Joseph Wirmer

Joseph Wirmer
Josef Wirmer (ganz rechts) im Volksgerichtshof, 1944
Berliner Gedenktafel am Haus Holbeinstraße 56, in Berlin-Lichterfelde

Josef Wirmer (* 19. März 1901 in Paderborn; † 8. September 1944 in Berlin) war ein deutscher Jurist und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Josef Wirmer stammte aus einer katholischen Lehrerfamilie, sein Vater Anton Wirmer war Direktor des Gymnasium Marianum Warburg. Nach seinem Abitur an diesem Gymnasium studierte er ab 1920 in Freiburg im Breisgau und Berlin Rechtswissenschaft. Seine in der Studienzeit in klarer Abgrenzung zu der in gebildeten Kreisen immer noch vorherrschenden monarchistischen Auffassung engagiert vertretene demokratische Gesinnung trug ihm den Beinamen „der rote Wirmer“ ein. Als Student war er in Studentenverbindungen des Kartellverbandes katholischer deutscher Studentenvereine (KV) aktiv und hatte dort mehrfach Vorstandsposten inne. Nach dem Referendarexamen 1924 und dem Assessorexamen 1927 ließ er sich in Berlin als Rechtsanwalt nieder. Dort schloss er sich politisch der Zentrumspartei an, zu deren linken Flügel er sich zählte. Er setzte sich für eine große Koalition mit der SPD ein. Als „Alter Herr“ hatte er beim KV im „Kartellverbands-Rat“ unter anderem die Aufgabe der „Berufsberatung“, im wesentlichen also wohl die Stellenvermittlung. Josef Wirmer stand seit der so genannten Machtergreifung aus demokratischer Überzeugung und Sorge um den Rechtsstaat in Gegnerschaft zu den Nationalsozialisten. Wegen der engagierten Verteidigung rassisch Verfolgter wurde er aus dem Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund, dem berufsständischen Zusammenschluss von Rechtsanwälten, Staatsanwälten und Richtern, ausgeschlossen. Den Abschluss des Reichskonkordats lehnte er ab. Ob er, wie manche meinen, beim damaligen Kardinalstaatssekretär Eugenio Kardinal Pacelli, dem späteren Papst Pius XII. persönlich zu intervenieren versucht hat, lässt sich mit Quellen nicht belegen.

1936 kam er in Kontakt zu den gewerkschaftlichen Widerstandskreisen um Jakob Kaiser. Seit 1941 gehörte er zu dem Kreis um Carl Friedrich Goerdeler. Die historische Forschung ist sich mittlerweile einig, dass er im Widerstand durch seine persönlichen Kontakte sehr viele Vorbehalte überwinden konnte, die traditionell zwischen den Gruppen der Gewerkschaftler und Sozialdemokraten, den kirchlichen Kreisen und den alten adligen Eliten bestanden. Sein Haus war einer der wichtigsten Treffpunkte der Verschwörer, wo neben Kaiser, Leuschner und Habermann auch Goerdeler und die Mitarbeiter der Abwehr verkehrten.[1] Den Attentatsplan Claus Graf Schenk von Stauffenbergs unterstützte er von Anfang an. Des weiteren stammte von ihm der aus den Reihen des Widerstands einzige selbständige Entwurf für ein neues Nationalsymbol: So entwarf er eine Flagge, die ein schwarzes, golden eingefasstes Kreuz mit leicht zum Mast verschobenem Querbalken auf rotem Grund als neue Nationalfahne vorsah.

Von Josef Wirmer im Jahr 1944 vorgeschlagene Flagge Deutschlands

Nach dem gescheiterten Attentat und Umsturzversuch des 20. Juli 1944 (Persönlichkeiten des 20. Juli 1944), bei dessen Gelingen Josef Wirmer als Reichsjustizminister eingeplant war, wurde er am 4. August verhaftet. Sein mutiges, souveränes und schlagfertiges Auftreten im Prozess vor dem Volksgerichtshof ist durch Protokolle und den auf Hitlers Befehl heimlich gedrehten Film belegt. Als ihm Roland Freisler, der den Vorsitz führte, eine feige Haltung vorwarf:

„Joseph Wirmer, ja Sie gehören zur schwarzen Fraktion, ja, das sieht man Ihnen an, das kann ja nicht anders sein. Ist ja ulkig. Wie wichtig wohl das Amt als Zivilanwalt gewesen sein muss, das Sie da gehabt haben, dass Sie nicht einmal Soldat geworden sind in dem Alter. Und von da ab sind Sie dienstverpflichtet worden, spricht ja auch für Ihre Haltung, dass Sie erst warten, bis man Sie dienstverpflichtet. Feines Früchtchen!“ (Wirmer will etwas sagen, Freisler unterbricht ihn brüllend) „Ja, ja, ja, feines Früchtchen!“

hielt er dem entgegen:

„Wenn ich hänge, habe nicht ich Angst, sondern Sie!“

Als Freisler dem entgegnete, Wirmer werde bald zur Hölle fahren, antwortete er:

„Es wird mir ein Vergnügen sein, wenn sie bald nachkommen, Herr Präsident.“

Wirmer bekannte sich auch vor dem Volksgerichtshof zum KV, worauf Freisler ihn anbrüllt: „…daß Sie KVer sind, na also!“

Am 8. September 1944 wurde Josef Wirmer durch den Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Zwei Stunden nach der Urteilsverkündung im Schauprozess wurde er mit einer Drahtschlinge im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee erhängt.

Literatur

  • Friedrich Gerhard Hohmann (Hg.): Deutsche Patrioten in Widerstand und Verfolgung 1933-1945. Paul Lejeune-Jung – Theodor Roeingh – Josef Wirmer – Georg Frhr. von Boeselager. Ein Gedenkbuch der Stadt Paderborn. Schöningh: Paderborn, ISBN 3506739352.
  • Josef Wirmer – ein Gegner Hitlers. Aufsätze und Dokumente, 2. Aufl. 1993 ISBN 3922032257.
  • Annedore Leber (Hg.): Das Gewissen steht auf : 64 Lebensbilder aus d. dt. Widerstand 1933 - 1945 / gesammelt von Annedore Leber. Hrsg. in Zusammenarb. mit Willy Brandt u. Karl Dietrich Bracher. 10. Aufl., Berlin 1963, ISBN B0000BKS1R.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Joachim Fest: Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli. Siedler: Berlin 1994, ISBN 3-88680-539-5, S. 400.

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