Karl-Ferdinands-Universität

Karl-Ferdinands-Universität
Siegel der Karl-Ferdinands-Universität

Die Karl-Ferdinands-Universität war die deutsche Universität in Prag, die, ursprünglich 1348 von Karl IV. gegründet, 1654 erweitert und auch nach Ferdinand III. umbenannt, als eigenständige Institution seit der Aufteilung von 1882 neben der tschechischen Karls-Universität bis 1945 bestanden hat.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Die Universität in Prag, die älteste Universität nördlich der Alpen und östlich von Paris, wurde 1348 von Karl IV. gegründet und war geraume Zeit die einzige Universität des römisch-deutschen Reiches. Prag war schließlich eine der größten europäischen Städte des Mittelalters. Die Universität hatte, anhand erhaltener Hörerlisten, am Anfang des 15. Jahrhunderts bereits über 10.000 eingeschriebene Studenten, wobei 3/4 der Studenten Deutsche und 1/7 Tschechen waren. Entsprechend paritätisch waren die Stimmenverhältnisse im Senat.

Der Streit um die Lehre des John Wyclif und des Papstschisma führte zu den ersten nachhaltigen Spannungen. Dabei ging es um die Frage nach der Anerkennung des Papstes, der auf dem Konzil von Pisa gewählt worden war. Die ausländischen, vornehmlich deutschen Professoren, überstimmten den Reformator Jan Hus. Sein Mitstreiter Hieronymus von Prag setzte daraufhin bei König Wenzel IV. 1409 das Kuttenberger Dekret durch, welches den Tschechen ebenso viel Stimmen sicherte, wie zuvor die anderen drei Nationen zusammen; die „ausländischen“ Nationen sind nur noch mit einer Stimme vertreten. Die Universität war nach den vier „Nationalitäten“ Bayern, Sachsen, Polen und Böhmen gegliedert. Die Tschechen erklärten sich zusammen mit König Wenzel für neutral, während die anderen Nationen zusammen mit Erzbischof Sbinko an Gregor XII. festhielten. Diese Reform der Universitätsverfassung per königlichen Dekret und die damit verbundene Zurücksetzung der Ausländer führte im Mai 1409 zum Auszug vieler fremder Studenten und Professoren aus der Prager Universität. Einige gingen in die Markgrafschaft Meißen, und gründeten die Universität Leipzig.

Infolge dieser Streitigkeiten büßte die Universität ihren Einfluss und Stellung in Europa ein; für Prag war es das Ende des „Goldenen Zeitalters“, das Karl IV. eingeleitet hatte. Kaiser Ferdinand III. vereinigt dann 1654 das Clementinum, die von den Jesuiten gegründet worden war und belebte damit die Universität aufs Neue. Ab diesem Zeitpunkt benennt sich die Prager Universität Karl-Ferdinands-Universität bzw. lateinisch Universitas Carolo-Ferdinandea. Ab dem 17. Jahrhundert setzte sich dann Deutsch mehr und mehr als Wissenschaftssprache durch und verwies das Latein auf dem zweiten Rang. Dies führte wiederum zu Spannungen mit den tschechischen Studenten, die hierin eine Benachteiligung ihrer Sprache sahen.

In dem Prager Pfingstaufstand von 1848 erstritten deutsche und tschechische Studenten die Einführung der tschechischen Sprache an der Karl-Ferdinands-Universität. Diese Zweisprachigkeit wird bis zur Universitätsspaltung erhalten.

Universitätsspaltung

Promotionsurkunde (70 × 51 cm) für Friedrich Hopfner (13. Januar 1905) von der deutschen Karl-Ferdinands-Universität

Um 1860 verlor Prag seine seit dem Mittelalter bestehende deutsche bzw. deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit. Dementsprechend verstärkten tschechische Politiker den Druck auf die k.k. österreichische Regierung in Wien mit der Forderung, an der Prager Universität eine konsequente Zweisprachigkeit einzuführen. In ihren Reihen wurde verlangt, die als Reichsanstalt gegründete Karlsuniversität in eine tschechische Landesuniversität umzuwandeln. Allerdings wurden 1863 von 187 Lehrveranstaltungen nur 22 in Tschechisch abgehalten und der Rest auf Deutsch.

