- Kuppel
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Als Kuppel (von lateinisch cupula „kleine Tonne“) bezeichnet man den halbkugel- oder glockenförmigen oberen Teil eines Raumes, der aus Steinen, Ziegeln oder in neuerer Zeit aus Beton und anderen Materialien gebildet wird. Die eigentliche Kuppel ist aber die aus keilförmigen Steinen zusammengesetzte Decke, die den teilweise oder ganz von Mauern umschlossenen Raum frei überspannt.
Kuppeln sind eine Sonderform des Klostergewölbes mit vieleckigem, kreisförmigem oder ovalem Grundriss – sie haben nur einen Scheitelpunkt und den ganzen Umfang ihres Grundrisses als Widerlager. Sie sind eine verbesserte Version der vorgeschichtlichen Kraggewölbe.
Kontinuierlich gekrümmte Kuppeln werden ingenieurmäßig zu den doppelt gekrümmten Schalen gezählt, segmentierte Kuppeln zu den Faltwerken.
Inhaltsverzeichnis
Bauformen
Neben dem Querschnitt bestimmt auch das Verhältnis zwischen (gedachtem) Kuppelgrundriss, dem Fußkreis, und Raumgrundriss die Form einer Kuppel. Kuppeln über einem rechteckigen Raum müssen entweder beschnitten oder ergänzt werden.
- Allgemeinste Form ist die Kuppel in Form einer Halbkugel. Wenn der Fußkreis der Kuppel die Ecken des Grundrisses berührt, wird die Schale von den Wänden senkrecht angeschnitten. Diese Form heißt Hängekuppel.
- Liegt der Fußkreis weiter außerhalb des Grundrisses entsteht eine Kalottenkuppel (Flachkuppel), die als Kugelkalotte flacher ist als eine Hängekuppel. Über einem quadratischen Grundriss entsteht aus ihr eine Böhmische Kappe auch Stutzkuppel oder Platzlgewölbe genannt. [1]
- Ist der Fußkreis der Kuppel dem Grundriss eingeschrieben (die Mauern als Tangenten), wird zwischen Mauern und eigentlicher Kuppel eine unvollständige Hängekuppel gesetzt, die waagerecht beschnitten ist und auf deren Schnittkante das Gewölbe ruht. Die vier Segmente der „Hilfskuppel“ heißen Pendentif, die Kuppelform danach Pendentifkuppel.
- Häufig wird zwischen Pendentifs und Kuppel ein Tambour geschaltet, eine zylinderförmige Mauer, die die Kuppel erhöht und oft mit Fenstern durchbrochen ist. Der Tambour, wie auch die anschließende Kuppel, können auch einen achteckigen Umriss annehmen.
- Anstelle von Pendentifs kommen mit gleicher Funktion auch Trompen und (besonders in der türkischen und indischen Architektur) türkische Dreiecke vor, die die Ecken nicht mit Kugel-, sondern mit Kegel-Segmenten bzw. Pyramiden ausfüllen.
Die Statik dieser Bauformen ist mit der von Kreuzgewölben vergleichbar, allerdings komplexer, da der Seitendruck nicht auf die Ecken wirkt.
Die Belichtung einer Kuppel erfolgt entweder durch das Opaion, das Auge, eine Öffnung im Schlussstein am Scheitel, die häufig durch ein durchfenstertes Türmchen, die Laterne überdeckt ist, oder durch Öffnungen im unteren Bereich der Schale. Bei Penditifkuppeln mit Tambour ist dieser meist durchfenstert, wodurch die Kuppel zu schweben scheint.
Geschichte
Vorformen der Kuppel mit spitzbogigem Kraggewölbe („falsche Gewölbe“) sind seit dem 7. Jahrtausend v. Chr. auf Zypern und später beispielsweise bei assyrischen, mykenischen und sardischen Nuraghen bekannt.
Eine falsche monolithische Kuppel hat das Mausoleum des Theoderich in Ravenna. Die ältesten echten Kuppeln mit Keilsteinen stammen aus der Zeit der Etrusker, Höhepunkte erreichte der Kuppelbau in der römischen Antike mit dem Pantheon in Rom (siehe Liste römischer Kuppeln) und im byzantinischen Reich mit der Hagia Sophia.
In der islamischen Baukunst, in der die Hagia Sophia zum Prototyp der Moschee wurde, erreichte der Kuppelbau große Formenvielfalt.
Der mittelalterliche Kirchenbau bevorzugte den (kreuz- oder tonnengewölbten) Longitudinal- vor dem Zentralbau und gab der Kuppelarchitektur nur über der Vierung gewisse Entfaltungsmöglichkeiten. Der kuppelgewölbte Zentralbau hielt sich aber beim Bautypus des Baptisteriums, bei den Nachbildungen der Grabeskirche in Jerusalem und bei Sonderfällen wie der Pfalzkapelle in Aachen und ihren Nachfolgebauten. Bedeutende Kuppelbauten des Mittelalters sind die Baptisterien von Parma (1196-1270), Cremona (ab 1176) und Florenz (11. /12. Jh., größter Kuppelbau des Mittelalters, Durchmesser 25,60 m), allesamt über polygonalem Grundriss. Das Baptisterium von Pisa (ab 1152) wurde mit einem Kegelgewölbe (ursprünglich mit offener Spitze) gedeckt, einer Sonderform. Die byzantinischen Kreuzkuppelkirchen setzten die Tradition der Kuppelwölbung fort, was sich in San Marco in Venedig spiegelt, von wo offenbar die Anregung zu den kuppelgewölbten Kirchen des Perigord (Périgueux, Angouleme, etc.) ausging.
