Johann Wilhelm Trollmann

Johann Wilhelm Trollmann
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Johann Wilhelm Trollmann, 1928

Johann Wilhelm Trollmann, 1928

Daten
Geburtsname Johann Wilhelm Trollmann
Gewichtsklasse Halbschwergewicht
Nationalität Deutsch
Geburtstag 27. Dezember 1907
Geburtsort Wilsche bei Gifhorn
Todestag 1944
Todesort Wittenberge (Brandenburg)
Kampfstatistik
Kämpfe 62
Siege 30
K.-o.-Siege 11
Niederlagen 19
Unentschieden 13

Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann (* 27. Dezember 1907 in Wilsche bei Gifhorn; † 1944 im Außenlager Wittenberge des KZ Neuengamme) war ein sinto-deutscher Boxer.

Inhaltsverzeichnis

Werdegang

Der Sinto Johann „Gypsy“ Trollmann wurde von dem jüdischen Boxer Erich Seelig, dem der deutsche Boxsportverband 1933 die Titel im Halbschwer- und Mittelgewicht aberkannt hatte, trainiert. Am 9. Juni 1933 wurde Trollmann im Kampf gegen Adolf Witt Deutscher Meister im Halbschwergewicht. Trollmann besiegte seinen Gegner, dem er in puncto Technik, Beweglichkeit und wegen seiner nur 71 Kilo vor allem an Schnelligkeit überlegen war. (Der Kampf zwischen beiden im Jahr zuvor endete unentschieden bzw. nach Punkten über acht Runden, die Trollmann verlor.) Mit diesem Sieg eines Davids über einen Goliath wurde Trollmann nicht nur zum Publikumsliebling, sondern auch zu einem „Sexsymbol“. Da der Boxverband bereits mit Nazis durchsetzt war und Trollmann Sinto war, wollte man den Kampf als „nicht gewertet“ betrachten. Nur die Empörung des Publikums sorgte dafür, dass der Sieger auch als solcher ausgerufen wurde. Acht Tage später wurde ihm der Titel jedoch wegen „armseligen Verhaltens“ (wohl unter dem Vorwand von Trollmanns Freudentränen nach dem Sieg) wieder aberkannt.

Kampf gegen Gustav Eder

Trollmanns Kampfstil, der Ähnlichkeiten mit dem späteren Stil Muhammad Alis aufwies, erregte in der Zeit des Nationalsozialismus Missfallen. Im Juli 1933 trafen in der Kreuzberger Bockbierbrauerei in Berlin zwei herausragende deutsche Boxer ihrer Gewichtsklassen aufeinander: Gustav Eder im Weltergewicht und sein Kontrahent Johann Wilhelm Trollmann im Mittelgewicht. Im Kampf beider Boxer um den Deutschen Weltergewichtstitel sollte Eder – neun Zentimeter kleiner und sechs Kilo leichter als sein Gegner – das wiederholen, was Trollmann wenige Monate zuvor gegen den größeren und schwereren Boxer Witt erreicht hatte, nämlich einen Sieg erzielen. Die beiden Boxer und ihr Kampf wurden instrumentalisiert, um die These der Machthaber, die Überlegenheit der „arischen Herrenrasse“ zu untermauern. Trollmann kam mit blondgefärbten Haaren, seine Haut mit weißem Puder bedeckt, als Karikatur eines „arischen“ Boxers in den Ring. Ihm wurden Auflagen gemacht, die ihn in seiner Art der Kampfesführung stark einschränkten. Unter Androhung des Entzugs seiner Boxlizenz war es ihm untersagt, seinen typischen Stil zu kämpfen, dem Gegner tänzelnd kein Ziel zu bieten und auszukontern. Auch durfte er keinen Gebrauch von seinem Reichweitenvorteil machen und nicht auf Distanz boxen. Die Auseinandersetzung der beiden Faustkämpfer entwickelte sich zu einer Farce. Trollmann verlor nach fünf Runden durch K.O. und behielt dadurch noch für wenige Monate seine Boxlizenz.

