Karl Jatho

Karl Jatho

Karl Jatho (* 3. Februar 1873 in Hannover; † 8. Dezember 1933 ebenda) war ein deutscher Flugpionier und einer der ersten Menschen, die einen motorisierten Flug durchgeführt haben sollen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bevor er seine Flugleidenschaft entdeckte, machte sich Karl Jatho an der Seite seiner Schwester als Hochradakrobat einen Namen. Als Inspektor im technischen Revisionsbüro der Stadtverwaltung in Hannover baute Jatho 1896 in seiner Freizeit seinen ersten Gleitflieger in einem Schuppen am Stadtrand. Unbefriedigt von seinem Erstflug und beunruhigt durch den tödlichen Absturz Otto Lilienthals im selben Jahr nahm er ständige Verbesserungen an seinem Fluggerät vor.

Am 18. August 1903, vier Monate vor dem ersten Motorflug der Gebrüder Wright, aber mehr als zwei Jahre nach dem angeblichen Motorflug von Gustave Whitehead, führte er angeblich einen Motorflug in der Vahrenwalder Heide bei Hannover durch, der „von vier Augenzeugen notariell bestätigt“ wurde. Sein Flugzeug, ein Doppeldecker mit einem französischen 12-PS-Einzylinder-Benzinmotor von Buchet, 272 kg Leergewicht[1] und 36 m² Flügelfläche ohne Flügelprofil, soll etwa 20 Meter weit und knapp 30 cm über dem Boden geflogen sein. Möglicherweise verbesserte er diese Leistung drei Monate später mit einem 80 Meter langen Flug in einer Höhe von 2,70 m.

Weitere von ihm entworfene Flugzeugmodelle waren der Doppeldecker-Gleiter Jatho 2 aus dem Jahr 1907 sowie die „Stahltaube“ von 1911, mit der Jatho im selben Jahr als erster um Hannover flog.

In den von ihm am 26. November 1913 gegründeten Hannoverschen Flugzeugwerken entstanden weitere, verbesserte Flugzeugmodelle. Seiner Firma sowie der von ihm gegründeten Fliegerschule war jedoch kein Erfolg beschieden. Nachdem das Militär kein Interesse zeigte, wurden beide 1914 geschlossen.

Karl Jatho selbst hielt den Motor, den er beim Erstflug seines Doppeldeckers verwendete, für zu schwach für einen fortgesetzten Motorflug. Die erreichte Flughöhe sei zu gering und möglicherweise nur durch das Absenken des überflogenen Geländes bedingt gewesen.

Sein Grab befindet sich auf dem Stadtfriedhof Engesohde in Hannover.

Gedenken und Flughafen

Gedenkstein für Jatho nahe seinem früheren Flugfeld

Ein Nachbau von Jathos „Motordrachen Nr. 2“ wurde Mitte 2006 fertiggestellt. Der Arbeitskreis Technik und Industriegeschichte (AkTiG) in der Region Hannover war Initiator des Projekts und hat die „Haus & Grund-Bürgerstiftung“ für die Finanzierung des Nachbaus gewinnen können, der in der im Oktober 2008 eröffneten ständigen Luftfahrt-Ausstellung im Flughafen zu sehen ist.

In Hannover, auf der nördlichen Seite des Mittellandkanals, zwischen Reiterstation und Lister Bad errichtete der Arbeitskreis Stadtteilgeschichte List 2006 einen Gedenkstein für Jatho. Der Stein steht auf der früheren Vahrenwalder Heide, auf der sich heute Kleingärten befinden. Anfang des 20. Jahrhunderts war hier das Flugfeld, auf dem Jatho seine Flugversuche unternahm. In diesem Bereich legte er eine 180 m lange Startbahn an und errichtete 1897 einen Hangar mit Werkstatt. Aus diesen Anfängen entwickelte sich im Laufe der Zeit der 122 ha große Flughafen Hannover-Vahrenwald, der bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Betrieb war. Erst danach entstand der Flughafen Hannover-Langenhagen.

Kritik

Der „Jatho-Drachen“ vor dem Start auf der Vahrenwalder Heide im Norden Hannovers, 1903

Jathos Flugleistungen von 1903 und eine hohe Bewertung seines Beitrags zur Flugzeugentwicklung sind nicht unumstritten. Wie das Bild der Original-Maschine vermuten lassen muss, verzichtete Jatho nicht nur weitgehend auf eine auftriebsverbessernde Profilwölbung seiner Tragfläche, er bespannte auch lediglich die Unterseite mit Stoff. Das Holzleisten-Stützgerüst der Tragfläche lag auf der Oberseite der Bespannung offen in der Luftströmung. Leisten auf der Flügeloberseite könnten aber wie ausgefahrene Störklappen wirken. Aerodynamisch war Jatho nicht auf dem Wissensstand anderer Flugpioniere seiner Ära und sogar weit hinter Otto Lilienthal zurückgefallen, die das Prinzip der Auftriebserzeugung sehr gut verstanden hatten[2] und bereits vor 1903 in Gleitflügen von Hügeln zumindest die Wirksamkeit ihrer Tragflächen bewiesen[3].

Ein für den 3. September 2006 angekündigter Flugversuch des Nachbaus von 2006, um die Flugfähigkeit der Konstruktion zu beweisen, wurde wegen ungünstiger Wetterbedingungen abgesagt und seitdem noch nicht durchgeführt (Stand: Januar 2008).[4]

Literatur

  • Gunter Hartung: Tüftler und Querdenker: Ein Plädoyer für Karl Jatho aus Hannover, Leuenhagen & Paris, Hannover, 2009, ISBN 3923976674
  • Wolfgang Leonhardt: Karl Jathos erster Motorflug 1903. Books on Demand, Norderstedt 2002, ISBN 3-8311-3499-5
  • Otto Lilienthal: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Steffen, Friedland 2003, ISBN 3-9809023-8-2 (Reprint der Originalausgabe Berlin 1889, http://www.lilienthal-museum.de/olma/6.htm Inhalt und einige Kapitel).
  • Theo Oppermann: Ikaros lebt! Die Lebensgeschichte eines Deutschen: Karl Jatho der erste Motorflieger der Welt. 1933, Verlag Oppermann & Leddin, Wunstorf, 1. Tausend.

Film

  • Sorry Mister Wright - Der Flugpionier Karl Jatho. Dokumentarfilm, Deutschland, 2006, 45 Min., Buch und Regie: Gunter Hartung, Produktion: NDR, Filminformationen vom NDR
  • Wir waren die Ersten - Die Luftfahrt begann in Hannover. Dokumentarfilm, Deutschland, 2009, 45 Min., Buch und Regie: Gunter Hartung, Produktion: TWA-Film (englische Version: Made in Hannover - German Aviation Pioneer Karl Jatho took off ahead of Orville Wright. Dokumentary Germany, 2010, 45 min. Script/Director: Gunter Hartung, TWA-Film Production)

Einzelnachweise

  1. Projekt Jatho: Neuer Startversuch
  2. s. Lilienthal, Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst
  3. s. Lilienthals „Praktische Versuche“ ab 1891 oder den Wright „Doppeldecker-Gleitapparat“ von 1902
  4. Chronologie des Jatho-Motordrachen-Nachbaus

Weblinks



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