Joachim Lelewel

Joachim Lelewel
Autograph-JoachimLelewel.png
Joachim Lelewel um 1825
Lelewel zugeschriebene Flagge des Novemberaufstands 1830: „Im Namen Gottes: Für Eure Freiheit und unsere“
Adam Mickiewicz (Zeichnung von Joachim Lelewel)
Skizze von David d'Angers für Lelewels Medaille (1844)
August der Starke 1731: Taufgeschenk für sein Patenkind August von Jauch
später Wiege Joachim Lelewels
(heute Nationalmuseum Krakau)
Joachim Lelewel-Grab auf dem Rasos-Friedhof in Vilnius
Manuskript „Historja Polska“ 1813
Lelewel-Saal der Universität Vilnius

Joachim Lelewel (* 22. März 1786 in Warschau; † 29. Mai 1861 in Paris) war ein polnischer Freiheitskämpfer und Historiker.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Familie

Lelewel stammte aus einem für Polen bedeutsamen Familienverband ab. Er war der zweitälteste Sohn des Fabrikanten und Mitgliedes des Sejm, Karol Maurycy Lelewel (1748–1830), [1] der zum Mundschenk von Litauen erhoben wurde, ein „gräflicher“ Titel, den zuvor Stanislaus II. August Poniatowski innehatte, bis er zum König gewählt wurde. [2] Sein Großvater war der Königlich-Polnische Hofrat und Leibarzt König Augusts III., Heinrich Lölhöffel von Löwensprung (1705–1763), verheiratet mit Constance Jauch (1722–1802), die den Namen später zu Lelewel polonisierte. Sein Urgroßvater, nach dem er benannt wurde, war der Generalmajor und Baumeister König Augusts des Starken, Joachim Daniel von Jauch (1684–1754), sein Großonkel Kasper Kazimierz Cieciszowski (1745–1831), war Erzbischof von Mohylew und römisch-katholischer Metropolit des Russischen Reiches. Lelewels Bruder war Jan Paweł Lelewel (1796–1847), sein Großneffe war der polnische Nobelpreisträger für Literatur Henryk Sienkiewicz (1848–1916).

Wirken als Historiker

Lelewel war einer der bedeutendsten Historiker Polens. Er erhielt seine Ausbildung an der Universität Vilnius, an der er ab 1814 selbst zunächst als Dozent, später als Professor der Geschichte lehrte, unterbrochen von einer Professur an der neu gegründeten Universität Warschau in den Jahren 1818–1821. 1824 wurde er wegen der nationalen Begeisterung, die seine Vorlesungen unter den polnischen Studenten auslösten, von den Russen seines Amtes enthoben und kehrte nach Warschau zurück. Er verfasste neben seinem zwanzigbändigen Hauptwerk „Polska“ zahlreiche grundlegende historische, geographische und numismatische Werke (s.u.). Lelewel stand an der Spitze der neuesten, romantischen Schule der Geschichtsschreibung, der wie sein Freund und Dichter Adam Mickiewicz – Lelewel durch seine wissenschaftlichen Arbeiten, jener durch sein dichterisches Wirken – wesentlich zum Aufstand von 1830 beitrug, sein bedeutendes Talent der patriotisch-demokratischen Tendenz vollständig dienstbar machte und auf allen Gebieten der Geschichte und Geographie durch seine Forschungen anregend und bahnbrechend wirkte.

Politischer Werdegang

Lelewel wurde 1829 Abgeordneter im Parlament des konstitutionellen, mit Russland in Personalunion verbundenen Königreichs Polen, des sogenannten Kongresspolen. Im Kampf gegen die russische Unterdrückung im Novemberaufstand von 1830 wurde er als eine der angesehensten Persönlichkeiten Polens Mitglied der polnischen Nationalregierung, Kulturminister und Präsident der radikalen, zu Beginn der Erhebung gegründeten „Patriotischen Gesellschaft“. Zar Nikolaus I. sah ihn als einen der gefährlichsten Rebellen an. Nachdem er nach der Polnischen Niederlage in das Exil – zunächst nach Paris, nach seiner Ausweisung 1833 nach Brüssel – wechseln musste, war er Präsident des „Polnischen Nationalkommittees der Emigration“. Lelewel war befreundet mit Lafayette. 1847 war er mit Karl Marx und Friedrich Engels Gründungsmitglied und Vizepräses der „Association Démocratique ayant pour l'union et la fraternité de tous les peuples“, mit dem Sitz in Brüssel (1847-1848). Der Anarchist Michail Bakunin wurde maßgeblich von ihm beeinflusst.[3]

Werke

Seine Werke waren unter anderem:

  • 1807 Edda Skandinawska
  • 1823–1826 Bibliograficznych Ksiag dwoje, 2 Bände
  • 1835 Numismatique du moyen age, 2 Bände
  • 1840 Études numismatiques
  • 1844 Histoire de Pologne, 2 Bände
  • 1846–1851 La Pologne au moyen age, 2 Bände
  • 1851 Géographie des Arabes
  • 1852-1857 La Géographie du moyen age, 5 Bände
  • 1853–1876 Polska, 20 Bände
  • 1861 Histoire de la Lithuanie

