- Hepatorenales Syndrom
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Klassifikation nach ICD-10 K76.7 Hepatorenales Syndrom ICD-10 online (WHO-Version 2011) Das Hepatorenale Syndrom (HRS) ist eine funktionelle, prinzipiell voll rückbildungsfähige Abnahme der Nierenfunktion (glomerulären Filtrationsrate) mit der Folge eines oligurischen Nierenversagens bei Patienten mit Lebererkrankungen (Leberzirrhose oder fulminanter Hepatitis) bei fehlenden Hinweisen auf andere Ursachen einer Niereninsuffizienz (Ausschlussdiagnose). Durch die Ausschüttung von vasoaktiven (gefässerweiternden/-verengenden) Substanzen kommt es dabei zu einer Verschlechterung der Nierendurchblutung.
Inhaltsverzeichnis
Pathogenese
Die Kombination aus portaler Hypertension und arterieller Vasodilatation im Splanchnikusgebiet verändert den intestinalen Kapillardruck mit einer Steigerung der Gefäßpermeabilität. Somit kommt es zu einem Austritt von Flüssigkeit in die Bauchhöhle und zur Entstehung eines Aszites. Bei Fortschreiten der Erkrankung resultiert hieraus ein relativer intravasaler Flüssigkeitsmangel im systemischen Kreislauf mit Abnahme der renalen Ausscheidung von freiem Wasser und renovaskulärer Vasokonstriktion, um den Perfusionsdruck aufrechtzuerhalten (Underfill-Theorie). Reaktiv wird auch das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) angekurbelt, was zu einer Retention von Natrium und Wasser führt. Dieser bei gesunden Menschen durchaus sinnvolle Mechanismus führt bei Patienten mit portaler Hypertonie allerdings zu einer weiteren Verschlechterung des Krankheitsbildes.
Symptome
Die Klinik äußert sich durch Zeichen der dekompensierten Leberzirrhose. Dazu gehören Aszites, Ödeme, Ikterus und hepatische Enzephalopathie.
Es werden zwei Typen des HRS unterschieden.
Bei Typ 1 findet sich eine rasch fortschreitende Verschlechterung der Nierenfunktion. Kriterien sind eine Verdopplung des Serumkreatinins auf über 2,5mg/dl, oder ein Abfall der Kreatinin-Clearance um die Hälfte auf unter 20ml/min, jeweils binnen zwei Wochen. Es lassen sich bei diesem Typ oft auslösende Faktoren benennen, u. a. gastrointestinale Blutungen, forcierte Diuretikatherapie, nephrotoxische Medikamente (z. B. nichtsteroidale Antirheumatika), Laktuloseüberdosierung, oder Parazentese ohne Plasmavolumenexpansion.
Bei Typ 2 kommt es zu einer langsam fortschreitenden Verschlechterung der Nierenfunktion mit einem Serumkreatinin über 1,5mg/dl. Im Unterschied zu Typ 1 tritt diese Form oft spontan, ohne auslösenden Faktor auf und stellt eine wichtige Ursache therapierefaktären Aszites dar. [1] [2]
Definition und Diagnostik
Beim Hepatorenalen Syndrom handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose. Nach der Definition des International Ascites Club müssen folgende Hauptkriterien vorliegen[3]:
- Kreatininanstieg über 1,5 mg/dl bzw. Einschränkung der Kreatininclearance auf unter 40 mg/min.
- Portale Hypertension
- Keine Kreislaufdepression
- ausgeprägte hepatische Insuffizienz
- keine aktuellen bakteriellen Infekte
- keine Applikation nephrotoxischer Medikamente, die das Nierenversagen erklären könnten
- keine Verbesserung der Nierenfunktion nach Expansion des Plasmavolumens
- Keine Proteinurie über 500 mg/Tag
- Urinvolumen unter 500 ml/Tag
- Urinnatriumkonzentration von unter 10 mmol/l
- eine Urinosmolarität die höher als die Serumosmolarität ist
- Erythrozyturie vpn über 50 Zellen/Gesichtsfeld
- Serumnatriumkonzentration von unter 130 mmol/l
Eine Gefäßengstellung der Nierengefäße kann durch eine Dopplerultraschalluntersuchung der Nieren nachgewiesen werden. Sie macht die Diagnose eines HRS wahrscheinlicher. Rund die Hälfte der Patienten mit einer solchen Engstellung und einer Leberzirrhose entwickeln ein HRS.[2]Der Kreatinwert kann bei Vorliegen einer Leberzirrhose trotz Nierenversagens im Normalbereich liegen. Kreatinin wird aus den Muskeln freigesetzt. Bei Leberzirrhose wird deutlich weniger Kreatinin als beim lebergesunden Menschen abgegeben.
Therapie
Therapeutisch müssen die auslösenden Faktoren beseitigt werden. Zudem wird der Säure-Basen-Haushalt korrigiert, eine Anämie durch Transfusionen ausgeglichen, Albumin intravenös verabreicht sowie nephrotoxische Substanzen gemieden. Unter Umständen kommt der Einsatz von Nierenersatzverfahren in Frage, bei schweren Gewebsschäden eine Transplantation. Die Lebertransplantation ist die einzige definitive Therapieoption. Falls die oben genannten Möglichkeiten nicht durchführbar oder ausreichend sind, kommen als weitere Optionen ein TIPS (transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt) und - bei Patienten in schlechtem Allgemeinzustand oder mit Kontraindikation für einen TIPS - die pharmakologische Behandlung mit Vasopressin-Analoga (Terlipressin) oder alphaadrenerger Substanzen wie Noradrenalin und Milodril (Vasokonstrikion im Splanchnikusgebiet) in Kombination mit Albumin in Frage.
Heilungsaussicht
Die Prognose des HRS ist schlecht. Die Überlebenszeit beim Typ 1 beträgt ohne Therapie in der Regel unter einem Monat, bei Typ 2 liegt die Überlebenswahrscheinlichkeit bei etwa 20 % nach zwei Jahren. Rund die Hälfte der Patienten mit dem schnell fortschreitenden Typ I können durch eine adäquate Therapie mit einem Vasopressinanalogon und Albumin rund drei Monate überleben.[1]
Medizingeschichte
Der Zusammenhang zwischen Nierenversagen und Leberzirrhose wurde 1861 durch Freirichs und 1863 durch Flint das erste Mal beschrieben.[3] 1956 wurde die Engstellung der Nierengefäße als auslösende Ursache identifiziert.[2]
Einzelnachweise
- ↑ a b Gerd Herold et al. : Innere Medizin, Köln, 2009 S. 523
- ↑ a b c Wadei HM et al.: Hepatorenal Syndrome: Pathophysiology and Management. Clin J Am Soc Nephrol 1: 1066-1079, 2006 PMID 17699328
- ↑ a b Wolf, Gunter; Schrenck, Tammo von: Das hepatorenale Syndrom: Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Deutsches Ärzteblatt 97, Ausgabe 43 vom 27. Oktober 2000, Seite A-2858
Literatur
- Wolf, Gunter; Schrenck, Tammo von: Das hepatorenale Syndrom: Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Deutsches Ärzteblatt 97, Ausgabe 43 vom 27. Oktober 2000, Seite A-2858
- Wadei HM et al.: Hepatorenal Syndrome: Pathophysiology and Management. Clin J Am Soc Nephrol 1: 1066-1079, 2006 PMID 17699328
- Gerd Herold, "Innere Medizin", Auflage 2008, S. 513-514
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