J.A. Topf und Söhne

J.A. Topf und Söhne

Die Firma J. A. Topf und Söhne war ein Ofenhersteller aus Erfurt. Sie baute die Krematorien in verschiedenen Konzentrationslagern und im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau (siehe Gaskammern und Krematorien der Konzentrationslager Auschwitz). Die Firma installierte auch einige Entlüftungsanlagen und gasdichte Türen für die Gaskammern.

Inhaltsverzeichnis

Braunkohle-Feuerungsanlagen, Mälzerei- und Brauereimaschinen

Im Jahre 1878 in Erfurt durch Johann Andreas Topf (1816–1891) gegründet und von dessen Sohn Ludwig Topf (1863–1914) zu einem Betrieb mit über 500 Mitarbeitern erweitert, errang die Firma große Erfolge im Ersten Weltkrieg mit einer speziell für die Verbrennung von Braunkohle entwickelten Hochleistungs-Feuerung, die äußerst wirtschaftlich arbeitete. Nach dem frühen Tod von Ludwig Topf wurde dessen Frau Elsa Topf zur Inhaberin. Nach Umsatzeinbußen geriet die Firma 1933 in Zahlungsschwierigkeiten, so dass ein Vergleichsverfahren eingeleitet wurde. 1935 übernahmen die Enkel des Firmengründers, Ludwig und Ernst-Wolfgang Topf, gemeinsam die Leitung der Firma.

Die Firma baute neben industriellen Feuerungsanlagen auch komplette Mälzereien und Brauereimaschinen sowie Siloanlagen, Schornsteine und gasdichte Türen und Fenster. Ab 1914 gab es auch eine kleine Abteilung für die Entwicklung und Fertigung von Krematoriumsöfen. Das Geschäft mit Krematoriumsöfen machte weniger als 3 Prozent vom Gesamtumsatz der Firma aus.

SS-Zusammenarbeit und Mitwisserschaft

In den 1940er Jahren entschloss sich die Firmenleitung zur Zusammenarbeit mit dem Reichssicherheitshauptamt, das die Konzentrationslager verwaltete. Dabei wurde kein Druck von oben ausgeübt. Allerdings hatte sich die Liquidität des Unternehmens mit Kriegsbeginn verschlechtert; im April 1941 erreichte der Schuldenstand mit 497.000 RM einen Höhepunkt. Etwaige moralische Bedenken wurden vermutlich zurückgestellt, um die Firma zu retten.[1] Im Oktober 1941 begann die Zusammenarbeit mit Karl Bischoff, dem Bauleiter der SS in Auschwitz, für die Errichtung des Krematoriums II mit fünf Dreimuffelöfen im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Schon vorher waren Krematoriumsöfen nach Dachau, Gusen, ins Stammlager von Auschwitz und nach Mogilev geliefert worden.

Außergewöhnlich war die Kapazität der Anlagen in Auschwitz-Birkenau für insgesamt 4.416 Leichen pro Tag.[2] Diese Anlagen wurden von Ingenieuren der Firma vor Ort installiert und auch repariert. Außerdem wurden auch Entlüftungsanlagen in den Gaskammern von Auschwitz eingebaut, die eine schnellere Entgasung und damit auch eine schnellere Abfolge der Tötungen ermöglichen sollten. Mitarbeiter der Firma Topf & Söhne hatten durch ihre Tätigkeit im Vernichtungslager Einblick in die Verbrechen. So waren namentlich Heinrich Messing und Karl Schultze vor Ort, als es am 14. März 1943 zum ersten Massenmord im Krematorium II kam. Auch Aufzeichnungen, in denen Arbeiten am „Auskleidekeller“[3] beschrieben sind, oder die Beschaffung von gasdichten Fenstern und Türen sowie Anzeigegeräten für Blausäure-Reste zeugen von einer Mitwisserschaft.

Ingenieure wie Kurt Prüfer entwickelten „Verbesserungsvorschläge“ wie die sogenannte Expressarbeit: Dabei sollten jeweils drei Leichen in einem Ofen verbrannt werden. Die Konstrukteure wussten also, dass niemand fein säuberlich getrennte Aschen zu Bestattungszwecken verlangen würde. Zu den „Verbesserungen“ zählte in Auschwitz auch eine Modifizierung der Öfen, bei der das aus den Leichen austretende Körperfett direkt in die Flammen geleitet und zur Befeuerung weiterverwendet wurde.

