Josef von Sternberg

Josef von Sternberg

Josef von Sternberg (bürgerlich Jonas Sternberg; * 29. Mai 1894 in Wien; † 22. Dezember 1969 in Hollywood, Los Angeles, Kalifornien, USA) war ein österreichisch-US-amerikanischer Regisseur.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Anfang der Karriere

Sternberg war der Sohn des österreichisch-jüdischen Geschäftsmannes Moses Sternberg (in den USA: Morris Sternberg) und seiner Ehefrau Serafine. Wegen der Geschäftstätigkeit des Vaters lebte die Familie ab 1901 wahlweise in Wien (zuletzt in der Blumauergasse 23) und in den Vereinigten Staaten (New York City). Am 27. Juni 1908 setzte Jonas Sternberg mit seiner Mutter und den vier jüngeren Geschwistern (Siegfried, Hermine, Amelia, Heinrich) von Cuxhaven nach New York über (Ankunft am 8. Juli 1908) und ließ sich endgültig in den USA nieder.[1]

Seit seinen ersten beruflichen Schritten im Filmgeschäft benutzte fortan den Künstlernamen Josef von Sternberg. Nach ersten Arbeiten in einer Filmreparaturwerkstatt zog er 1923 nach Hollywood, wo er erstmals bei dem Film By Divine Right als Regieassistent tätig war. 1924 lernte er durch Vermittlung Charles Chaplins und Mary Pickfords den deutschen Schriftsteller und Drehbuchautor Karl Gustav Vollmoeller kennen, der ihn 1925 nach Venedig und Berlin einlud und ihn mit dem Schauspieler Emil Jannings bekannt machte. Sternberg beschreibt diese Begegnung in seiner Autobiographie so: „Er muß die Begegnung von Emil Jannings und mir mit einer Umsicht in die Wege geleitet haben, die ihm ruchlose Freude bereitete.“ Gemeinsam mit dem Schauspieler George K. Arthur drehte er 1925 für nur US$ 50.000 den Film The Salvation Hunters, der auf einem großen Dampfbagger in den Sümpfen nahe San Pedro Bay aufgenommen wurde. Der Streifen erregte die Aufmerksamkeit mehrerer Kritiker, die Sternbergs innovativen Einsatz von Licht und Schatten in der Dramaturgie einer Szene lobten.

Zwar zerschlugen sich im Anschluss Pläne, einen Film mit Mary Pickford zu drehen, doch am Ende bekam von Sternberg einen Vertrag bei MGM. Allerdings war die Zusammenarbeit mit den Studioverantwortlichen und den Stars nicht einfach. So stritt sich der als autokratisch berüchtigte Sternberg wochenlang sehr intensiv mit der Hauptdarstellerin Mae Murray während der Dreharbeiten zu The Masked Bride. Schließlich wurde der Vertrag im beiderseitigen Einvernehmen aufgelöst.

Kurze Zeit später bekam er das Angebot, für Edna Purviance, die frühere Hauptdarstellerin von Charles Chaplin, den Film The Woman of the Sea (auch: The Sea Gull) zu drehen. Chaplin beschloss jedoch, den fertigen Film nicht in den Verleih zu geben, da er zu intellektuell für den Massengeschmack sei. In den dreißiger Jahren ließ Chaplin das Negativ vernichten, um die Drehkosten steuerlich absetzen zu können. Die wenigen Menschen, die den Streifen gesehen haben, behaupteten, es sei eine der schönsten und visuell beeindruckendsten Arbeiten des amerikanischen Kinos.

Paramount

Das Blatt wendete sich für von Sternberg erst, als er 1927 einen Vertrag bei der Paramount bekam. Nachdem er einige Szenen für bereits abgedrehte Filme neu produziert hatte, so für It und Children of Divorce, beide mit Clara Bow, bekam er später im Jahr die Chance, den Film Unterwelt zu drehen. Das Drehbuch von Ben Hecht warf zum ersten Mal einen besorgten Blick hinter die Kulissen des organisierten Verbrechens und von Sternberg machte daraus einen packenden Gangsterfilm. Gleichzeitig komponierte er aus Licht und Schatten Szenen, die einen Kritiker zu der Bemerkung veranlassten, von Sternberg würde die Kamera so einsetzen wie der Maler seinen Pinsel. Nach dem überwältigenden kommerziellen Erfolg wurde von Sternberg mit der Regie für Sein letzter Befehl betraut, der mit Emil Jannings, dem wertvollsten Star des Studios, gedreht wurde. Jannings gewann unter anderem für diese Leistung ein Jahr später den ersten Oscar als bester Hauptdarsteller. Im selben Jahr folgte mit The Docks of New York einer der reifsten und visuell schönsten Filme seiner Laufbahn. Die Geschichte um einen Seemann und eine Prostituierte wurde durch von Sternberg zu einer Sinfonie aus malerischen Schatten und Lichteffekten.

