- Iustitia
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Iustitia ist in der römischen Mythologie eine Personifikation der ausgleichenden Gerechtigkeit. Sie ist in Darstellung und Wesen eng verwandt mit der Aequitas. In der griechischen Mythologie steht sie in Beziehung zu Dike und zu Themis, wobei Dike eher für die strafende, rächende Gerechtigkeit steht und Themis eher die durch althergebrachte, göttliche Ordnung bestehende Gerechtigkeit verkörpert. Eine direkte Entsprechung hat sie im griechischen Begriff der Dikaiosyne.
In der Mythologie spielt sie nur an einer Stelle eine Rolle, nämlich im Mythos von den Weltaltern. Hier verlässt die mit Astraea identifizierte Iustitia als Letzte der Himmlischen die von Verbrechen erfüllte Erde des Eisernen Zeitalters[1] und kehrt in ihre überirdische Heimat zurück bzw. wird als Sternbild der Jungfrau an den Himmel versetzt.[2]
In der Antike entspricht ihre Darstellung derjenigen der Aequitas, d. h. ihre Attribute sind die Waage, mit deren Hilfe jedem das Seine zugemessen wird, und das Füllhorn, das den zu verteilenden Reichtum spendet. Die Formel „Jedem das Seine“ (suum cuique tribuere) wurde durch Cicero geprägt und war von da an bestimmend in der Rechtsphilosophie des Abendlandes.[3] Solche Darstellungen der Iustitia/Aequitas erscheinen vielfach auf Münzen der Kaiserzeit, wo sie als Teil der politischen Propaganda den Kaiser in seiner Rolle als Spender materieller Sicherheit versinnbildlichen, der niemanden bevorzugt (weshalb der Waagbalken stets in waagrechter Stellung gezeigt wird). Schon Augustus schrieb sich in seinem Tatenbericht Res Gestae Iustitia als eine von vier Herrschertugenden zu – neben virtus („Mannhaftigkeit“), clementia „Milde“ und pietas („Frömmigkeit“).
Wie andere Gottheiten wird sie häufig mit einem Diadem gezeigt, wie man auf einer Münze des Nero sieht, auf der Agrippina die Jüngere als Iustitia abgebildet ist.
Gänzlich verschieden von der antiken Iustitia ist die neuzeitliche Justitia als Allegorie der strafenden Gerechtigkeit bzw. des Rechtswesens. Die einzige Überschneidung ist im Grunde das beiden gemeinsame Attribut der Waage. Allerdings ist es bei der antiken Iustitia die ausgleichende Waage. Die Waage der neuzeitlichen Justitia ist dagegen die Waage des Richters, mit deren Hilfe Für und Wider gegeneinander abgewogen wird, und deren Rolle letztlich der Rolle der Waage im ägyptischen Totengericht entspricht.
Literatur
- Maria Caccamo Caltabiano: Iustitia. In: Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC). Band VIII, Zürich/München 1997, S. 661–663.
- Kurt Latte: Iustitia. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band X,2, Stuttgart 1919, Sp. 1339.
- Lars Ostwaldt: Aequitas und Justitia. Ihre Ikonographie in Antike und Früher Neuzeit. Junkermann, Halle (Saale) 2009, ISBN 978-3-941226-05-0
- Heinrich Wilhelm Stoll: Iustitia. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 2,1, Leipzig 1894, Sp. 762 (Digitalisat).
Weblinks
Commons: Iustitia – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienEinzelnachweise
- ↑ Ovid Fasti 1, 249; Metamorphosen 1,150. Vergil Georgica 2,474
- ↑ Hyginus Mythographus Fabulae 130; Poeticon Astronomicon 2,25
- ↑ Cicero De inventione 2,53,160; De re publica 3,11,18; De legibus 1,6,19; De officiis 1,5,15. Ulpian Digesten 1,1,10
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