Gedenkstätte Plötzensee

Gedenkstätte Plötzensee
Gedenkstätte Plötzensee
Portal der Gedenkstätte
Urne mit Erde aus Konzentrationslagern auf dem Gelände

Die Gedenkstätte Plötzensee erinnert an die Opfer des Nationalsozialismus im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee.[1] Sie befindet sich am Rande der heutigen Justizvollzugsanstalt Plötzensee in Berlin-Plötzensee und wurde 1952 vom Land Berlin eingeweiht.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Gefängnis Plötzensee wurde von 1868 bis 1879 auf einem Gelände des Gutsbezirks Plötzensee errichtet, das sich im Eigentum des königlichen Forstfiskus befand. Mit der Bildung der Gemeinde Groß-Berlin 1920 wurde das Areal dem Berliner Bezirk Charlottenburg zugeordnet.[2] Heute ist die Ortslage Plötzensee dem Ortsteil Charlottenburg-Nord im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf zugeordnet.

Ab 1933 diente die Strafanstalt zunehmend als Untersuchungsgefängnis und zentrale Hinrichtungsstätte für politische Gefangene. Viele der Inhaftierten waren von Sondergerichten, von den politischen Strafsenaten des Kammergerichts und vom 1934 errichteten Volksgerichtshof verurteilt worden und wurden nach der Haft in Konzentrationslager gebracht. Neben deutschen Strafgefangenen, politischen Untersuchungshäftlingen und zum Tode Verurteilten wurden in Plötzensee auch zahlreiche ausländische Zwangsarbeiter inhaftiert; ungefähr die Hälfte der Hinrichtungen entfiel auf Ausländer.[3]

Gedenkraum mit Hinrichtungsbalken

Zwischen 1933 und 1945 wurden im Gefängnis Plötzensee 2.891 Todesurteile vollstreckt,[4] unter anderem an Mitgliedern der Roten Kapelle, Teilnehmern des gescheiterten Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944 und an Mitgliedern des Kreisauer Kreises. Darunter waren auch über 300 Frauen, die zur Hinrichtung aus dem Frauengefängnis Barnimstraße nach Plötzensee überführt wurden.

Hinrichtungen erfolgten zunächst mit dem Handbeil auf dem Gefängnishof. Am 14. Oktober 1936 ordnete Adolf Hitler an, dass die Todesstrafe mit der Guillotine vollstreckt werden sollte. Aus der Strafanstalt Bruchsal wurde daraufhin 1937 eine Guillotine nach Plötzensee geschafft und in einer früheren Arbeitsbaracke aufgestellt.[5] Ende 1942 wurde in diesem Hinrichtungsschuppen ein Stahlträger eingezogen, an dem acht Opfer gleichzeitig durch Erhängen hingerichtet werden konnten. Die Guillotine wurde 1943 bei einem Luftangriff beschädigt und seitdem nicht mehr benutzt.

Plötzenseer Blutnächte

Da bei dem Bombenangriff ein Teil der Strafanstalt schwer beschädigt wurde, ordnet das Justizministerium die sofortige Vollstreckung aller Todesurteile an, um „Platz zu schaffen“. [6] In den Nächten vom 7. bis zum 12. September 1943 wurden in den sogenannten Plötzenseer Blutnächten über 250 Häftlinge aus verschiedenen Ländern erhängt. Durch fehlerhafte Telefonübermittlung befanden sich darunter auch sechs nicht zum Tode verurteilte Insassen. Der evangelische Gefängnisseelsorger Harald Poelchau berichtete darüber:

„Mit Einbruch der Dunkelheit am 7. September begann der Massenmord. Die Nacht war kalt. Ab und zu wurde die Dunkelheit durch Bombeneinschläge erhellt. Die Strahlen der Scheinwerfer tanzten über den Himmel. Die Männer waren in mehreren Gliedern hintereinander angetreten. Sie standen da, zunächst ungewiß, was mit ihnen geschehen sollte. Dann begriffen sie. Immer je acht Mann wurden namentlich aufgerufen und abgeführt. Die Zurückbleibenden verharrten fast bewegungslos. Nur hin und wieder ein Flüstern mit mir und mit meinem katholischen Amtsbruder Peter Buchholz […]
Einmal unterbrachen die Henker ihre Arbeit, weil Bomben in der Nähe krachend niedersausten. Die schon angetretenen fünf mal acht Mann mußten für eine Weile wieder in ihre Zellen eingeschlossen werden. Dann ging das Morden weiter. Alle diese Männer wurden gehängt. […] Die Hinrichtungen mußten bei Kerzenlicht durchgeführt werden, da das elektrische Licht ausgesetzt hatte. Erst in der Morgenfrühe, um acht Uhr, stellten die erschöpften Henker ihre Tätigkeit ein, um sie am Abend mit frischen Kräften aufnehmen zu können.“

Gedenkstätte nach 1945

Der Hinrichtungsschuppen wurde 1951 zum Teil abgerissen, an seiner Stelle steht heute eine Mauer aus Bruchsteinen. Der Hinrichtungsbalken mit heute fünf statt der damaligen acht Fleischerhaken ist noch vorhanden, der Estrich unter dem Träger verläuft mit einem leichten Gefälle in Richtung der Mitte des Raumes. Dort befindet sich ein Bodenablauf, in den die Körperausscheidungen der Opfer gespült wurden, die sie im Todeskampf verloren hatten.