1929 fuhr Josef von Sternberg nach Deutschland, um bei der UFA, an der die Paramount Anteile hielt, den ersten Tonfilm mit dem Star Emil Jannings zu verfilmen. Den Kontrakt von Sternbergs mit der Ufa vermittelte Karl Gustav Vollmoeller, der ihm als Drehbuchautor, technischer Berater und General Editor von der Ufa zur Seite gestellt wurde. Ihm ist es auch zu verdanken, dass die Filmrechte des Romans Professor Unrat von Heinrich Mann unter dem Titel Der blaue Engel an die Ufa verkauft wurden. Die weibliche Hauptrolle sollten zunächst die unterschiedlichsten Schauspielerinnen erhalten u. a. Louise Brooks. Doch am Ende fiel die Wahl auf Marlene Dietrich, da Vollmoeller sie präferierte und gegen alle Widerstände durchsetzen konnte, so dass sie mit diesem Film ihren Durchbruch hatte. “I urged Mr. von Sternberg to cast for the starring role Miss Marlene Dietrich a young actress who was as yet unknown, but who, I believed, had all potentialities of a great star. Mr. von Sternberg respected my opinion about such matters ...” schreibt Vollmoeller in seinen autobiographischen Notizen. Der Regisseur und sein Geschöpf reisten noch am Abend der Premiere nach Amerika, wo sie mit den Dreharbeiten für Marokko begannen. Dietrich wurde vom Studio als Antwort auf Greta Garbo aufgebaut, doch von Sternberg machte aus der Schauspielerin im Verlauf von sechs gemeinsamen Filmen eine ganz eigene Leinwandpersönlichkeit.

Allerdings wurde von Sternberg rasch von der Presse vorgeworfen, zu sehr auf die visuellen Aspekte und die Inszenierung seiner Hauptdarstellerin zu achten und zu wenig Wert auf ein gutes Drehbuch zu legen. Die bekannte Journalistin Elizabeth Yeaman führte bereits am 1. September 1931 in ihrer Kolumne, in der sie über die Dreharbeiten zu Shanghai-Express berichtet, aus:

...I wouldn't be surprised if Miss Dietrich gets Shanghai Express. You see she has never yet had a real break on a story. That is not because Paramount has neglected Marlene, but Josef von Sternberg doesn't care much about strong stories. If he has too much story he can't find room for his artistic effects, and these effects are much more important to him than story. But the fact remains that the public likes a good sound story, one that is plausible and human.

Besonders der Film Blonde Venus, den beide 1932 unmittelbar nach ihrem größten finanziellen Erfolg Shanghai-Express drehten, machte die angedeuteten Schwächen bei von Sternberg deutlich. Dietrich, die endlich einen Rollenwechsel, weg von den ewigen Verführerinnen wollte, verlangte einen Stoff, der sie als fürsorgliche Ehefrau und gute Mutter zeigte. Von Sternberg mochte jedoch das Konzept nicht und zeigte daneben Dietrich als Kabarettstar. Es gab zu keinem Zeitpunkt ein kohärentes Drehbuch, und am Ende überzeugten nach Meinung der Kritiker nur die Musicalszenen, so die berühmte Hot-Voodoo-Nummer, in der die Dietrich zunächst als Gorilla verkleidet auf die Bühne kommt, um sich dann aus dem Kostüm zu schälen.

1931 übernahm der Regisseur ein halbfertiges Drehbuch, das Sergei Eisenstein auf der Basis des Gesellschaftsromans An American Tragedy von Theodore Dreiser verfasst hatte, ehe er aus dem Projekt gedrängt worden war. Von Sternberg verwarf die meisten Ideen und fing ganz von Neuem an. Das fertige Ergebnis spaltete die Kritiker wie kaum eines seiner Werke zuvor. Zum einen lobten sie die schon bekannten Kompositionen aus Licht und Schatten sowie das Spiel von Sylvia Sidney als Drina. Doch insgesamt herrschte Übereinstimmung, dass sich Dreisers beißender sozialer Kommentar und von Sternbergs eher lyrischer Erzählstil gegenseitig ausschlossen.

Nachdem Dietrich auf Druck des Studios und vor dem Hintergrund der wenig ermutigenden Einspielergebnisse von Blonde Venus 1933 den wenig erfolgreichen Film Song of Songs unter der Regie von Rouben Mamoulian gedreht hatte, fanden beide Künstler Mitte 1934 wieder zusammen. Als Antwort auf den sehr erfolgreichen Film Queen Christina, der Garbo ein Jahr zuvor als schwedische Königin zeigte, wollte Paramount seinen eigenen Glamourstar ebenfalls als berühmte Herrscherin präsentieren. Die Wahl fiel auf Katharina die Große. Während der Dreharbeiten, die wieder durch endlose Änderungen am Drehbuch gekennzeichnet waren, und inmitten von eskalierenden Produktionskosten (so verlangte von Sternberg echten Hermelin für die Garderobe der Kaiserin) kam es zu einer berühmten Anekdote. Der Schauspieler Sam Jaffe, der den debilen Ehemann der Kaiserin spielte, sollte eine Szene endlos wiederholen, da von Sternberg irgendwelche Details jeweils nicht gefielen. Irgendwann beschwerte sich Jaffe über die Art, wie der Regisseur ihn behandeln würde. Von Sternberg nahm Jaffe zur Seite und sagte: Mr. Jaffe, wissen Sie, allein in Japan habe ich 70 Millionen Anhänger. Jaffe meinte trocken: Fein, Jesus hatte nur 12. Danach musste der Schauspieler keine Wiederholungen mehr drehen.

