Kanun (Musik)

Kanun (Musik)
Zeichnung eines arabischen Kanunspielers in Jerusalem, 1859

Das Kanun (arabisch ‏قانون‎, DMG qānūn) ist eine Form der Zither, die im Orient beheimatet ist. Sie wird deshalb auch als Orientalische Zither bezeichnet.

Das Kanun ist seit dem 10. Jahrhundert bekannt. Erste Abbildungen eines Kanun finden sich in Hassan Bar Bahluls († 963) bekanntem Lexikon. Im 13. Jahrhundert soll es das Hauptinstrument der Mauren in Andalusien gewesen sein, die das Instrument als Vorläufer der europäischen Zither nach Europa brachten.

Das trapezförmige Instrument ist aus Holz und mit 63 bis 84 Saiten bespannt. Im Gegensatz zur alpenländischen Zither ist dieses Instrument mit Darm- oder Nylonsaiten, neuerdings auch aus Fluorcarbon, bespannt, die je nach geographischer Region variieren können. Der Steg steht nicht auf einer Holzdecke, sondern auf Pergament (als Trommelfell), ähnlich wie beim Banjo. Dadurch ergibt sich ein charakteristischer Klang. Das Instrument wird liegend auf der Längsseite gegen den Körper gespielt; früher auf dem Boden sitzend und mit den Knien gehalten. Heute sitzt der Musiker auf einem Stuhl, und das Kanun liegt auf seinem Schoß oder vor ihm auf dem Tisch. Das Kanun wird mit Plektren gezupft, die wie Fingerhüte auf die Zeigefinger gesteckt werden.

Zu den führenden kanun-Spielern der Türkei gehören Ruhi Ayangil (*1953), Tahir Aydoğdu (*1959) und Göksel Baktagir (*1966).

Bis zur Erfindung der so genannten "mandal"-s zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Instrument nicht zum Modulieren geeignet. Mit diesen kleinen, seitlich an den Saitenzügen angebrachten Hebeln kann die Intontation während des Spiels der jeweils gewünschten Feinstimmung angepasst werden. Das moderne arabische qānūn verfügt üblicherweise über 24-, das türkische kanun über eine 72-tönige Grundstimmung innerhalb der sieben Saitenzüge pro Oktav. Manche arabische Modelle besitzen einen zusätzlichen Hebel für die um ein Kommahöher gestimmte Sekunde des maqams Hiĝāz. Die gleichschwebende Temperatur, auf die sich all diese Modelle beziehen, hat jedoch wenig mit der theoretischen Tradition des Vorderen Orients gemein und entspricht ihrem Intervallvorrat oft nur andeutungsweise. Die Verwendung der Temperatur in der Türkei und der arabischen Welt ist höchstwahrscheinlich auf europäisierende Tendenzen zurückzuführen. Daher erscheint es denkbar, dass sich auch die Stimmung des kanun noch weiter entwickeln wird. Der international bekannte Virtuose Julien Jalâl Ed-Dine Weiss (* 1953 in Paris), ein prominenter Kritiker des temperierten kanuns, hat seit den 1990er Jahren neun Prototypen nach einem eigenen Stimmungs-System konzipiert, in dem zum ersten Mal alle Intervalle auf reinen pythagoräischen und harmonischen Teilungs-Verhältnissen beruhen. Ihre Saitenzüge sind nach einer exakten pythagoräisch-heptatonischen Skala gestimmt, die sich in ihren Tonstufen aus pythagoräischen Limmas (256/243) und reinen Ganztönen (9/8) ableitet und nirgendwo den abstrakten temperierten Halbton (100 cents) enthält. Auf jedem Zug werden fünfzehn verschiedene mandal-Positionen (0-14) durch zweimal die pythagoräische Apotome 2187/2048 (113.69 cents) eingeschlossen. Die beiden jüngsten Prototypen erweitern außerdem den Tonumfang um eine zusätzliche Oktave nach unten, auf insgesamt 33 Saitenzüge oder vier Oktaven und eine Quinte. Durch die Kombination theoretischer und akustischer Beweggründe mit seiner praktischen Erfahrung wurde es Weiss dadurch ermöglicht, mit Musikern in unterschiedlichen lokalen Traditionen zusammenzuspielen. [1]

Eine vom Kanun rückentwickelte Kastenzither mit halbierter Saitenanzahl ist der im Iran und Nordwestindien gespielte Santur und das Surmandal, ein in Nordindien nur zur Gesangsbegleitung verwendetes Borduninstrument.

