Hugo Schmeisser

Hugo Schmeisser

Hugo Schmeisser (* 24. September 1884 in Jena; † 12. September 1953 in Erfurt) war Konstrukteur von automatischen Handfeuerwaffen.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Leben und Werk von Hugo Schmeisser sind im Zusammenhang seines Schaffens in der „Waffenstadt“ Suhl zu sehen. Unternehmer und Ingenieure wie Simson, Sauer und C. G. Haenel haben diesen Standort in eineinhalb Jahrhunderten geprägt. Auch der Vater Louis Schmeisser (1848–1917) war einer der bekanntesten Waffenkonstrukteure Europas. Mit seinem Namen sind Entwicklung und Produktion der Maschinengewehre der Theodor Bergmann Waffenfabrik in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg eng verbunden. Bei Bergmann erhielt auch Hugo Schmeisser seine grundlegende Ausbildung in der Waffentechnik, und in dieser Firma machte er seine ersten technischen Schritte, z. B. die Entwicklung einer Selbstladepistole in den Kalibern 7,63 mm und 9 mm. Während des Ersten Weltkrieges blieb Hugo Schmeisser in Suhl. Wegen der entscheidenden Wichtigkeit der Produktion von Maschinengewehren war er bei der Firma Bergmann unabkömmlich.

Zweimal im 20. Jahrhundert veränderten waffentechnische Entwicklungen von Hugo Schmeisser grundlegend die Infanterietaktik. Mehrere Faktoren spielten dabei eine Rolle: Die gegebene militärische Situation im Verlauf eines Krieges sowie die strategische und taktische Idee und die Durchsetzungskraft der militärischen Führer und eben das Vorhandensein der entsprechenden Waffen oder Waffensysteme.

Erster Weltkrieg

Seit dem Herbst 1914 war die Westfront im Stellungskrieg erstarrt. Jahrelang bemühten sich beide Seiten unter riesigen Verlusten, aber weitgehend erfolglos, aus der Sackgasse des Grabenkriegs herauszukommen und das Problem des Durchbruchs der gegnerischen Verteidigung zu lösen. In den Jahren 1917 und 1918 entwickelte Hugo Schmeisser eine Waffe für eine Schussentfernung von 200 m als automatische Waffe für Pistolenmunition. Technische Basis war das einfache, auf der Masse des Verschlussblockes beruhende Rückstoßprinzip. Eigens gebildeten Sturmbataillonen kam eine zentrale Rolle zu, als in der Deutschen Frühjahrsoffensive 1918 die Entscheidung im Westen erzwungen werden sollte. Diese vom Umfang her recht begrenzten Eliteformationen, überwiegend mit dem Karabiner 98a, Handgranaten und Pistole ausgerüstet sowie teilweise mit der MP18, konnten ohne Rücksicht auf Flankenabsicherung und rückwärtige Verbindungen auf taktischer Ebene teilweise durchschlagende Wirkung erzielen (die Sturmgruppentaktik gilt auch als ein Vorläufer der auf schnellen Panzervorstößen basierenden deutschen Blitzkriegskonzeption der Anfangsphase des Zweiten Weltkriegs) . Von den neuen MP18 wurden bei der Firma Bergmann Suhl 35.000 Stück produziert.