Die Von-Sternberg-Dietrich-Zusammenarbeit endete im Folgejahr mit Der Teufel ist eine Frau, der Geschichte um eine spanische Tänzerin. Dietrich mochte den Film mehr als jeden anderen, denn, so die Schauspielerin, He made me look so beautiful. Der Film wurde eine künstlerische und finanzielle Katastrophe.

Spätere Jahre

1935 wechselte von Sternberg nach den finanziellen Reinfällen von The Scarlett Empress und The Devil is a Woman zur Columbia Pictures, wo er unter anderem mit Grace Moore eine Operette über das Leben der Kaiserin Elisabeth Sissi von Österreich drehte. Im Folgejahr wurde er von Alexander Korda für die Verfilmung von I, Claudius engagiert, doch die Dreharbeiten wurden zu einem Desaster. Die Hauptdarstellerin Merle Oberon starb beinahe bei einem Verkehrsunfall, die Finanzierung des Streifens brach zusammen, und am Ende wurde die Produktion eingestellt. Die wenigen erhaltenen Szenen gelten jedoch als das Beste, was von Sternberg je gedreht hat.

Auf persönlichen Wunsch von Louis B. Mayer wurde von Sternberg 1938 damit beauftragt, aus Mayers österreichischer Entdeckung Hedy Lamarr den größten Star der Welt zu machen. Die Produktion von I Take This Woman entwickelte sich bald zu einer ausgewachsenen Katastrophe, die über 16 Monate dauerte, bei der fast die gesamte Besetzung mittendrin ausgetauscht wurde und sich über drei Regisseure abwechselten. Schließlich fand sich von Sternberg als Regisseur von Wallace Beery in dem Polizistendrama Sergeant Madden wieder.

Mit Ausnahme von Abrechnung in Shanghai, der die Geschichte von Mother Gin Sling und ihrem Bordell erzählt, und des Dramas The Saga of Anatahan hatten seine späteren Arbeiten nicht mehr das Niveau der Jahre bei Paramount. The Saga of Anatahan erzählte die wahre Begebenheit von japanischen Soldaten, die noch sieben Jahre nach Kriegsende ihre Stellung auf der Insel Anatahan halten, da sie sich weigern, die japanische Kapitulation zu akzeptieren.

1963 erhielt Josef von Sternberg das Filmband in Gold für langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film.

Filmografie

  • 1925: The Salvation Hunters
  • 1925: The Masked Bride (einige Szenen, keine Nennung im Credit)
  • 1926: Exquisite Sinner (ersetzt durch Phil Rosen)
  • 1926: A Woman of the Sea
  • 1927: Unterwelt (Underworld)
  • 1927: Children of Divorce (einige Szenen, keine Nennung im Credit)
  • 1927: It (einige Szenen, keine Nennung im Credit)
  • 1928: The Docks of New York
  • 1928: The Dragnet
  • 1928: Street of Sin (einige Szenen für Mauritz Stiller, keine Nennung im Credit)
  • 1928: Sein letzter Befehl (The Last Command)
  • 1929: Sie nannten ihn Thunderbolt (Thunderbolt)
  • 1929: Eine Nacht im Prater (The Case of Lena Smith)
  • 1930: Morocco
  • 1930: Der Blaue Engel
  • 1931: An American Tragedy
  • 1931: Entehrt (Dishonored)
  • 1932: Blonde Venus
  • 1932: Shanghai-Express
  • 1934: The Scarlet Empress
  • 1935: Crime and Punishment
  • 1935: Der Teufel ist eine Frau (The Devil Is a Woman)
  • 1936: The King Steps Out
  • 1937: I, Claudius (unvollendet)
  • 1938: The Great Waltz (eine Szene, ohne Nennung im Credit)
  • 1939: Sergeant Madden
  • 1939: I Take This Woman (einige Szenen, keine Nennung im Credit)
  • 1941: Abrechnung in Shanghai (The Shanghai Gesture)
  • 1944: The Town (Dokumentarfilm)
  • 1946: Duel in the Sun (ohne Nennung im Credit)
  • 1952: Macao
  • 1953: The Saga of Anatahan (Die Sage von Anathan)
  • 1957: Jet Pilot (vollendet 1950, in den Verleih gebracht 1957)

Anmerkungen

  1. lt. Filmarchiv Kay Weniger, basierend auf Originaldokumenten 1908 bis 1925

Literatur

  • Ich - Josef von Sternberg. Erinnerungen (OT: Fun In a Chinese Laundry). Friedrich, Velbert bei Hannover 1967
  • Frederik D. Tunnat: Karl Vollmoeller : Dichter und Kulturmanager ; eine Biographie. tredition, [Hamburg] 2008, ISBN 978-3-86850-000-4 ( Zur Freundschaft von Sternbergs und Karl Vollmoellers, sowie die Hintergründe zur Entstehung des "Blauen Engels")

Weblinks


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