- Kathedrale St-Pierre
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Die Kathedrale Saint-Pierre in Poitiers im französischen Département Vienne (Region Poitou-Charentes) ist Sitz des Bischofs von Poitiers. Der, abgesehen von den Türmen aus dem 15. Jahrhundert in den Jahren von 1166 bis 1271 errichtete größtenteils gotische Dom mit beachtlichen Ausmaßen steht im Zentrum der Stadt und wurde 1912 zur Basilica minor. In seiner unmittelbaren Nähe ist das Baptisterium Saint-Jean zu finden.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Als man mit dem Bau der Kathedrale begann, vereinte die Diözese von Poitiers etwa 1200 Pfarreien. Zu diesem Zeitpunkt war Eleonore von Aquitanien 44 Jahre alt und schon seit über einem Jahrzehnt Königin von England. Im Jahr der Grundsteinlegung brachte sie ihr 10. Kind Johann Ohneland zur Welt und lebte auf ihrem Schloss zu Poitiers, das sie zu einem Zentrum des höfischen Lebens ausbaute.
Architektur
Die Errichtung begann wie gewöhnlich mit dem Chorhaupt, wurde mit dem Querhaus und dem Langhaus fortgesetzt und mit der Westfassade abgeschlossen. So wie bei vielen anderen Kirchenbauten Frankreichs entstanden die Doppeltürme sehr viel später.
Die verschiedenen Baukampagnen sind sowohl von außen als auch im Inneren der Kathedrale deutlich zu erkennen. Die frühen Gewölbe der beiden östlichsten Joche und des südlichen Querhausarmes sind mit dicken Steinsträngen unterlegt, jedoch handelt es sich noch nicht um statisch relevante Kreuzrippen da das wichtigste Element, nämlich der Schlussstein fehlt. Demzufolge ist auch die Wandgliederung hier noch ganz von der Romanik geprägt, was besonders an dem flachen Chorabschluss deutlich wird, wenn man ihn von außen betrachtet. Je weiter der Bau nach Westen fortschritt, um so feiner werden die Gewölberippen, während die Gestaltung der Seitenwand die Formen der Hochgotik annimmt. Bis zu dieser Bauphase können wir von einem regionalen poitevinischen Stil sprechen wie er nachstehend erläutert wird.
Das Westwerk, das zum größten Teil aus dem zweiten Drittel des 13. Jahrhunderts stammt, ist dahingegen von den Fassaden der gotischen Kathedralen der Île-de-France und ihrer Umgebung beeinflusst, wie beispielsweise jener der Notre-Dame de Paris (1200–1250). Deren Dreiportalanlagen zeichneten sich, im Gegensatz zu den romanischen poitevinischen Modellen durch die Gegenwart eines Tympanons oder Bogenfeldes aus, eine Form, die für die großzügig gestalteten Portale der Kathedrale von Poitiers übernommen wurde. Die Bogenfelder zeigen im mittleren Portal im unteren Register die Auferstehung der Toten, darüber die Seligen und die Verdammten, ganz oben Jesus als Weltenrichter, im linken Portal Mariae Himmelfahrt und Krönung, im rechten Portal den ungläubigen Thomas. Die Gewände verloren ihre Statuen während der französischen Revolution. Die prächtige Fensterrose über den Portalen blieb erhalten.
Der Innenraum dieser für das Poitou typischen sogenannten pseudobasilikalen Hallenkirche gehört nicht zu den bedeutendsten der französischen Gotik, besticht aber durch seine immensen Ausmaße von fast 100 Metern Länge bei einer Höhe von 27 Meter. Dieser Bautyp trat im Poitou erstmals in romanischen Bauten des 11. Jh. auf und wurde hier in der Kathedrale St. Pierre für einen gotischen Bau übernommen.
Im Unterschied zur Basilika liegen die Kirchenschiffe des Langhauses einer Hallenkirche auf gleicher oder annähernd gleicher Höhe, so dass eines der Merkmale dieses Bautypus das Fehlen des Obergadens ist: die Seitenwand des Mittelschiffes steigt über die volle Höhe bis zum Gewölbe auf. Der Lichteinfall erfolgt also nicht, wie bei dem deutlich erhöhten Mittelschiff der Basilika durch eine selbständige Fensterzone von oben, sondern nur von den Seiten. Gegenüber der Achsenbezogenheit der Basilika ergeben sich in der Halle durch Schrägansichten oft die schönsten Durchblicke und Raumbereicherungen.
Die Kunstgeschichte spricht von einer pseudobasikalen Hallenkirche (auch Pseudobasilika oder Stufenhalle), wenn die Wandgliederung des Hauptschiffes eine Zwischenform zwischen der Basilika und der Hallenkirche darstellt, das heißt, das Mittelschiff über die Seitenschiffe aufsteigt, aber keinen Obergaden besitzt. Obwohl das Licht ausschließlich von der Seite einfällt, lässt sich damit auch ein großer Innenraum hinreichend beleuchten, allerdings trug dieser Bautyp zu der Entwicklung immer höherer Fenster bei, die schließlich – verbunden mit statischen Erneuerungen – in den großen Maßwerkfenster der Gotik gipfelten.
Gemäß einer hypothetischen Theorie von Harald Keller soll die Form der Hallenkirche im Allgemeinen von denjenigen abendländischen Kulturlandschaften aufgegriffen worden sein, deren Bewohner einen bedächtigen und ausgewogenen, kurzum einen harmonischen Stammescharakter besäßen was angeblich sowohl für das Poitou, als auch für Westfalen, Schwaben und Österreich gelte [1].