Bemerkenswertes

  • Lelewels Wiege, die bereits August der Starke als Patenonkel von August von Jauch 1730 dessen Vater Joachim Daniel von Jauch geschenkt hatte, steht heute im Nationalmuseum in Krakau.
  • Neben einer Anzahl Porträts in Zeichnungen und Radierungen sowie Karikaturen gibt es verschiedene Büsten von Lelewel in Vilnius, zehn Gedenkmedaillen mit Lelewels Porträt u.a. von David d'Angers und Fernand Dubois sowie Briefmarken mit seinem Konterfei.
  • Adam Mickiewicz, der von Lelewel geförderte „Dichterfürst“ Polens, widmete Lelewel 1822 das Gedicht „An Joachim Lelewel“ (Polnisch: „Do Joachima Lelewela“), in welchem er Jahrzehnte vor Karl Marx den Lauf der Geschichte als Fortschritt vom Barbarismus bis hin zu höheren Kulturformen, zu Frieden und Freiheit sah. (Deutsche Übersetzung von Karl Dedecius. Toruń: Towarzystwo Bibliografów im. Lelewela 1991)
  • Der 29. Mai, Todestag von Lelewel, ist wegen seines Einsatzes für die Juden der jüdische Gedenktag an sein Wirken. [4]
  • Nachdem er zunächst auf dem Cimetière de Montmartre beerdigt worden war, wurde er 1929 gemäß seinem letzten Willen auf den Rasos-Friedhof in Vilnius umgebettet. Zu diesem Zeitpunkt ging auch seine umfangreiche Bibliothek und Kartensammlung in den Besitz der dortigen Universitätsbibliothek über; nach ihm ist heute ein Lesesaal benannt.

Zitate

Karl Marx sagte über ihn: „Aber mitten in dieser konservativen Revolution, mitten in der nationalen Regierung gab es einen Mann, der die engstirnigen Ansichten der herrschenden Klasse heftig angriff. Er schlug wahrhaft revolutionäre Maßnahmen vor, vor deren Kühnheit die aristokratischen Vertreter im Parlament zurückwichen; als er das ganze alte Polen zu den Waffen rief, als er so den Krieg für die Unabhängigkeit Polens zu einem europäischen Krieg machte, als er die Juden und die Bauern emanzipierte, als er die Bauern am Eigentum an Grund und Boden teilhaben ließ, als er Polen auf der Grundlage der Demokratie und der Gleichheit wiederherstellte, wollte er die nationale Sache zur Sache der Freiheit machen, wollte er das Interesse aller Völker mit dem des polnischen Volkes identifizieren. Diesen Mann, dessen Genius diesen so gewaltigen und doch so einfachen Plan entwarf, muß ich ihn mit Namen nennen? Dieser Mann war Lelewel.“ (Karl Marx, Rede vom 22. Februar 1848)

Literatur

  • Chrzanowski, Ignacy: Joachim Lelewel. Człowiek i pisarz 1946
  • Grabski, Andrzej Feliks: Niemieckie potrety literackie Joachima Lelewela (Joachim Lelewel in deutschen literarischen Porträts). In: Jerzy Topolski, Witold Molik, Krzysztof Makowski (Hg.): Ideologie, poglądy, mity w dziejach Polski i Europy XIX i XX wieku. Studia historyczne. Poznań 1991, S. 145–153.
  • Kolendo, Jerzy: Kolekcje numizmatyczne rodziny Lelewelów (Die numismatischen Sammlungen der Familie Lelewel) in: Wiadomości Numizmatyczne, ISSN 0043-5155, 1/2001
  • Polski Slownik Biograficzny,Band XVII, S. 21ff (Artikel: Joachim Lelewel) mit weiteren Nachweisen
  • Serejski Marian H.: Joachim Lelewel, sa vie son œuvre. Ed. Académie polonaise des sciences, Varsovie, 1961
  • Skurnowicz, Joan S.: Romantic Nationalism and Liberalism: Joachim Lelewel and the Polish National Idea, 1981, ISBN 978-0-914710-77-6
  • Wysokińska, Teresa: Joachim Lelewel à Bruxelles de 1833 à 1861. Bruxelles 1987
  • Association Démocratique, ayant pour but l´union et la fraternité de tous les peuples. Eine frühe internationale demokratiosche Vereinigung in Brüssel 1847-1848. Hrsg. von Bert Andréas, Jacques Grandjonc und Hans Pelger. Bearb. von Helmut Elsner und Elisabeth Neu, Trier 2004 ISBN 3-86077-847-1

Weblinks

 Commons: Joachim Lelewel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerklungen

  1. Karol Maurycy Lelewel in: Polski Słownik Biograficzny, Band XVII, S. 25
  2. Da es in Polen keine Adelstitel, mithin auch keine Grafentitel gab, erhielt der polnische „Mitteladel“ stattdessen den lebenslangen Besitz der Titel der Landesämter wie „Starost“, „Woiwode“, „Mundschenk“ usw. begnügen. Vgl. Szlachta
  3. „In Brüssel macht er (Anm.: Bakunin) die folgenreiche Bekanntschaft des polnischen Historikers und Revolutionärs Ignacy Lelewel. Dessen slawophile Vision einer demokratischen Bauernrepublik beeindruckt ihn sehr, wobei er den engen Nationalismus der ganzen Sache in typisch Bakuninscher Begeisterung einfach ausblendet. Der Gedanke an eine generelle Erhebung der slawischen Völker, denen er die Kraft zutraut, als ungezähmter Motor einer generellen Revolution gegen jede Tyrannei zu wirken, nimmt Gestalt an und wird ihn für viele Jahre nicht mehr loslassen.“ aus Horst Stowasser: „Freiheit pur. Die Idee der Anarchie, Geschichte und Zukunft“, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-8218-0448-3, S. 195
  4. vgl. The Jewish Encyclopedia, Memorial Dates, S. 460 jewishencyclopedia.com

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