Der Vorschlag von 1864, eine eigene tschechische Universität zu gründen, wurde von den tschechischen Professoren zurückgewiesen, da sie die Universitätstradition seit 1348 beanspruchten. Gleichzeitig wollten deutsche Hochschullehrer eine Tschechisierung der Prager Universität vermeiden. So kam man im Wiener Parlament 1881 zu der Übereinkunft, die Universität in eine tschechische und eine deutsche Hochschule aufzuteilen, was 1882 vollzogen wurde. Beiden Universitäten wurden die alten kaiserlichen Insignien und Archivalien zugesprochen. Bei dieser, wie auch bei der nachfolgenden Badenischen Sprachenverordnung, ging es um den österreichisch-tschechischen Ausgleich in Österreich-Ungarn.

Aufteilungsmodus

Die Größe der beiden Universitäten war 1890:

  • k.k. deutsche Karl-Ferdinands-Universität besaß 4 Fakultäten mit 146 Lehrern und 1483 Studenten,
  • k.k. böhmische Karl-Ferdinands-Universität besaß 3 Fakultäten mit 112 Lehrern und 2191 Studenten.

Gemeinsam teilten sie sich die klinischen und wissenschaftlichen Institute, wie auch die Bibliothek und den Botanischen Garten. Die deutsche Universität in Prag hatte zwar dem Gesetz nach den gleichen Status wie die tschechische Universität, hatte aber in Wirklichkeit vor allem materiell die ungleich besseren Ausgangsbedingungen. Die Institute, Kabinette und Bibliotheken sowie die Kliniken an den medizinischen Fakultäten waren nämlich anhand dessen aufgeteilt worden, für welche Universität sich die einzelnen Professoren entschieden hatten. Aufgrund der ungleichen Entwicklung vor der Teilung waren die Professoren zumeist Deutsche, die selbstverständlich an der deutschen Universität weiter lehren wollten. Was nichts anderes bedeutete, als dass die tschechische Universität in vielerlei Hinsicht von Grund auf neu errichtet werden musste.

Blüte der deutschen Hochschule

Ihre Blütezeit erlebte die deutsche Karl-Ferdinands-Universität vor dem Ersten Weltkrieg. Weltbekannte Wissenschaftler gehörten zu ihrem Lehrkörper: Wie etwa der Physiker und Philosoph Ernst Mach, der Indologe Moritz Winternitz, der Entdecker der Relativitätstheorie Albert Einstein. Aber auch unter den Studenten findet man prominente Persönlichkeiten, wie z. B. die späteren Schriftsteller Max Brod, Franz Kafka und Johannes Urzidil. Hauskorporation war der Universitäts-Gesang-Verein "Liedertafel der deutschen Studenten in Prag" (UGV, gegründet 1869), die heutige Prager Universitäts-Sängerschaft "Barden" (seit 1948 in München ansässig). Etliche Professoren (z.B. Ernst Mach) und Rektoren gehörten zu ihren Mitgliedern. Der Chor der Sängerschaft konnte in den Räumen der Universität proben und im deutschen Studentenheim wurden Räume zur Verfügung gestellt.

Für die Studenten war die "Lese- und Redehalle der deutschen Studenten in Prag", gegründet im Jahre 1848, ein wichtiger gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Mittelpunkt. So verfügte deren Bibliothek über 23.519 Bände aus allen Fachbereichen (Stand Februar 1885). Zur Benutzung durch die Vereinsmitglieder lagen aus: 248 wissenschaftliche Zeitschriften, 19 Tagesblätter politischen Inhalts, 49 periodische Blätter politischen Inhalts sowie 34 Unterhaltungsblätter, u.a. "Fliegende Blätter". (Stand 1885) Es wurden regelmäßig Vorträge wissenschaftlichen aber auch politischen Inihalts gehalten, sowie Feste, Commerse, Ausflüge und Bälle veranstaltet. [1]