Eine Besonderheit ist das im dritten Joch des Mittelschiffes in Augenhöhe in die südliche Seitenwand gemeißelte Wandlabyrinth von knapp einem Meter Durchmesser. Ob es sich dabei um den Plan eines früher im Boden der Kirche vorhandenen aber verlorengegangenen Labyrinthes handelt ist nicht geklärt. Interessant zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass als Ort für das Bodenlabyrinth in anderen Kirchen häufig das dritte Joch gewählt wurde.
Fenster
Von überragender Bedeutung sind die verbleiten Buntglasfenster des Chores und des Querhauses: es handelt sich größtenteils um Originale aus dem 12. und 13. Jahrhundert.
Besonders bemerkenswert ist das Fenster der Apsis, das auf die zweite Hälfte des 12. Jahrhundert datiert wird und damit eines der frühesten in Frankreich erhaltenen Buntglasfenster ist, nach verschiedenen Quellen sogar das früheste erhaltene des Christentums. Für das frühe Erschaffungsdatum hat es außergewöhnliche Ausmaße (8,35 m x 3,10 m). Das Meisterwerk der Glasmacherkunst, nach dem zentralen Motiv auch „Kreuzigungsfenster“ genannt, ist in drei Hauptregister untergliedert, die von unten nach oben die Martyrien der Namensgeber der Kirche Petrus und Paulus, darüber Jesus am Kreuz und ganz oben die Himmelfahrt Christi zeigen. Dargestellt sind ebenfalls die Auferstehung Christi (unter der Kreuzigungsszene), das leere Grab, auf das ein Engel hinweist (links) und, am Fuß der Komposition, König Heinrich II. von England und seine Gattin Eleonore von Aquitanien.
Der französische Staat übernahm die Finanzierung der im Dezember 2004 von den Spezialisten der Werkstatt Barthe-Bordeau durchgeführten kompletten Restaurierung des Meisterwerkes. Die Kosten beliefen sich über 170.000 Euro.
Mobiliar und Domschatz
Die Kathedrale Saint-Pierre besitzt eine der schönsten Orgeln Frankreichs. Sie stammt aus der Werkstatt des Hoforgelbauers François-Henri Clicquot (1732–1790), der im Jahr 1787 einen entsprechenden Auftrag des Domkapitels in Empfang nahm. Erst 1791, ein Jahr nach seinem Tod, nahm das Instrument, eine der beiden letzten „großen“ französischen Orgeln des 18. Jahrhunderts in Frankreich, seinen heutigen Platz in der Kathedrale ein. Es seht seit 1908 unter Denkmalschutz und wurde in den Jahren von 1988 bis 1994 auf Kosten des französischen Staates restauriert. Gegenwärtig sind die beiden Titularorganisten Jean-Baptiste Robin und Olivier Houette (2007).
Das Chorgestühl, von dem angenommen wird, dass es ein Geschenk des Bischofs Jean de Melun (Bischof von 1235 bis 1257) war, gehört zu den ältesten in Frankreich erhaltenen Werken dieser Art, wenn es nicht sogar, wie andere Quellen angeben, sogar das älteste ist. Von den ursprünglich vorhandenen Stallen (Chorstühlen) sind auf jeder Seite der Chorschranke nur noch 37 vorhanden. In der hohen Dorsale (Rückenwand) sind die Zwickel einer Bogenreihe mit religiösen und profanen Motiven von außerordentlich großer Vielfalt ausgestaltet. Sie zeigen unter anderem die Jungfrau, Engel, Tiere, Fabeltiere und Szenen aus dem alltäglichen Leben.
Das sonstige früher vorhandene Kirchenmobiliar fiel im 18. Jahrhundert der Zerstörungswut der Revolutionäre zum Opfer. Es wurde nach der Revolution ersetzt durch Gegenstände, die aus den während der Revolution zerstörten Klöstern und Abteien der Umgebung stammen. Der barocke Marmoraltar (Ende 17. Jh.) der mittleren Apsis kommt aus der Benediktinerabtei La Trinité, der große hölzerne Retabel (17. Jh.) des südlichen Querhauses aus dem Dominikanerkloster [2], jener aus Eichenholz (18. Jh.) des nördlichen Querhausarmes aus einem Kapuzinerkloster, sein Tabernakel (1700–1701) aus einem Karmelitenkloster. Eine Kanzel und ein Beichtstuhl (beide 18. Jh.), Gemälde und Statuen (16./17. Jh.) vervollständigen das Mobiliar der Kathedrale.
Der Domschatz mit Kult- und Kunstgegenständen (12./17. Jh.) wird im südlichen Fassadenturm ausgestellt.
Siehe auch
- Liste von Kathedralen und Domen (Frankreich)
Literatur
- Thorsten Droste: Das Poitou, Köln, 1984, 4. Auflage 1990, S. 79–80, Abb. 7, 10, 11
- Marcel Durliat: Romanische Kunst, Freiburg-Basel-Wien, 1983, Farbtafel 155
- Harald Keller: Die Kunstlandschaften Italiens, 1960, Frankfurt a.M. 1983, S. 392
Weblinks
- Die Kathedrale von Poitiers auf einer Seite der Association Parvis (französisch)
- Die Kathedrale von Poitiers – Das Wandlabyrinth auf einer Seite der Diözese (französisch, bebildert)
- Die Kathedrale von Poitiers – Das Kreuzigungsfenster auf einer Seite der Diözese (französisch, bebildert)
- Die Kathedrale von Poitiers – Die Clicqot-Orgel auf einer Seite der Diözese (französisch)
Fußnoten
46.58050.3493Koordinaten: 46° 34′ 49,8″ N, 0° 20′ 57,5″ O
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