Karl Kramár

Karl Kramár
Karel Kramář

Karel Kramář (* 27. Dezember 1860 in Vysoké nad Jizerou; † 26. Mai 1937 in Prag) war ein tschechischer und tschechoslowakischer Politiker, erster Ministerpräsident der Tschechoslowakei, Vorsitzender der tschechoslowakischen nationaldemokratischen Partei und Vorsitzender der nationalen Vereinigung.

Leben

Kramář studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Prag, Berlin und Paris und promovierte zum Doktor der Rechte. Nebenher war er schriftstellerisch tätig und gründete die Zeitung „Čas“. Er schloss sich bald den Jungtschechen an und kandidierte für diese bei den Reichsratswahlen 1891, wo er im Wahlkreis Deutschbrod (heute Havlíčkův Brod) gewählt wurde. Später vertrat er die Prager Neustadt („Nové Město“) im Wiener Reichsrat. Ab 1901 war er Klubobmann der jungtschechischen Fraktion, seit 1907 bekleidete er zudem das Amt eines Vizepräsidenten des Reichsrates.

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs geriet Kramář mehr und mehr in scharfe Opposition zur Habsburgermonarchie und trat für eine Unabhängigkeit der Tschechen und Slowaken ein. Im Mai 1915 wurde er, wiewohl als Abgeordneter eigentlich immun, von den Behörden verhaftet und des Hochverrats angeklagt, wobei ihm auch seine Ehe mit einer Russin zur Last gelegt wurde. In einem Prozess vor einem Militärgericht wurde Kramář zum Tod verurteilt, doch wurde das Urteil nicht vollstreckt. 1917 wurde Kramář im Zuge einer Amnestie aus der Haft entlassen, und er nahm seine politische Tätigkeit wieder auf.

Im Sommer 1918 bildeten die tschechischen Abgeordneten des Reichsrates einen eigenen Nationalausschuss (Narodní výbor československý), an dessen Spitze Kramář gewählt wurde. Wenige Monate später, Ende Oktober, bildete er eine eigene tschechoslowakische Regierung und proklamierte die Unabhängigkeit seiner Heimat von Österreich. Als Premierminister der „Tschechoslowakischen Republik“ leitete er zudem die Wahl des Staatsoberhaupts, in welches Amt Tomáš Garrigue Masaryk berufen wurde. Mit seinem Außenminister Edvard Beneš nahm Kramář an den Pariser Friedensverhandlungen teil, bei denen der Tschechoslowakei nicht nur die Sudetengebiete, sondern auch die Karpatenukraine zugesprochen wurden. Wiewohl Kramář also am diplomatischen Parkett erfolgreich gewesen war, musste er im Juni 1919 bei den ersten Wahlen zu einem tschechoslowakischen Parlament eine schwere Niederlage hinnehmen, landete seine Partei doch hinter Sozialdemokraten und der Agrarpartei nur auf Rang drei. Anfang Juli 1919 trat Kramář daher als Premierminister zurück. Spätere Versuche, wieder an die Regierung zu gelangen, scheiterten ebenso wie sein Versuch, 1935 zum Nachfolger Masaryks gewählt zu werden.

Literatur

  • Andreas P. Pittler: Karel Kramář - Aus der Zelle in die Regierung. In: Andreas P. Pittler (Hrsg.): Von der Donaumonarchie zum vereinten Europa. 20 Reichsratsabgeordnete, die Geschichte schrieben. Verlag Wieser, Klagenfurt 2003, ISBN 3-85129-409-2.
  • Martina Winkler: Karel Kramář (1860−1937). Selbstbild, Fremdwahrnehmungen und Modernisierungsverständnis eines tschechischen Politikers. Verlag Oldenbourg, München 2002, ISBN 3-486-56620-2.

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