Die zur Gedenkstätte führende Straße, der Hüttigpfad, wurde nach Richard Hüttig benannt, einem am 14. Juni 1934 in Plötzensee hingerichteten Opfer des Charlottenburger Widerstands. In den Wohngebieten, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Charlottenburg-Nord neu errichtet wurden, tragen zahlreiche Straßen die Namen von hingerichteten Mitgliedern des Widerstands gegen den Nationalsozialismus.

Anfang 2011 wurde von der Zeitung Der Tagesspiegel die Frage aufgeworfen, ob das Konzept der Gedenkstätte gerechtfertigt sei, alle in Plötzensee Hingerichteten gleich zu behandeln. Denn das führe dazu, dass neben Widerstandskämpfern auch klassischen Schwerkriminellen ehrend gedacht werde, darunter sogar einem Mörder, der Anfang 1944 wegen eines „Raubmordes an Juden“ hingerichtet wurde.[7]

Bekannte Opfer

Siehe: Liste der Hinrichtungsopfer in Berlin-Plötzensee während der Zeit des Nationalsozialismus

Trägerschaft

Die Gedenkstätte Plötzensee wird getragen von der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Diese unterhält an ihrem Sitz im Bendlerblock in der Stauffenbergstraße (Berlin-Tiergarten) eine Gedenkstätte zur Geschichte des Attentats vom 20. Juli 1944 und seit 1989 eine Gedenkstätte, die die ganzen Breite und Vielfalt des deutschen Widerstandes darstellt[8] sowie eine Spezialbibliothek zur NS-Geschichte.[9]

Kirchliche Gedenkstätten

In Erinnerung an die in Plötzensee inhaftierten und ermordeten Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, darunter auch viele Angehörige kirchlicher Widerstandsbewegungen, errichteten die beiden Amtskirchen zwei Gedenkstätten nördlich der Paul-Hertz-Siedlung:

Von der VVN West-Berlin im Jahr 1974 herausgegebene Namensdokumentation

Literatur

  • Victor von Gostomski, Walter Loch: Der Tod von Plötzensee. Erinnerungen, Ereignisse, Dokumente 1942–1944. Bloch, Frankfurt am Main 1993, ISBN 978-3-929686-00-5.
  • Historische Kommission zu Berlin, Helmut Engel u. a. (Hrsg.): Charlottenburg. Band 1: Die historische Stadt. Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1986, ISBN 3-87584-167-0.
  • Brigitte Oleschinski: Gedenkstätte Plötzensee. 2. Auflage. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 1995, ISBN 3-926082-05-4, PDF.
  • Rüdiger von Voss, Gerhard Ringshausen (Hrsg): Die Predigten von Plötzensee. Zur Herausforderung des modernen Märtyrers. Mit Geleitwort von Wolfgang Huber und Robert Zollitsch. Lukas Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-86732-064-1.
  • Thomas Waltenbacher: Zentrale Hinrichtungsstätten. Der Vollzug der Todesstrafe in Deutschland von 1937–1945. Scharfrichter im Dritten Reich. Zwilling-Berlin, Berlin 2008, ISBN 978-3-00-024265-6.

Weblinks

 Commons: Gedenkstätte Plötzensee – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Zur Bezeichnung der Strafanstalt Plötzensee bis 1945 vgl. Erlass des Reichsministers der Justiz vom 2. November 1942 und die Erläuterungen der Gedenkstätte Plötzensee (abgerufen am 25. Januar 2008). Der häufig benutzte Begriff „Zuchthaus Plötzensee“ ist falsch bzw. irreführend.
  2. luise-berlin.de: Gutsbezirk Plötzensee, abgerufen am 15. Februar 2008
  3. Gedenkstätte Plötzensee, abgerufen am 16. Februar 2008
  4. Gedenkstätte Plötzensee: Auswertung aller der Gedenkstätte Deutscher Widerstand bis Frühjahr 2002 zugänglichen Quellen; abgerufen 16. Februar 2008
  5. Gedenkstätte Plötzensee, abgerufen am 16. Februar 2008; nach anderen Angaben war eine von Insassen des Gefängnisses Tegel hergestellte Guillotine bereits 1935 in Plötzensee in Betrieb genommen worden. Vgl. Historische Kommission zu Berlin, Helmut Engel et. al. (Hrsg.): Charlottenburg. Band 1: Die historische Stadt., S. 225
  6. Flugblatt über Wolfgang Thiess
  7. Gedenkstätte Plötzensee: Mörder neben Widerstandskämpfern. In Der Tagesspiegel, 18. Januar 2011.
  8. Gedenkstätte Deutscher Widerstand
  9. Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand
52.54083333333313.3225

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