. Aus Akten in Polen und anderen Dienststellen konnten sein Geburtsdatum und andere Merkmale seiner Identität rekonstruiert werden. Am 9. April 1986 wurde er vom Kreisstaatsanwalt von Altenburg verhaftet. In der Anklageschrift vom 27. Juli 1987 des Generalstaatswalts der DDR (Az: 211-87) wurde er aufgrund von Artikel 6 des Buchstabens c des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofes von Nürnberg vom 8. August 1945 als Rechtsgrundlage vielfältiger Verbrechen beschuldigt. Weiterhin wurde als geltendes Recht die UNO-Konvention vom 26. November 1968 angeführt, wonach die Verjährung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht anwendbar ist.

In der Zeit vom 15. bis 28. September 1987 wurde der Strafprozess vor dem Bezirksgericht Dresden gegen Henry Schmidt abgehalten. Dabei wurden zahlreiche Zeugen gehört, deren Angehörige von Schmidt selbst misshandelt und mit großer Gewalt geschädigt worden waren. Seine Mitwirkung an der Deportation jüdischer Bürger in Konzentrationslager wurde nachgewiesen. Am 28. September 1987 verkündete der Vorsitzende des 1. Strafsenats des Bezirksgerichts Dresden, Siegfried Stranovska, das Urteil auf lebenslange Freiheitsstrafe und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte.

Die Berufung gegen das Urteil wies das Oberste Gericht der DDR mit seinem Urteil vom 22. Dezember 1987 als unbegründet zurück. In der Urteilsbegründung wurde auf den Grundsatz hingewiesen, dass je schwerer die begangenen Verbrechen des Täters sind, desto weniger haben die Umstände der Persönlichkeit des Täters und sein Verhalten nach der Tat einen Einfluss auf die Bemessung des Strafmaßes (Neue Justiz 1988/3, S. 123).

Referenzen

Weblinks


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