Strafverfolgung

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden einige hauptverantwortliche Mitarbeiter von der sowjetischen Besatzungsmacht zur Rechenschaft gezogen. Ludwig Topf verübte Suizid, um einer drohenden Verhaftung zu entgehen. In einem Abschiedsbrief beteuerte er seine „Unschuld an den Krematorien“; er sei ein „Anständiger“, der sich niemals einem „fremden Land übergeben“ werde.[4]

Der Bruder, Ernst-Wolfgang Topf, ging in den Westen. Kurzzeitig wurde er 1946 inhaftiert; ein Spruchkammerverfahren in Fritzlar-Homberg wurde 1949 eingestellt; von der Staatsanwaltschaft wurden zwar Ermittlungen weitergeführt, diese im Oktober 1951 jedoch eingestellt. Topf gründete in Wiesbaden die Firma neu, verlegte sie 1953 nach Mainz und musste sie 1958 wegen Insolvenz auflösen. Aufgrund einer Buchveröffentlichung, die Material aus der DDR enthielt, wurden erneut Vorwürfe gegen ihn laut. Ernst-Wolfgang Topf behauptete wahrheitswidrig, es habe sich bei den Öfen in Auschwitz nicht um Sonderanfertigungen gehandelt und führte zu seiner Verteidigung an: „Das Wort: 'Nein, für KZs liefert die Firma Topf nicht' war gleichbedeutend mit KZ und Tod!“[5] Staatliche Zwänge sind aber auch heute nach Sichtung aller Dokumente nicht erkennbar; allein materielle Vorteile sind als Motiv zu unterstellen.[6] Weitere Ermittlungsverfahren folgten, die jedoch alle nicht zur Einleitung einer Hauptverhandlung führten. Es fehlte an relevanten Beweisdokumenten, die sich im Ostblock befanden und aus politischen Gründen nicht herangezogen werden konnten.

Vier Mitarbeiter wurden im März 1946 von der sowjetischen Besatzungsmacht inhaftiert; sie verschwanden in unbekannten Lagern. Von ihnen sind Schuldeingeständnisse erhalten, bei denen sie ihre Mitwisserschaft eingestanden. Der Ober-Ingenieur Karl Schultze schilderte seine Beobachtung, wie Menschen zum Krematorium getrieben wurden, und äußerte sich zu den Motiven seiner weiteren Mitwirkung:

„Am nächsten Tag war ich um zehn Uhr morgens im Krematorium. Ich sah dort 60 Leichen, Männer, Frauen und Kinder. […] Ich erzählte ihm [i. e. Prüfer], was geschehen war, wie diese Menschen geführt, in die Gaskammer getrieben und getötet wurden und nun ihre Leichen im Krematorium verbrannt würden. […] Ich blieb dort fünf Tage. […] Ich musste den Krematoriumsofen kontrollieren. Das war erst möglich, als der Transport mit den etwa 300 Leuten eintraf, die in der Gaskammer getötet wurden. […] Ich machte weiter, weil wir durch unsere Unterschriften gebunden waren. Wir standen in der Pflicht, gegenüber der SS, der Firma Topf und dem NS-Staat. Ich habe nicht aus eigenem Antrieb gehandelt, sondern auf Anweisung … Ich hatte Angst, meine Stelle zu verlieren und möglicherweise verhaftet zu werden.“[7]

Der Oberingenieur und Prokurist Paul Erdmann blieb zunächst unbehelligt, wurde Ende 1950 aber unter dem Verdacht verhaftet, sich mit dem Bau von Krematorien an einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt zu haben. Er wurde jedoch schon im Februar 1951 entlassen. Warum er nicht vor Gericht gestellt wurde, ist bislang nicht geklärt.[8] Fünf Monteure der Firma Topf & Söhne, die zum Teil vor 1945 insgeheim eine kommunistische Betriebszelle gebildet hatten, traten alsbald der KPD/SED bei. Einer wurde als „Verfolgter des Naziregimes“ anerkannt; einige andere erhielten Stellungen bei der Volkspolizei oder wurden von der Staatsicherheit angeworben.[9] Ob sie ihre Stellung zur Verschleierung ihrer früheren Tätigkeit ausnutzen, ist nicht nachweisbar; jedenfalls kamen sie ohne Verfahren davon.

Firmennachfolge

In Erfurt wurde die Firma 1948 enteignet und konnte zunächst unter dem Namen „Nagema Topfwerke Erfurt VEB“ ihre Tätigkeit fortsetzen. Mitte der 50er Jahren wurde Topf & Söhne in „VEB Maschinenfabrik Nikos Belojannis“ umbenannt. Sie firmierte dann unter dem Namen „VEB Erfurter Mälzerei- und Speicherbau“ weiter, bis sie 1994 in Insolvenz ging.

Bemühungen für eine Gedenkstätte

1997 gab der Kulturwissenschaftler Eckhard Schwarzenberger erstmals Anstöße für einen bewussten Umgang mit dem ehemaligen Firmengelände, dessen Geschichte zu diesem Zeitpunkt aus dem Gedächtnis der Stadt und ihrer Bürger weitgehend verschwunden war. Gemeinsam mit Institutionen und Kulturträgern Erfurts und einem Förderkreis werden seither Konzepte für die Erhaltung und geschichtsbewusste Nutzung des Geländes und der verbliebenen Gebäude entwickelt und in einen öffentlichen Diskurs eingebracht. Nach langjährigem Ringen hat sich die Stadt Erfurt bereit erklärt, Teile des ehemaligen Firmengeländes zu erwerben und sie für die Erinnerungsarbeit zur Verfügung zu stellen.