Der Insignienstreit

Das Siegel der Universität; Zankapfel der Prager Universitäten

Schon im Herbst 1918, also noch vor der Gründung der ČSR, forderten tschechische Politiker von der deutschen Hochschule die Herausgabe der Universitäts-Insignien an die tschechische Universität. Mit den Insignien der Prager Universität sind die Gründungsurkunde von 1348, die aus dem 17. Jh. stammenden Zepter der vier Fakultäten und des Rektors, sowie dessen Amtskette gemeint. Der damalige Rektor der deutschen Universität, August Naegle, widersetzte sich diesen Forderungen jedoch energisch.

Gegen die folgende militärische Besetzung der deutschen Universitätsgebäude protestierte Naegle persönlich vor dem tschechischen Ministerpräsidenten Karel Kramář. 1909 hatte die tschechische Universität (Karlo-Ferdinandova univerzita) bereits 4300 Studenten, während an der deutschen Universität (Karl-Ferdinands-Universität) nur noch 1800 Studenten immatrikuliert waren. 1920 wurde die Lex Mareš erlassen, die nach ihrem Initiator, dem Professor der Physiologie František Mareš, benannt und bekannt wurde. Darin wurde bestimmt, dass die tschechische Universität die einzige Nachfolgerin der Ur-Universität sei. Sie benannte sich ab 1920 um in Karls-Universität, während die deutsche Universität diesen Zusatz Karls- aus ihrem Namen streichen sollte. Begründet wurde der Anspruch der tschechischen Universität damit, dass die Universität 1348 von Karl I. als König von Böhmen und eben nicht von Karl IV. als Kaiser des heiligen römischen Reiches gegründet worden war. Dass Karl die Hochschule als Reichsuniversität, d.h. in seiner Eigenschaft als der römisch-deutsche Kaiser, gegründet haben soll, wurde per Dekret als falsche Meinung ausgelegt.

Staatspräsident Tomáš Garrigue Masaryk erkannte aber, dass August Naegle die Insignien der Universität bis zum äußersten verteidigen würde. Bei der tschechoslowakischen Volkszählung von 1930 gaben noch 42.000 Prager Deutsch als Muttersprache an, sie lebten vor allem im Stadtzentrum (Stadtteile Altstadt und Kleinseite). So setzte erst nach August Naegles Tod im Oktober 1932 der Streit um die Insignien erneut ein. Der Auftakt war 1934 als das Hauptgebäude der Universität, das Carolinum, im Grundbuch der tschechischen Universität eingetragen wurde. Die nationalen Spannungen verschärften sich, obwohl einige Professoren der Karl-Ferdinands-Universität Mitglieder der tschechischen Regierung waren, wie z.B. Franz Spina, oder Robert Mayr-Harting. Der Rektor der Karls-Universität Karel Domin, erwirkte beim Unterrichtsministerium einen diesbezüglichen Erlass. Am 21. November 1934 wurde dem Rektor der Karl-Ferdinands-Universität Professor Grosser unterbreitet, dass er die Insignien an die tschechische Hochschule auszuliefern habe. Deren Senat entsandte darauf eine Abordnung zum Unterrichtsministerium, um zu protestieren.

Am Mittag des 24. November 1934 sammelten sich mehrere tausend Studenten der Karls-Universität vor dem deutschen Universitätsgebäude. Ihr Rektor Karel Domin hielt eine flammende Ansprache, und auf seinen Appell hin setzte die Menge zur Erstürmung an, während die Studenten der Karl-Ferdinands-Universität erbitterten Widerstand leisteten. Unter dem Eindruck dieser gewalttätigen Ausschreitungen entschloss sich der Rektor Grosser am darauf folgenden Tag, die Insignien zu übergeben, nachdem eine Übereinkunft, wie etwa die gemeinschaftliche Nutzung für beide Universitäten, von dem Senat der Karls-Universität kategorisch abgelehnt wurde. Der Insignienstreit von 1934 belastete das Verhältnis beider Hochschulen aufs Äußerste. Für die deutsche Minderheit in Tschechien war die Karl-Ferdinands-Universität der kulturelle, sprachliche und nationale Rückhalt, während für die tschechische Mehrheit der Besitz der Insignien den Anspruch auf eine homogene, nationale Identität symbolisierte.

