Idiomatische Wendung

Idiomatische Wendung
Einen Bärendienst erweisen
(Illustration von Gustave Doré)

Eine Redewendung (auch: Idiom, idiomatische Wendung, Phraseologismus) ist eine Verbindung von mehreren Wörtern („feste Wortverbindung“), die eine Einheit bilden und deren Gesamtbedeutung nicht direkt aus der Bedeutung der Einzelelemente abgeleitet werden kann. Es handelt sich um den Spezialfall einer Kollokation.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Die Vielfalt der alten wie der neuen Begriffe ergibt ein terminologisches Chaos. Nebeneinander werden folgende Termini gebraucht:

Redewendung, Redensart, stehende Wendungen, fester Ausdruck, Phrase, Floskel, Formel und Ausdrucksweise.

Das metaphorische Bild unterscheidet die sprichwörtliche Redensart von der bloßen Redewendung. Der Hörer weiß, dass er das Gesagte schon einmal gehört hat. Sprichwörtlich werden heißt, im kollektiven Bewusstsein üblich werden. Es geht um sprachliche Elemente, die nur reproduziert werden, um vorfabrizierte Formeln (englisch: „patterned speech“).

Das Wort Phraseologie bezeichnet sowohl die in einer Sprache auftretenden Redewendungen als auch die sich damit befassende Wissenschaft. Eine phraseologische Einheit ist die Verbindung von zwei oder mehr Wörtern, wenn diese eine nicht voll erklärbare Einheit bilden. Als Beispiel kann die Redensart ins Gras beißen dienen. Es handelt sich hierbei um eine ungewöhnliche Wortverbindung, die nichts mit Sätzen wie in den Apfel beißen oder ins Gras fallen zu tun hat. Diese Wendung hat eben die Bedeutung sterben und kann nicht durch Wendungen wie in die Wiese beißen oder ins Gras schnappen ersetzt werden, es sei denn, es geschieht als bewusste Veränderung der gebräuchlichen Formulierung.

Übertragene Bedeutung

Der Sprachforscher Lutz Röhrich weist darauf hin, dass oft wörtliche und übertragene Bedeutung nebeneinander bestehen.

Der Satz „Der Ofen ist aus.“ kann zweierlei bedeuten:

  1. Im Zimmer ist es kalt, weil der Ofen ausgegangen ist.
  2. Ich will mit ihm/ihr nichts mehr zu tun haben.

Das Verstehen setzt also zunächst die Kenntnis der Hintergründe voraus. Die Aneignung der Sprachbildlichkeit ist ein Prozess, der sich über einen großen Teil der Kindheit hinzieht oder sich über sein ganzes Leben erstrecken kann. Ein Nicht-Muttersprachler kann z. B. lernen, was das deutsche Wort „grün“ bedeutet und was ein Zweig ist. Um aber zu erkennen, dass die Wendung „grüner Zweig“ auch Wohlstand bedeutet, ist eine genaue Kenntnis des Deutschen unerlässlich.

Wortverbindungen und Wortschatz

Phraseologismen bestimmen die Spezifik einer Sprache stärker als der Wortschatz. Die Idiomatizität einer Wortverbindung zeigt sich daran, dass

  • der Austausch einzelner Elemente eine nicht systematische Bedeutungsveränderung ergibt: jemandem einen Katzendienst erweisen gegenüber jemandem einen Bärendienst erweisen, über der Hand gegenüber unter der Hand
  • es auch eine „wortwörtliche“ Lesart der Phrase gibt, für die die vorhergehende Regel nicht gilt.

Diese Wendungen werden unterschieden von den Gruppen der freien (unfesten) Wortverbindungen und den losen Wortverbindungen. In ungenauer Redeweise werden unter Redewendungen auch Sprichwörter, Redensarten, Funktionsverbgefüge und Zwillingsformeln subsumiert.

Redewendungen sind ein fester Bestandteil des sprachlichen Lexikons. Oft enthalten sie ehemalige rhetorische Figuren, vor allem Metaphern. Fast immer sind sie aus sprachhistorisch älteren unidiomatischen („wortwörtlich gebrauchten“) Syntagmen entstanden. Die Unanalysierbarkeit der Bedeutung löst sich somit fast immer auf, wenn die Geschichte einer Redewendung nur weit genug zurück verfolgt werden kann. Redewendungen können (wie alle Wortschatz-Elemente) eine eingeschränkte regionale Verbreitung haben.

Mit dem Sprichwort gemeinsam hat die Redensart das einprägsame Bild, dessen Wortlaut unveränderlich ist. So heißt es Maulaffen feilhalten“ und nicht „Maulaffen verkaufen“.

Literarische Zitate, die als Redewendungen Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden haben, werden als geflügelte Worte bezeichnet.

Siehe auch

Literatur

  • Elke Donalies: Basiswissen Deutsche Phraseologie. Tübingen/ Basel: Francke (= UTB 3193), 2009
  • Kurt Krüger-Lorenzen: Deutsche Redensarten. Und was dahinter steckt. Heyne, München 2001, ISBN 3-453-18838-1
  • Wolfgang Mieder: Deutsche Redensarten, Sprichwörter und Zitate. Studien zu ihrer Herkunft, Überlieferung und Verwendung. Praesens, Wien 1995, ISBN 3-901126-41-4
  • Lutz Röhrich: Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Neuausgabe in 3 Bänden. Herder, Freiburg im Breisgau 1991/92, ISBN 3-451-22080-6
  • Kurt Sontheim: Sprichwort, sprichwörtliche und metaphorische Redewendung. Synchronische und diachronische Studien zu semantisch-idiomatischen Konstruktionen im Englischen. Dissertation, Universität Erlangen 1972

Weblinks


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