Besetzung durch linke Aktivisten

Ein Werkgebäude des „VEB Erfurter Mälzerei- und Speicherbau“ wurde im April 2001 von linken Aktivisten besetzt. Seitdem finden auch dort Kultur- und Informationsveranstaltungen zur Geschichte der Firma J. A. Topf & Söhne statt. Besuchern wird ein historischer Rundgang über das Gelände angeboten, der auch online einsehbar ist. Ein Video der Besetzer aus dem Jahr 2006, das in Zusammenarbeit mit den Filmpiraten entstand, setzt sich mit der Geschichte der Firma Topf & Söhne und auch der Besetzung auseinander.[10]

Am 20. Dezember 2004 wurde ein Gebäude durch einen Großbrand zerstört. Nach Abriss des größten Teils des Geländes stehen nur noch wenige Teile wie das Verwaltungsgebäude und die ehemaligen Klempnerei. Das Verwaltungsgebäude sollte renoviert werden und zwei Etagen sollten an die Stadt Erfurt für eine pädagogische Gedenkstättenarbeit vermietet werden. Die Besetzer setzten sich für den Erhalt der restlichen Gebäude als Gedenkstätte ein. Am Morgen des 16. April 2009 begann die Polizei unangekündigt mit der gerichtlich beschlossenen Räumung des Geländes und schützte den sich unmittelbar anschließenden Abriss der bis dahin besetzten Gebäude.[11] Bis zum darauffolgenden Morgen wurden alle Fabrik-Gebäude abgerissen.[12].

Belegstellen

  1. Annegret Schüle: „Technik ohne Moral, Geschäft ohne Verantwortung“, in: Irmtrud Wojak / Susanne Meinl (Hrsg.): Im Labyrinth der Schuld. Frankfurt/M 2003, ISBN 3-593-37373-4, S. 203.
  2. Annegret Schüle: Technik ohne Moral. S. 208.
  3. Annegret Schüle: Technik ohne Moral. S. 214 sowie als Dokument 34 in Jean-Claude Pressac: Die Krematorien von Auschwitz. München 1995, ISBN 3-492-12193-4.
  4. Philipp Kratz: Ernst-Wolfgang Topf, die Firma J. A. Topf & Söhne und die Verdrängung der Schuld in der Nachkriegszeit. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 56 (2008) H. 3, S. 252.
  5. Philipp Kratz: Ernst-Wolfgang Topf... In: ZfG 56 (2008) H. 3, S. 262 / Schreibweise hier angeglichen.
  6. Philipp Kratz: Ernst-Wolfgang Topf... In: ZfG 56 (2008) H. 3, S. 250 und 262/63.
  7. Annegret Schüle: Technik ohne Moral, S. 217/218.
  8. Annegret Schüle: Technik ohne Moral, S. 216.
  9. Annegret Schüle: Technik ohne Moral, S. 214.
  10. Video zur Besetzung von den Filmpiraten
  11. http://www.die-topnews.de/erfurt-raeumung-des-besetzten-hauses-346913
  12. Erfurt besetztes Haus ist Geschichte

Literatur

  • Jean-Claude Pressac: Die Krematorien von Auschwitz. Die Technik des Massenmordes. Piper Verlag, München 1995, ISBN 3-492-12193-4
  • Eckhard Schwarzenberger: Topf & Söhne. Arbeiten an einem Täterort. 3. Auflage, Berlin 2001 (ohne ISBN, siehe Weblinks)
  • Aleida Assmann, Frank Hiddemann, Eckhard Schwarzenberger (Hrsg.): Firma Topf & Söhne - Hersteller der Öfen für Auschwitz. Ein Fabrikgelände als Erinnerungsort? New York/Frankfurt a. Main, Verlag Campus, 2002. 307 Seiten. ISBN 3593370352
  • Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Volkhard Knigge (Hrsg.): Techniker der "Endlösung" Topf & Söhne - Die Ofenbauer von Auschwitz. Begleitband zur Ausstellung. Weimar 2005. ISBN 3-935598-10-6;
  • Annegret Schüle: Technik ohne Moral, Geschäft ohne Verantwortung. In: Irmtrud Wojak / Susanne Meinl (Hrsg.): Im Labyrinth der Schuld. Frankfurt/M 2003, ISBN 3-593-37373-4, S. 199 - 229 (Forschungsstand und Quellenlage)

Weblinks

50.97222222222211.0513888888897Koordinaten: 50° 58′ 20″ N, 11° 3′ 5″ O


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