Literatur

  1. Pohlit, Stefan: Julien Jalâl Ed-Dine Weiss: A Novel Tuning System for the Middle-Eastern Qānūn. Ph.D. Thesis, 2011. 2011. Abgerufen am 8. September 2011.

Weblinks

 Commons: Kanun – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Türkisches Kanun:


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kanun — Der Begriff Kanun steht für ein Musikinstrument, siehe Kanun (Musik) den thailändischen Namen der Frucht des Jackbaumes, siehe Jackfrucht ein vom osmanischen Sultan erlassenes Gesetz ein albanisches Gewohnheitsrecht, siehe Kanun (Albanien) einen… …   Deutsch Wikipedia

  • Kanun-e Parvaresh — Logo des IIDCYA Kanun e Parvaresh wurde im Januar 1965 (1344) als gemeinnützige Organisation gegründet. Der vollständige Name der Organisation lautet Kanun e Parvaresh e Fekri e Kudakan va Nojavanan persisch ‏کانون پرورش فکری کودکان و… …   Deutsch Wikipedia

  • Musik der Türkei — Die Türkei ist ein Land an der Ostküste des Mittelmeers und ist Kreuzungspunkt der Kulturen Europas, Nordafrikas, des Nahen Ostens, des Kaukasus und Süd und Zentralasiens. Das hat sich auf die Musik der Türkei ausgewirkt und ihr eine große… …   Deutsch Wikipedia

  • Türkische Klassische Musik — Die türkische Kunstmusik (Türk sanat müziği, abgekürzt TSM; im engeren Sinne auch: Klâsik Türk Mûsikîsi „Türkische Klassische Musik“, Saray Mûsikîsi „Palast Musik“) ist einer der zwei Hauptzweige der türkischen Musik; sie ist zu unterscheiden von …   Deutsch Wikipedia

  • Türkische Musik — Die Türkei ist ein Land an der Ostküste des Mittelmeers und ist Kreuzungspunkt der Kulturen Europas, Nordafrikas, des Nahen Ostens, des Kaukasus und Süd und Zentralasiens. Das hat sich auf die Musik der Türkei ausgewirkt und ihr eine große… …   Deutsch Wikipedia

  • Klassische arabische Musik — Musiker aus Aleppo (18. Jahrhundert) Der Ausdruck klassische arabische Musik bezeichnet die traditionellen Musikformen der Völker der arabischen Welt: der Maghrebstaaten, Ägyptens und der arabischen Halbinsel. Der Blick auf die arabische Region… …   Deutsch Wikipedia

  • Arabisch-andalusische Musik — Die Laute stammt aus dem arabischen Kulturkreis. Druck aus dem Jahre 1568 Arabisch andalusische Musik (arabisch moussiqua al âla) ist eine Stilrichtung arabischer Musik, die in ganz Nordafrika verbreitet ist. Sie hat sich aus der in Andalusien… …   Deutsch Wikipedia

  • arabische Musik — arabische Musik,   ursprünglich die Musik auf der Arabischen Halbinsel. Aufgrund zeitweiliger staatlicher Einheit und der religiösen Gemeinsamkeit steht sie in engem Zusammenhang mit den Traditionen der islamischen Länder Nordafrikas und des… …   Universal-Lexikon

  • spanische Musik. — spanische Musik.   Erste Zeugnisse sind durch röm. Geschichtsschreiber sowie durch Musik und Tanzdarstellungen auf Vasenbildern überliefert. Die seit der Antike einander folgenden Besetzungen der Iberischen Halbinsel oder einzelner Gebiete durch… …   Universal-Lexikon

  • Sephardische Musik — Gemälde: Jüdische Hochzeitsmusik in Marokko. 19. Jh. Sephardische Musik ist die den sephardischen Juden eigene Musik, Sepharden sind mit den Aschkenasim und Mizrahim eine der drei ethnischen Hauptzweige der Diaspora Juden. Die Sepharden, waren… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”