Weimarer Republik

Mit den Bestimmungen des Vertrages von Versailles vom 28. Juni 1919 wurde den deutschen Waffenfirmen verboten, automatische Waffen herzustellen. Über die Lizenzvergabe der Entwicklungen von Hugo Schmeisser an ausländische Waffenfirmen kam es 1919 zum Bruch zwischen ihm und der Familie Bergmann. Damit endete eine 30-jährige Zusammenarbeit zwischen den Schmeissers und der Firma Bergmann. Hugo Schmeisser war gezwungen, sich geschäftlich neu zu orientieren. Gemeinsam mit seinem Bruder Hans gründete er 1919 die „Industriewerk Auhammer Koch und Co.“ in Suhl. Unter den gegebenen Verhältnissen in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg lief dieses Unternehmen von Anfang an nicht gut. Trotz des Verbotes arbeitete Hugo Schmeisser an der Maschinenpistole. In diese Zeit fiel der erste Kontakt zur Firma Haenel in Suhl. Das war der Beginn einer 20 Jahre währenden Zusammenarbeit mit Höhen und Tiefen. Zur Absicherung seiner Patentrechte gründete Hugo Schmeisser im Sommer 1922 eine zweite Firma unter dem Namen „Gebrüder Schmeisser“ in Suhl. Dieser unternehmerisch intelligente Schachzug sollte verhindern, dass im Konkursfall der Firma Auhammer sämtliche Patente verloren gingen. Da auch die Firma Haenel in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte, traten im Frühjahr 1925 die Gebrüder Schmeisser als Prokuristen in sie ein. Entscheidend war jedoch, dass die Firma Auhammer mit sämtlichen Aktiva und Passiva übernommen wurde. Unternehmerisch war somit ein Konkurs der Firma elegant verhindert worden. Eigenartigerweise blieben die Brüder Schmeisser Prokuristen der Firma Haenel, obwohl sie Anteilseigner waren und faktisch geschäftsführende Gesellschafter des Unternehmens. Trotz der Bestimmungen des Versailler Vertrages liefen die Entwicklung und der Test von Maschinenpistolen durch Hugo Schmeisser konzentriert weiter. Im Jahr 1928 brachte er seine bei Haenel weiter entwickelte MP18 als MP28 heraus. Die MP28 benutzte ein 32schüssiges Stangenmagazin. Die MP28 war wieder ein zuschießender Rückstoßlader mit Masseverschluß. Die Waffe kam nach 1928 bei der deutschen Polizei zum Einsatz. Über einen Lizenzvertrag mit der belgischen Firma Bayard wurde die Waffe nach Südafrika, Spanien, China und Japan geliefert. Noch fast zehn Jahre später kam die MP28 im spanischen Bürgerkrieg zum Einsatz. Trotz der konstruktiven Erfolge von Hugo Schmeisser geriet die Firma Haenel in den Jahren 1929 bis 1934 mehrmals in Konkursgefahr.

Nationalsozialismus

Um an den zu erwartenden staatlichen Rüstungsaufträgen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten von 1933 entscheidend Teil zu haben, schlossen sich 1934 die 10 Suhler und Zella-Mehlisser Waffenbetriebe zu einer Vereinigung unter dem Namen „Vereinigte Suhl-Zella-Mehlisser Waffenfabriken“ zusammen. Später gehörten sie zur Wilhelm-Gustloff-Stiftung. Diese Vereinigung organisierte die direkten Beziehungen zu den Dienststellen der Heeresverwaltung. Die einzelnen Waffenfabriken aus Suhl errichteten darüber hinaus eigene Büros in Berlin. Im Rahmen dieser Tätigkeit machte Hugo Schmeisser eine sehr wichtige und in den folgenden Jahren tragfähige Bekanntschaft. Er lernte den berühmten Flieger Ernst Udet (1896–1941) kennen. Udet war der Stellvertreter von Göring in der Führung der Luftwaffe. Über Udet konnte Hugo Schmeisser in der Folge auf die Waffenentwicklung und Produktion von Infanteriewaffen direkten Einfluss bis in den direkten Entscheidungsbereich von Göring und Hitler nehmen. Nach 1935 erlebte die Firma Haenel in der Waffenproduktion einen enormen Aufschwung. Im Gegensatz zu vielen anderen Ingenieuren und Konstrukteuren partizipierten die Brüder Schmeisser persönlich am Geschäft über Lizenzgebühren und Anteile am Gewinn.

Berthold Geipel verbesserte seine EMP ständig konstruktiv weiter. Es entstanden eine MP36. Der Chefkonstrukteur Heinrich Vollmer der Erma Werke in Erfurt nutzte die Grundkonstruktion der ErMa MP36 und entwickelte aus ihr die bekannten deutschen Maschinenpistolen des Zweiten Weltkrieges, die MP38 und die MP40. Von diesen Waffen wurden 1,2 Millionen Stück hergestellt, und sie wurden international als „Schmeisser-MP“ bekannt. Das lag auch daran, dass das Stangenmagazin der MP38 bzw. MP40 von Schmeisser stammte und auch so gekennzeichnet war.

