Hydropneumatik

Hydropneumatik

Die Hydropneumatik ist ein Federungssystem, das mittels Hydraulik und Pneumatik die Funktionen von Dämpfung und Federung leistet. Es wurde erstmals von dem französischen Automobilhersteller Citroën für dessen Pkw entwickelt.

Hydropneumatik bietet potentiell sehr hohe Federungselastizität, variable Bodenfreiheit sowie automatische Niveauregulierung, passt sich also der Fahrzeugbelastung an.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

Hydropneumatiksystem mit Federkugel (in grün)

Anstelle von klassischen mechanischen Federn und Stoßdämpfern ist jedes Rad durch den Kolben eines Hydraulikzylinders mit einer Federkugel verbunden. Diese ist mit Stickstoff unter hohem Druck gefüllt, welcher durch eine Membran von der auf ihn einwirkenden Hydraulikflüssigkeit getrennt ist. Dieses Gas stellt das eigentliche Federungselement dar. Die Verbindung zum Rad wird über eine variable Menge an Hydraulikflüssigkeit hergestellt, die die Radbewegungen über die Hydraulikzylinder eines jeden Rades auf die Membran der zugehörigen Federkugel überträgt. Die Menge der Hydraulikflüssigkeit in den Radzylindern der jeweiligen Achse wird von einem automatischen Regulierventil, dem sogenannten Höhenkorrektor, beeinflusst. Die Hydraulikflüssigkeit wird hierzu von einer Hochdruckpumpe permanent zur Verfügung gestellt. Die Schwingungsdämpfung wird über biegsame Ventilplättchen und Bypassbohrungen realisiert, welche den Durchfluss der Flüssigkeit zur Federkugel bremsen.

Das System ersetzt auf diese Weise sowohl herkömmliche Federn als auch Stoßdämpfer und arbeitet durch seine ständige Druckzuführung selbst bei Leckverlusten spielfrei, wodurch jederzeit eine voll wirksame Dämpfung gewährleistet ist.

Funktion

Solange das Hydrauliksystem drucklos ist, steht kein Federweg zur Verfügung. Nach dem Motorstart hebt der von der Hydraulikpumpe aufgebaute Druck über die Höhenkorrektoren das Fahrzeug an: Die Karosserie wird auf die − bei Citroëns Hydropneumatik einstellbare – „Idealhöhe“ (früher als „Bodenfreiheit“ bezeichnet) angehoben, auf der den Rädern die vollen Federwege zur Verfügung stehen.

Eine Federung geht durch Belastung des Fahrzeugs „in die Knie“. Dieser Effekt muss bei Stahlfedern normalerweise durch eine ausreichend hohe Federhärte begrenzt werden, um einen gewissen Restfederweg aufrechtzuerhalten. Die Federung ist dann aber unbelastet härter als nötig, und es steht bei zunehmender Belastung immer weniger Federweg zur Verfügung. Hierdurch verschlechtert sich die Straßenlage zunehmend, die Karosserie hat praktisch nie ihre „Idealhöhe“.

Anders ist dies bei der Hydropneumatik: Bei Beladung des Fahrzeugs wird das Gas der Federkugel komprimiert, sein Volumen nimmt ab, die Karosserie sinkt ein. Dies wird über den besagten Höhenkorrektor mittels einer Regelung durch Nachleiten von Flüssigkeit unter Druck in die Radaufhängungszylinder wieder kompensiert. Das verringerte Volumen des Gases wird durch dasselbe Volumen an Flüssigkeit ersetzt, die Karosserie erreicht so wieder die besagte Idealhöhe.

