Kathedrale von Angoulême

Kathedrale von Angoulême
Blick von Osten auf das Chorhaupt

Die Kathedrale St. Pierre in Angoulême im westfranzösischen Département Charente (Region Poitou-Charentes) ist ein in den Jahren 1105 bis 1128 im Stil der Spätromanik errichteter Sakralbau. Diese in sehr kurzer Zeit errichtete Kathedrale ist ein typisches Beispiel der aquitanischen Kuppelkirche.

Sie ist Sitz des römisch-katholischen Bistums Angoulême. Das Kulturdenkmal wurde im Jahr 1840 als Monument historique klassifiziert.

Inhaltsverzeichnis

Architektur

Westfassade
Aufriss und Strebewerk

Fassade

Der Bau der Kathedrale begann, im Gegensatz zu der üblichen Kirchenbauweise mit der Errichtung der Fassade, die für die Geschichte der romanischen Plastik in Westfrankreich von Bedeutung ist. Allerdings hat sie durch eine im 19. Jahrhundert von Paul Abadie durchgeführte Restaurierung gelitten. Dazu schrieb Marcel Durliat, einer der renommiertesten Kenner der romanischen Kunst in Frankreich: „Paul Abadie hat die Westfassade genauso pietätlos behandelt [wie den Innenraum]. Mit prächtiger Ungeniertheit hat Abadie hier nachgeschnitten, dort vervollständigt, ein Mittelportal rekonstruiert, das ihm unbekannt war, und besonders das ganze durch eine vollkommen unpassende Bekrönung kopflastig gemacht.“ [1]

Die Fassade ist eine mehrgeschossige, durch fünffache Bogenstellung aufgeteilte Schauwand mit reichem figürlichem und ornamentalem Skulpturenschmuck. Die 75 abgebildeten Personen stellen insgesamt das Jüngste Gericht dar. Dieses Thema wurde deshalb an den Westfassaden der Kirchen so häufig dargestellt, weil hier auch tatsächlich Gericht gehalten wurde.

Die zentrale Szene zeigt Christus in der Mandorla direkt über dem Mittelfenster, umgeben von den Evangelistensymbolen. Der Adler links oben ist das Symbol des Johannes, der Engel rechts oben steht für Matthäus. Der geflügelte Löwe links unten stellt Markus dar und das geflügelte Rind rechts daneben den Lukas.

Darunter erscheinen sechs Engel, vier kleinere in der Mitte, die ihre Blicke nach oben wenden auf Christus und die Apostel, zwei größere an den Seiten, die nach unten schauen. In der Kunst der damaligen Zeit war nicht die Darstellung der Natur entscheidend, sondern Gestik und Dramatik, das Verhältnis der Personen zueinander, erkennbar vor allem an der Blickrichtung.

Die Blickrichtung der einzelnen Figuren ist für das Verständnis der gesamten Schauwand wichtig. Nur die Erlösten sehen auf Christus, die Verdammten nach unten oder zur Seite.

Diese vielfigurige Kernszene, die sich auf der Fassade über mehrere Etagen ausbreitet, ist durchsetzt von eine Unzahl dekorativer Elemente, so dass man fast den Eindruck hat, alles das, was in der Kunstgeschichte bisher überhaupt an Dekorationsformen erfunden worden ist, sei hier wie in einem Lexikon zusammengestellt.

Innenraum

Blick auf den Chorraum
Blick in die Kuppel
Blick auf die Kanzel

Das Langhaus setzt sich aus drei aufeinanderfolgenden mit Kuppeln überwölbten Jochen zusammen, eine für diese Region typische Bauform, die nach dem bedeutendsten Bau dieser Gruppe in Périgueux die „Périgord-Schule“ genannt wird. Diese Kuppelkirchen haben keine Seitenschiffe und keinen Chorumgang, dafür aber häufig auch Kuppeln über den Querhäusern.

Man nimmt zum Teil an, dass hier im Périgord das sonst übliche Tonnengewölbe deshalb aufgegeben oder erst gar nicht angewandt worden ist, weil die Baumeister nicht wussten, wie man es abstützen konnte. Möglicherweise sind dieser Haltung negative Erfahrungen mit eingestürzten Gewölben wie in Cluny III vorausgegangen – dieser Erklärungsversuch scheint jedoch recht unwahrscheinlich, da die hier eingesetzten Kuppeln ein höheres Maß an architektonischen Fähigkeiten voraussetzen.