Die entscheidende Entwicklung von Hugo Schmeisser wurde jedoch bereits seit 1938 von dem Entwicklungsteam der Firma Haenel bearbeitet. Diese neue automatische Waffe hatte eine Kurzpatrone, Kaliber. 7,92 mm. Die Waffe sollte sich durch höhere Leistung von der MP38/40 absetzen und unter sparsamer Verwendung von Material in hoher Stückzahl produziert werden. Es entstand im spanlosen Blechformverfahren, die so genannte Blechprägetechnik und mit ihrer Hilfe der erste Maschinenkarabiner der Welt. Diese Waffe wurde zuerst unter der Bezeichnung Mkb42 bekannt, in der Folge unter MP43. Bereits 1943 wurden 10.000 Stück für die Front produziert, doch eigenartigerweise verbot Hitler im gleichen Jahr Weiterentwicklung und Produktion. Erst 1944, als die neue Waffe im Truppenversuch einen durchschlagenden Erfolg hatte, genehmigte Hitler die Massenproduktion des inzwischen in MP44 umbenannten Gewehrs. Im April 1944 erhielt die neue Waffe die Bezeichnung „Sturmgewehr 44“.

Nachkriegszeit

Am 3. April 1945 besetzten amerikanische Truppen die Stadt Suhl und verhängten sofort für alle Waffenfabriken ein Produktionsverbot. Hugo Schmeisser und sein Bruder Hans wurden von Waffenexpertenteams des amerikanischen und britischen Geheimdienstes wochenlang verhört. Ende Juni 1945 räumten die Amerikaner Thüringen, und die Rote Armee besetzte das Werk. Im August 1945 wurden 50 Sturmgewehre 44 aus vorhandenen Montageteilen zusammengebaut und von der Roten Armee zur technischen Auswertung in die Sowjetunion überstellt, gleichzeitig mit 10.785 Blatt technischer Zeichnungen zur Fertigung von Militärwaffen. Im Oktober 1945 wurde Hugo Schmeisser zur Arbeit in einer so genannten Technischen Kommission der Roten Armee verpflichtet. Diese Kommissionen hatten die Aufgabe, den neuesten Stand der deutschen Waffentechnik festzustellen, um die Ergebnisse in eigene, sowjetische Entwicklungen einfließen zu lassen.

Im Oktober 1946 wurde Hugo Schmeisser zwangsweise als Spezialist für Waffentechnik für mehrere Jahre in die Sowjetunion verpflichtet. Dieses Schicksal betraf viele Waffenkonstrukteure aus den Werken der Stadt Suhl. Die deutschen Waffenkonstrukteure wurden am 24. Oktober 1946 in einem Sonderzug nach Ischewsk gebracht, die Hauptstadt der Udmurtischen ASSR im Vorland des Mittleren Ural und seit 1807 Standort einer Waffenfabrik (heute Ischmasch). Über die genaue Tätigkeit von Hugo Schmeisser in den Jahren 1946 bis 1952 in Ischewsk ist wenig bekannt. Wie wichtig er für die Sowjetunion war, zeigte sich nochmals im Jahr 1952, als alle übrigen deutschen Spezialisten zurückkehren durften, sein Aufenthalt in der Sowjetunion aber kurzfristig um ein halbes Jahr verlängert wurde, sodass er erst am 9. Juni 1952 wieder in Deutschland eintraf.

Hugo Schmeisser starb am 12. September 1953 nach einer Lungenoperation im Städtischen Krankenhaus Erfurt und wurde in Suhl beerdigt. Zu seinem 50. Todestag gab es in Suhl eine Gedenkveranstaltung.