Da nun ein Aufzehren des Federweges bei Belastung kompensiert ist, kann die Federung in ihrem Arbeitspunkt, der Idealhöhe, sehr „weich“ ausgelegt werden. Eine wichtige Eigenschaft des federnden Stickstoffgases wird zudem zunutze gemacht, das Gesetz von Mariotte, wonach das Produkt aus Druck und Volumen einer gegebenen Menge Gas immer konstant ist. Je mehr das Gas komprimiert wird, je geringer also sein Volumen wird, umso mehr Druckkraft ist nötig, um eine bestimmte Radbewegung zu bewirken. Die Eigenfrequenz des Fahrzeugs bleibt konstant, ein wesentlicher Vorteil auch bei konventionellen Luftfederungen. Damit ergibt sich eine lastabhängige, proportionale Verhärtung der Federung, womit auch ein beladenes Fahrzeug durch eine jetzt straffere Federung das gleiche Fahrverhalten wie das leere Fahrzeug aufweist (im Gegensatz zu konventionellen Autos, die beladen deutlich verschlechterte Fahreigenschaften haben).

Das Fahrzeugniveau kann darüber hinaus auch manuell eingestellt werden, etwa zum Überfahren schwieriger unbefestigter Wege oder zum Beladen.

Als Nebenprodukt dieses Federungssystems ergibt sich die sogenannte „Zentralhydraulik“. Darunter versteht man die Einbindung der Lenk- und Bremsunterstützung in das Hochdruck-Hydrauliksystem der Federung, wodurch zusätzliche Komponenten wie eine Lenkservopumpe und ein Bremskraftverstärker entbehrlich werden.

Fahrzeuge

Typisch ist die Hydropneumatik für die größeren Pkw von Citroën. Erstmalig – experimentell – verwendet wurde das System an Prototypen des 2CV,[1] dann in Serie an der Hinterachse des Citroën 15CV des letzten Baujahres. Offiziell eingeführt und bekannt wurde es mit der Citroën DS (1955 bis 1975).

In Lizenz haben Rolls-Royce (im Silver Shadow und dem baugleichen Bentley T1/T2) und Daimler-Benz (serienmäßig im Mercedes-Benz 450 SEL 6.9 der Baureihe Mercedes-Benz W 116 – 1975 bis 1980 – und optional gegen Aufpreis in den 8-Zylinder-SEL-Modellen der Baureihe Mercedes-Benz W 126 – 1979 bis 1991) die Hydropneumatik-Technologie eingesetzt, allerdings nur zum Zweck der Federung; Servolenkung und Bremssysteme wurden von Rolls-Royce und Mercedes-Benz nicht integriert.

Hydropneumatisch gefederte Modelle von Citroën waren oder sind:

Anfänglich setzte Citroën als Hydraulikflüssigkeit ein synthetisches Öl mit der Bezeichnung LHS (liquide hydraulique synthetique) ein, erkennbar an der roten Farbe. Dieses Öl war hygroskopisch und sorgte so bei unzureichender Wartung für Korrosionsschäden im Hydrauliksystem. Zudem konnten verschüttete Tropfen den Lack angreifen.

Ab 1964 wurde LHS durch das farblose LHS2 ersetzt mit nun weniger aggressiven Eigenschaften.

Die für alle Zentralhydrauliksysteme endgültige grüne LHM (liquide hydraulique minerale) wurde 1966 eingeführt. LHM war nicht mehr hygroskopisch, was die Lebensdauer und Betriebsfestigkeit der Systeme quasi ins Unendliche verlängerte und die Wartungsarbeiten an der Hydropneumatik auf seltene Ölwechsel (Citroën DS: alle 40.000 km), Reinigung des Filters und gelegentliches Kugeldruckprüfen reduzierte. Und der Lack war bei verschütteten Tropfen nun auch nicht mehr gefährdet.

Im Citroën XM (beginnend ab 1988) war die Hydropneumatik erstmals mit der elektronischen Steuerung Hydractive ausgestattet.

Mit Produktionseinstellung von XM und Xantia in 2000 endete die Ära der zentralen Hydropneumatiksysteme, ebenso die Verwendung des LHM.

