- Hermann Reckendorf-Verlag
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Der Hermann Reckendorf Verlag wurde 1918 in Berlin von dem deutsch-jüdischen Buchdrucker, Gebrauchsgraphiker und Verlagsbuchhändler Dr.-Ing. h.c. Hermann Reckendorf (geb. am 4. März 1880 in Mannheim, gest. am 23. Dezember 1936 in Berlin, die genauen Todesumstände sind unbekannt) begründet. Reckendorf war mit Charlotte Auen verheiratet.
Zuvor war er jahrelang Reklamechef bei Ullstein, der National-Zeitung, dem Franckh-Konzern und anderen Verlagen. Reckendorf war ordentliches Mitglied im Verband "Die Brücke", einem Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Künstlern. Von München aus, dem Sitz der Organisation, die nicht mit der Künstlergruppe "Die Brücke" verwechselt werden sollte, sollten Normierungen für Druckformate und bibliographische Angaben, möglichst vollständige Wissenssystematiken und Adressenlisten erstellt werden. Die Brücke sollte zur universellen Auskunftsstelle werden. Vor Ausbruch des 1. Weltkriegs löste sich diese Organisation auf. Außerdem gehörte Reckendorf dem Deutschen Werkbund (DWB) an.
Hermann Reckendorf entwickelte seinen Verlag in verhältnismäßig kurzer Zeit zu einem der führenden Verlagsanstalten in Deutschland. Die Gesellschafter-Anteile befanden sich zu 96 Prozent im Familienbesitz. Der Verlag war bekannt, insbesondere wegen seiner ständigen Ausstellungen zur Förderung junger Kunst und künstlerischen Bestrebungen (Kunstblatt-Ausstellung junger Künstler, Ausstellungsleitung Paul Westheim). Sitz des Unternehmens war das vierstöckige Reckendorf-Haus in der Hedemannstraße 24 in Berlin-Kreuzberg, dass schon 1912/13 als Kontorhaus erbaut worden war. Mitglieder des Deutschen Werkbunds, wie die Architekten Ludwig Hilberseimer, Prof. Lucian Bernhard und Fritz Schopohl waren maßgeblich an der Gestaltung der Innenräume des Verlagshauses beteiligt. Der Verlag beschäftigte etwa 100 Angestellte, für die Hermann Reckendorf im vierten Stock des Hauses eine Küche und ein Kasino einbauen ließ. Dort lagen auch die Laboratoriumsräume der Funkzeitschriften und die zentrale Rundfunkanlage sowie die Räume der Geschäftsstelle des Deutschen Werkbunds. 1916 wurde Reckendorf zur Leitung der Kriegspropaganda berufen, die er erfolgreich durchführen konnte. Später leitete er die Propaganda für das Frauenwahlrecht. Er war an der Gründung der Reichszentrale für den Heimatdienst beteiligt und organisierte die Grenzspende und Kriegsgefangenenfürsorge. An der Deutschen Gewerbeschau im Jahre 1922 in München und an der Leipziger Messe in den Jahren von 1920 bis 1922 hatte er maßgeblich Anteil. Die Technische Hochschule zu Stuttgart ernannte Hermann Reckendorf, auf Grund seiner Pionierleistungen auf dem Gebiet der Rundfunktechnik, in den 1920er Jahren zum Ehrendoktor.
Im Reckendorf-Verlag erschienen die Zeitschriften:
- „Die Sendung“
- „Deutsche Welle“
- „Die Form“ (Zeitschrift des Deutschen Werkbundes)
- „Das Kunstblatt“ (Hg. von Paul Westheim)
- „Fernsehen“ (Mitarbeiter: Manfred von Ardenne)
sowie Bücher wie:
- „Der Staat seid Ihr“
- „Köpfe des Alltags“ von Helmar Lerskis
- „Mein Leben“. Autobiographie von Wilhelm von Bode
- „Licht und Beleuchtung“ und „Es kommt der neue Photograph“ von Wilhelm Lotz.
Am 1. Mai 1930 bezog die Gauleitung Berlin der NSDAP das Gebäude Hedemannstraße Nr. 10. In der Hedemannstraße Nr. 31 wurde außerdem vom April an für fast ein Jahr die Gruppenführung der SA-Gruppe Berlin-Brandenburg einquartiert. Für den fortschrittlichen Verlag mit einem Programm wie Hermann Reckendorf - Veröffentlichungen zu zeitgenössischen Kunst- und Designfragen und die Herausgabe von Rundfunkzeitschriften sowie Büchern und Broschüren zu Rundfunk-, Film- und Fotographiethemen - bedeutete diese ihm feindlich gesinnten Nachbarn und der Beginn der NS-Diktatur den Anfang vom Ende. Mit der Juli-Nummer 1934 stellte die "Form" ihr Erscheinen und der Verlag die Produktion ein. Die jetzt pro nazistisch eingestellte Leitung des Deutschen Werkbunds ließ sich willig in die faschistische Reichskammer für bildende Künste (Reichskulturkammer) eingliedern.
Hermann Reckendorf wurde schon 1933 von den Nazis enteignet, sein Reckendorf-Verlag "arisiert". Das Haus wurde ab 1934 Sitz der faschistischen Deutschen Arbeitsfront (DAF).
Der Name von Hermann Reckendorf taucht noch bis 1937 im Berliner Adressbuch unter der folgenden Adresse auf: Reckendorf, Hermann, Dr.-Ing., Verlagsbuchhdl., Steglitz, Wuthenowerstr. 8 a. Unter der gleichen Adresse firmierte bis 1937 die Reckendorf & Co. Verlagsbuchhandlung. Von 1938 bis 1940 ist Reckendorfs Ehefrau Charlotte, geb. Auen wie folgt im Berliner Adressbuch verzeichnet: Reckendorf, Charlotte, Wtw., Wilmersdorf, Schlangenbader Str. 80 T.
Es existieren unterschiedliche Versionen über Hermann Reckendorfs weiteren Lebensverlauf: einerseits wurde behauptet, Hermann Reckendorf sei mit seiner Familie ins Exil nach Italien gegangen, in anderer Quelle wurde sein Freitod im Jahr 1933 kolportiert; wie Roland Jaeger (siehe Quellen) ermittelte, war er jedoch weiterhin in Berlin-Steglitz wohnhaft, wo er - möglicherweise durch Suizid - erst 56-jährig am 23. Dezemberg 1936 starb.
Quellen
- Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft. Deutscher Wirtschafts-Verlag, 1930, 1931
- Joan Champbell: Der Deutsche Werkbund. 1907-1934, Seite 266, 299, 303; DTV/Klett-Cotta, 1989
Archiv-Verlag, Braunschweig 1995
- Berliner Adressbuch, Ausgaben 1933 bis 1940
Zur Biographie von Hermann Reckendorf und zur Geschichte seines Verlages vgl. ausführlich
- Jaeger, Roland: Werbedienst für den Deutschen Werkbund: Der Verlag Hermann Reckendorf, Berlin; in: Aus dem Antiquariat NF 5 (2007), Nr. 1, S. 3-22
Dort werden auch die in diesem Wikipedia-Beitrag ursprünglich enthaltenen Fehler korrigiert, u.a. Reckendorfs Lebensdaten (1880-1936).
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