Literatur

  • Moczarski, Norbert: Die Ära der Gebrüder Schmeisser in der Waffenfabrik Fa. C. G. Haenel Suhl 1921–1948. Ein weitgehend unbekanntes Kapitel Suhler Industriegeschichte. In: Hildburghausen: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins. S. 237–268. 1999.
  • Moczarski, Norbert: Zwischen Tabu und Legende. Der weltbekannte Suhler Waffenkonstrukteur Hugo Schmeisser (1884–1953). Suhler Reihe Nr. 29, Suhl 2009, 72 Seiten
  • G. de Vries, B. J. Martens: The MP 38, 40, 40/1 and 41 Submachine gun. Propaganda Photos Series, Volume 2, Special Interest Publicaties BV, Arnhem, The Netherlands, First Edition 2001
  • Götz, Hans Dieter: German Military Rifles and Machine Pistols, 1871–1945. Schiffer Publishing, Ltd. West Chester, Pennsylvania, 1990. (OCLC 24416255)

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hugo Schmeisser — (24 de septiembre de 1884 12 de septiembre de 1953) fue uno de los diseñadores de armas de infantería más importantes del siglo XX. Casi todas las armas creadas después estuvieron influenciadas por sus diseños. Hijo de Louis Schmeisser, uno de… …   Wikipedia Español

  • Hugo Schmeisser — (24 September 1884 ndash; 12 September 1953) was a German developer of infantry weapons in the 20th century.Schmeisser was born in Jena, Saxe Weimar. His father, Louis Schmeisser (1848 1917), was one of the best known weapons designers in Europe …   Wikipedia

  • Hugo Schmeisser — (né le 24 septembre 1884, mort le 12 septembre 1953) Le nom de Hugo Schmeisser reste attaché à une arme, le MP40, qui est en réalité le fruit du travail de Heinrich Vollmer et Bertold Geipel. Néanmoins, le nom de Schmeisser… …   Wikipédia en Français

  • Hugo Schmeisser — (llevado el 24 de septiembre de 1884; fue muerto el 12 de septiembre 1953) uno de los reveladores más importantes de las armas de la infantería en el vigésimo siglo. Casi todas las armas subsecuentes dependen pesadamente de las invenciones… …   Enciclopedia Universal

  • Schmeisser — bezeichnet: eine deutsche Maschinenpistole im Zweiten Weltkrieg, siehe Maschinenpistole 40 die von Hans und Hugo Schmeisser gegründete Firma Gebrüder Schmeisser Schmeisser bzw. Schmeißer ist der Familienname folgender Personen: Gerhard Schmeißer… …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Schmeisser — war ein deutscher Waffenkonstrukteur. Leben und Werk Hans Schmeissers Vater Louis Schmeisser (1848–1917) war ein Waffenkonstrukteur. Mit seinem Namen sind Entwicklung und Produktion der Maschinengewehre der Firma Bergmann in der Zeit bis zum… …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Schmeisser — is a well known weapons technical designer in Europe. The son of Louis Schmeisser, who was also a famous weapons technical designer, his notable achievement is his contributions to the construction of the German weapon city , Suhl. His work,… …   Wikipedia

  • Louis Schmeisser — (5 February 1848 ndash; March 23 1917) was one of the best known weapon technical designers of Europe.He is associated with the development and production of the Bergmann machine guns used during the first World War.Schmeisser was born in… …   Wikipedia

  • Louis Schmeisser — (* 5. Februar 1848 in Zöllnitz bei Jena; † 23. März 1917 in Suhl) war einer deutscher Waffenkonstrukteur. Mit seinem Namen sind Entwicklung und Produktion der Maschinengewehre der Theodor Bergmann Waffenfabrik in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg …   Deutsch Wikipedia

  • Louis Schmeisser — ( * Zöllnitz, Turingia, 5 de febrero de 1848 23 de marzo de 1917) fue uno de los diseñadores técnicos de armas más conocidos de Europa. Está asociado al desarrollo y producción de ametralladoras Bergmann usadas durante la Primera Guerra Mundial.… …   Wikipedia Español

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”