Die Hydropneumatik im Citroën C5 und C6 arbeitet nicht mehr mit einer an den Fahrzeugmotor gekoppelten, sondern mit einer elektrisch angetriebenen Pumpe. Lenkung und Bremssystem sind konventionell aufgebaut und nicht mehr wie bei früheren Konstruktionen mit der Hydropneumatik verbunden, es ist hier also nicht mehr von einer „Zentralhydraulik“ die Rede. Das eingesetzte Öl heißt nun LDS.

Ein derartiges System ist auch bei der Allradversion des Peugeot 405 (nur Hinterachse) zu finden.

Nachteile des Systems, Dichtung und Wahrheit

Der hohe Fahrkomfort lässt an die Hydropneumatik nicht gewöhnte Fahrer zunächst in Kurven unnötig zögerlich fahren, da mental eine weiche Stahlfederung mit ihren Handlingnachteilen assoziiert wird. Dass die Straßenlage auch bei den typischen Karosseriebewegungen stabil bleibt, muss einige Zeit „er-fahren“ werden, was besonders in Deutschland bei Autotestern und Kaufinteressenten auf Probefahrt zu vorschnellen Urteilen führte. Die Reaktion von Citroën darauf war eine zunehmende Straffung des Fahrwerks, was jedoch nur Komforteinbußen bedeutete, ohne das Handling weiter zu verbessern.

Der Zentralhydraulik des Systems von Citroën wurde ferner nachgesagt, dass sie, insbesondere alterungsbedingt, zur Undichtigkeit neige und hohen Wartungs- und Reparaturaufwand verursachen könne. Dieser Vorwurf ist nicht zutreffend; teils waren es Argumente der Mitbewerber und teils von Werkstätten, die den Einarbeitungsaufwand in das System scheuten. Selbst heute lassen sich ältere Modelle preiswert instandhalten. Den etwas höheren Kosten der Hydropneumatik steht ein sehr hoher Komfort- und Sicherheitsgewinn gegenüber. Ohne Systemdruck, das heißt wenn der Motor nicht läuft und so die Hochdruckpumpe nicht angetrieben wird, ist das Abschleppen nur bedingt möglich, da das Fahrwerk nicht aktiv ist und der Wagen schnell „aufsetzt“ und nur die Feststellbremse zur Verfügung steht (die bei Citroën immer auf die vorderen Antriebsräder wirkt).

Sehr interessant ist die Sicherheitslogik der Bremsen. Sie sorgt für einen gefühlt unbegrenzten Ölnachschub bei defekten (offenen) Bremsen, was zwar zu einer erheblichen Umweltverschmutzung führt, das Fahrzeug aber sicher anhalten lässt. Sollte der Primärkreislauf ausfallen, wird die Bremsversorgung vom Federungssystem übernommen: das Fahrzeug senkt sich dann zwar bei jedem Bremsvorgang ein paar Millimeter ab, aber es kann ungezwungen an verkehrssicherer Stelle ganz normal abgestellt werden.

Das Bremsen mit den Citroën DS, SM, GS/A, CX und BX war gewöhnungsbedürftig: Statt mit einem langen Pedalweg den Bremsdruck aufzubauen, musste mit einem kurzen Weg nur ein Ventil geöffnet werden (Druckpunktbremse). DS und SM hatten anstatt eines Pedals gar nur einen Gummiknopf, auch „Bremspilz“ genannt. Bei den späteren Citroen Xantia, XM wurde der Pedalweg quasi simuliert. Diese zentrale Hochdruckbremse war sehr feinfühlig und aggressiv; ein bei konventionellen Fahrzeugen normaler Druck auf die Bremse führte hier zu einer Vollbremsung. Die folgenden Citroën C5 und C6 haben nur noch eine marktübliche Servobremse.

Siehe auch

Weblinks

  • Citroën: Auto oder Fortschritt?. In: Der Spiegel. Nr. 18, 1957 (umfangreicher Fahrbericht zum DS 19 mit ausführlicher technischer Erklärung der Hydropneumatik von Alexander Spoerl, online).

Einzelnachweise

  1. Daniel Puiboube: Das große Citroën-DS-Buch. S. 15

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