Eine andere Theorie vermutet dagegen - da diese Bauten der „Périgord-Schule“ kurz nach dem ersten Kreuzzug entstanden sind - dass sie ihnen östliche Vorbilder zugrunde liegen, allerdings nicht islamische, sondern byzantinische. Das Planschema dieses Baus geht auf die ehemalige Apostelkirche in Konstantinopel zurück, welche Justinian I. als kaiserliches Mausoleum hatte erbauen lassen. Diese Apostelkirche war auch das Vorbild des 1063 begonnenen Neubaus der Markuskirche in Venedig. Ob Angoulême und das benachbarte Périgueux unmittelbar von Byzanz oder erst durch Venedig angeregt wurde, lässt sich heute nicht mehr entscheiden.

Und das byzantinische Vorbild – wenn es denn ein solches gewesen ist - wurde auch nicht einfach kopiert, sondern in mehrerer Hinsicht entscheidend abgewandelt. Der Grundriss hat die Form des griechischen Kreuzes, was deutlich auf byzantinischen Einfluss schließen lässt. Nicht byzantinisch ist dagegen die Längsreihung zu einer einschiffigen Anlage. Im byzantinischen Raum sind bei solchen Kuppelkirchen auch die Seitenschiffe gewölbt, um die Kuppeln des Mittelschiffes zu stützen. Hier in Frankreich übernehmen massive Mauern und Pfeiler diese Aufgabe. Die Innenräume wirken dadurch weniger lichtvoll als im Osten.

Die Organisation des Langhauses als Aufeinanderfolge von Kuppelräumen bedingt, dass die drei einzelnen Raumteile eine viel höhere Selbstständigkeit besitzen als in einem Langhaus mit durchlaufender Tonne als Gewölbe. Die Abstützung des großen Kuppelgewölbes sieht im Prinzip ähnlich aus wie die eines Vierungsturmes, was bedeutet, dass an den vier Ecken kräftige Pfeiler den Gewölbedruck aufnehmen müssen. Die Wand dazwischen wirkt wie eingespannt, der Raum wird durch diese Kuppeleinheiten bestimmt und es entwickelt sich nicht jene betonte Längsausdehnung, die wir aus vielen anderen Kirchen kennen.

Der saubere, fast schon klinische Eindruck dieser Kirche ist zwar nicht original, sondern das Ergebnis der Restauration des 19. Jhs., die ebenfalls Paul Abadie durchführte. Aber, wie aus alten Dokumenten hervorgeht, sah dieser Raum im Original auch schon so streng aus. Das war also offenbar die Absicht der damaligen Bauherren. Auch die Zisterzienser hatten ja in ihren Kirchen aus religiösen Gründen bewusst auf jeglichen Schmuck verzichtet.

Orgel

Orgel

Die erste Orgel wurde in den Jahren 1781-1783 von dem Orgelbauer Simon-Pierre Miocque (Paris) errichtet. Dieses Instrument wurde mehrfach umgebaut und erweitert. Das Instrument hat heute 55 Register auf drei Manualen und Pedal mit elektropneumatischen Trakturen.[2]

I Grand Orgue C–g3
1. Bourdon 16'
2. Montre 16'
3. Montre 8'
4. Principal 8'
5. Bourdon 8'
6. Flûte harmonique 8'
7. Prestant 4'
8. Flûte 4'
9. Nazard 22/3'
10. Doublette 2'
11. Quarte de nazard 2'
12. Tierce 13/5'
13. Grand Cornet V
14. Fourniture IV
15. Cymbale IV
16. Bombarde 16'
17. Trompette 8'
18. Clairon 4'
II Positif C–g3
19. Montre 8'
20. Bourdon 8'
21. Prestant 4'
22. Flûte 4'
23. Nazard 22/3'
24. Doublette 2'
25. Tierce 13/5'
26. Larigot 11/3'
27. Fourniture IV
28. Cymbale III
29. Cromorne 8'
30. Trompette 8'
31. Clairon 4'
III Récit expressif C–g3
32. Bourdon 16'
33. Principal italien 8'
34. Cor de nuit 8'
35. Gambe 8'
36. Voix céleste 8'
37. Prestant 4'
38. Flûte douce 4'
39. Flageolet 2'
40. Cornet V
41. Plein jeu IV
42. Hautbois 8'
43. Voix humaine 8'
44. Trompette 8'
45. Clairon 4'
Tremblant
Pédale C–g1
46. Soubasse 32'
47. Flûte 16'
48. Bourdon 16'
49. Bourdon 8'
50. Flûte 8'
51. Flûte 4'
52. Bombarde 32'
53. Bombarde 16'
54. Trompette 8'
55. Clairon 4'

Literatur

  • Marcel Durliat: Romanische Kunst, Freiburg-Basel-Wien 1983

Einzelnachweise

  1. Marcel Durliat, S. 485
  2. Nähere Informationen zur Orgel

Weblinks

 Commons: Cathédrale Saint-Pierre d'Angoulême – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


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