Nach dem Münchener Abkommen im Herbst 1938 versagte die deutsche Universität dem tschechoslowakischen Staat ihre Loyalität, ihre Hochschullehrer wanderten in großer Zahl nach Deutschland und Österreich ab. Als schließlich die „Rest-Tschechei“ im März 1939 durch deutsche Truppen besetzt worden war, gab ein Vertreter des Reichsprotektors die Insignien der deutschen Hochschule am 30. August 1939 zurück. Als Reaktion auf Demonstrationen tschechischer Bürger und Studenten im Gefolge des tschechischen Nationalfeiertags am 28. Oktober ließ der Reichsprotektor Konstantin Freiherr von Neurath am 17. November 1939 neun angebliche Rädelsführer erschießen, und etwa 1.200 tschechische Studenten wurden im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert und erst 1942 wieder freigelassen. Alle tschechischen Hochschulen wurden am 17. November 1939, für vorerst drei Jahre, geschlossen. Sie wurden jedoch bis zum Kriegsende nicht wieder geöffnet. Auch wurden während der deutschen Besetzung jüdische Hochschullehrer und Studenten beider Universitäten verfolgt und viele ermordet.

Das Ende

Die Universitätsgebäude Karl-Ferdinands-Universität

1939 wurde die Deutsche Universität in Prag dem Reichserziehungsministerium unter Bernhard Rust in Berlin unterstellt und zu einer Reichsuniversität erklärt. Bis Kriegsende wurde einzig an dieser Universität in Prag (in deutscher Sprache) gelehrt, die offiziell in 'Deutsche Karls-Universität in Prag' umbenannt wurde. Zahlreiches Material und auch Gebäude der tschechischen Universität wurden der deutschen Universität zugeführt. Leiter des Studentenwerks war ab 1941 Hanns Martin Schleyer.

Beim Einmarsch der Roten Armee in Prag fielen der Verfolgung der Prager Deutschen allein 30 Professoren und zahlreiche Studenten der Universität zum Opfer. Mit dem Dekret Nr. 112 des Präsidenten Edvard Beneš der Tschechischen Republik vom 18. Oktober 1945 wurde die Auflösung der deutschen Universität verfügt, nachdem die (tschechische) Karls-Universität im Sommer wieder ihren Betrieb aufgenommen und ihre alten Plätze wieder eingenommen hatte. Zum Datum der Schließung der deutschen Universität wurde rückwirkend der 17. November 1939 erklärt, also genau jener Tag, an dem die tschechische Karls-Universität und andere tschechische Bildungseinrichtungen geschlossen worden waren. Damit fand die Existenz zweier, sich auf Karl IV. als Gründer berufenden Universitäten in Prag ihr Ende. 1948/49 gab es kurzzeitig Pläne für eine Wiederbegründung der Juristischen und der Philosophischen Fakultät der ehemaligen deutschen Karls-Universität in Augsburg, wohin es einige Professoren verschlagen hatte.

Personen

Bekannte Hochschullehrer Bekannte Studenten

Literatur

  • Knoblich, Hans Hubert: Bardengeschichte 1869-1969. München 1973.
  • Rösel, Hubert: Die deutsche Slavistik und ihre Geschichte an der Universität Prag
  • Jahresbericht der Lese- und Redehalle der deutschen Studenten in Prag. Vereinsjahr 1884-85. Prag 1885

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jahresbericht der Lese- und Redehalle der deutschen Studenten in Prag, Vereinsjahr 1885, Prag 1885

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