Letzte Jahre und Tod

Der Kampf gegen Gustav Eder 1933 beendete Trollmanns Boxkarriere. Im Zweiten Weltkrieg wurde er von der Wehrmacht eingezogen und diente als Soldat. An der Ostfront wurde er verletzt und kam so zurück in die Heimat. Im Juni 1942 wurde Johann „Rukeli“ Trollmann verhaftet und in das KZ Neuengamme gebracht, in dem er am 9. Februar 1943 für tot erklärt wurde. Aussagen eines Mithäftlings zufolge kam er unter anderem Namen ins KZ-Außenlager Wittenberge. Dort wurden ihm seine Boxfähigkeiten zum Verhängnis, da er von SS-Leuten immer wieder „herausgefordert“ wurde.[1] 1944 trat ein Kapo gegen Trollmann an und wurde niedergeschlagen. Der Kapo war darüber so erbost, dass er einen Knüppel nahm und Trollmann erschlug.[2]

Gedenken

Einweihung einer Skulptur als schräger Boxring für Johann Trollmann auf dem Ballhofplatz in Hannover

Für Printmedien und Funktionäre der Boxverbände war nach der NS-Zeit die Aberkennung des Meistertitels kein Thema. Erst eine Buchveröffentlichung Ende der 1990er Jahre über das Schicksal Trollmanns rückte diese Frage ins allgemeine Interesse. Trollmann wurde 1993 offiziell als Deutscher Meister im Halbschwergewicht in die „Riege der Deutschen Meister“ aufgenommen. 70 Jahre nach dem Kampf um den Meistertitel übergab der Bund Deutscher Berufsboxer Ende 2003 Trollmanns Meistergürtel symbolisch an seine noch lebenden Verwandten Louis und Manuel Trollmann.

Im Kreuzkirchenviertel in der Altstadt von Hannover wurde 2004 der kleine Fußweg Tiefental zwischen der Kreuzkirche und der Burgstraße in Johann-Trollmann-Weg umbenannt. 2008 wurde dort vor seinem früheren Wohnhaus ein Stolperstein für ihn gelegt.[3] Im Mai 2009 ist auch im Hamburger Schanzenviertel vor dem Portal der Roten Flora ein Stolperstein zur Erinnerung an Trollmann verlegt worden. Er hatte – zuletzt im November 1933 – im historischen Flora-Theater einige seiner Profiboxkämpfe bestritten.

Trollmanns Bruder Heinrich, genannt Stabeli, wurde 1943 im KZ Auschwitz im Alter von 27 Jahren ermordet. Auch für ihn liegt ein Stolperstein im hannoverschen Johann-Trollmann-Weg.[3]

Am 28. Januar 2011 wurde in Berlin-Kreuzberg die Sporthalle der ehemaligen Rosegger-Grundschule am Marheinekeplatz als Johann-Trollmann-Boxcamp benannt.

2010 und 2011 wurde jeweils etwa sechs Wochen lang in Berlin und in Hannover auf dem Ballhofplatz eine Skulptur der Bewegung Nurr und Florian Göpferts aufgestellt. Sie trägt die Bezeichnung „9841 - Temporäres Denkmal für Johann Rukeli Trollmann“ und besteht aus einem Boxring mit schräger Kampffläche. Bei der Zahl 9841 handelt es sich um Trollmanns frühere Häftlingsnummer. Der Aufstellungsort in Hannover liegt unweit seines früheren Wohnsitzes.

Literatur und Film

  • Hans Firzlaff: Knock-out: das Leben des deutschen Sinti-Boxers Rukelie Trollmann aus der hannoverschen Altstadt. 2. Aufl., Satire-Verlag, Hannover 1997, ISBN 3-923127-23-6 (formal falsche ISBN)
  • Marko D. Knudsen: Geschichte der Roma. RomaBooks.com, Hamburg, 2002
  • Knud Kohr, Martin Krauß: Kampftage – Die Geschichte des deutschen Berufsboxens. Verlag die Werkstatt, Göttingen, 2000, ISBN 3-89533-309-3
  • Michail Krausnick: Wo sind sie hingekommen? Der unterschlagene Völkermord an den Sinti und Roma. Bleicher, Gerlingen 1995, ISBN 3-88350-038-0, S. 73–79
  • Roger Repplinger: Leg dich, Zigeuner. Die Geschichte von Johann Trollmann und Tull Harder. München: Piper 2008, ISBN 3-492-04902-8
  • Rukelie, Deutschland 2007; Regie: Sabine Neumann, Hauptdarsteller: Stanislav Lisnic, Nora von Waldstätten, Länge: 11 Min

Einzelnachweise

  1. Martin Sonnleitner: Der Stürmer und der Dränger. Spiegel Online, 17. Juni 2008
  2. Hamburger Abendblatt, Artikel Die Qualen eines Boxers vom 14. Februar 2009
  3. a b Patrick Hoffmann: 13 weitere Stolpersteine verlegt, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 23. März 2010, S. 15

Weblinks


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