Brunelleschis Kuppel des Domes von Florenz (1420-36, Durchmesser 45,52 m) markiert einen technischen Durchbruch und eine neue Dimension der Wölbkunst. Sie ist als doppelschalige Ziegelkuppel ausgeführt. Mit dem neuen Stil der Renaissance wird der Zentralbau und die monumentale Vierungskuppel mit Tambour zum neuen Ideal. Michelangelos Petersdom in Rom wirkt bis weit in das Barock hinein als Vorbild. Oft liegt nun die nach außen sichtbare Kuppel deutlich höher als die Innenraumkuppel.
Besonders im 18. und 19. Jahrhundert erhielten auch Profanbauten, vor allem Regierungsgebäude Kuppeln, wie der Reichstag in Berlin oder das Kapitol in Washington.
Bedeutende echte Kuppelbauten
- Für eine Liste der größten Kuppeln nach ihrem Durchmesser, siehe Liste der größten Kuppeln ihrer Zeit.
In der Reihenfolge ihrer Errichtung:
- um 50 v. Chr – sog. Merkurtempel (eigentlich Teil einer Therme), Baiae, Italien – Ø 21,50 m [2]
- 125 n. Chr. – das Pantheon, Rom, Italien – Ø 43,3 m
- 547 – San Vitale, Ravenna, Italien – Ø 16 m
- 563 – Hagia Sophia, Istanbul, Türkei – Ø 31 m
- 1067/68 und 1093 - Kharagan-Zwillingsgrabtürme, Qasvin, Iran
- 1227 – St. Gereon, Köln, Deutschland – Ø 21-16,90 m
- c. 1340 – Jama Masjid, Gulbarga, Indien – Ø 35 m
- 1434 – Santa Maria del Fiore, Florenz, Italien – Ø 42-45 m
- 1557 – Süleymaniye Moschee, Istanbul, Türkei – Ø 27,25 m
- 1575 – Selimiye-Moschee, Edirne, Türkei – Ø 31,3 m
- 1593 – Petersdom, Rom, Italien – Ø 42,34 m
- 1616 – Sultan-Ahmed-Moschee, Istanbul, Türkei – Ø 23,5 m
- 1659 - Gol Gumbaz, Bijapur, Indien - Ø 37,9 m
- 1708 – Saint Paul's Cathedral, London, England – Ø 34 m
- 1737 – Karlskirche, Wien – Ø 25 m
- 1743 – Frauenkirche, Dresden – Ø 26,15 m
- 1781 – Dom St. Blasius, Schwarzwald – Ø 36 m
- 1841 – Isaakskathedrale, Sankt Petersburg, Russland – Ø 26 m, Höhe 101,5 m
- 1863 – Kapitol (Washington), Washington, USA – Ø 29 m
- 1871 – Rotunda Santa Marija Assunta, Mosta, Malta – Ø 39 m
- 1894 – Frederiks Kirke (Marmorkirche), Kopenhagen, Dänemark – Ø 31 m
- 1913 – Jahrhunderthalle (Breslau), Breslau, Polen – Ø 65 m
- 1913 – „Betonhalle“, Leipzig, Deutschland – Ø 32 m
- 1926 – Planetarium Jena, Jena, Deutschland – Ø 25 m
- 1929 – Markthalle Basel, Basel, Schweiz – Ø 60 m
- 1929 – Großmarkthalle (Leipzig), Leipzig, Deutschland – Ø 66 m [3][4]
- 1963 – Jahrhunderthalle (Frankfurt), Frankfurt am Main, Deutschland – Ø 86 m
- 1975 – Louisiana Superdome, New Orleans, Louisiana, USA – Ø 207,3 m
- 1978 – Xewkija, Malta – Ø 27 m
- 1989 – Stockholm Globe Arena – Ø 110 m
- 1999 - The O₂ - Ø 320 m
- 2000 – Eden Project in Cornwall, England – Ø 125 m
Durch die Verwendung von Stahlbeton und Stahlgerüsten können moderne Kuppeln (Schalentragwerke) in weit kühneren Formen und mit größerer Spannweite gebaut werden als Stein- oder Ziegelkonstruktionen. Richard Buckminster Fuller konstruierte Geodätische Kuppeln in Leichtbauweise.
Überdachungen, wie die des Millennium Dome in London, die aus einer von außen mit Stahlseilen getragenen Glasfasermembran besteht, haben zwar oft Kuppelform, sind aber keine Kuppeln, da sie nicht selbsttragend sind, sondern mit Zirkuszelten vergleichbar von Stützen in ihrer Form gehalten werden.
Siehe auch
- Gewölbe
- Liste römischer Kuppeln
- Umgangssprachlicher Fachausdruck: Das „Kuppel“ unter Kupplung (Bahn)#Schraubenkupplung
Weblinks
Wiktionary: Kuppel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenCommons: Domes – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienLiteratur
- Oscar Schneider: Kampf um die Kuppel. Baukunst in der Demokratie. Bouvier Verlag, Bonn 2006, ISBN 3-416-03076-1.
Einzelnachweise
- ↑ Burgendaten.de - Böhmische Kappe abgerufen am 30. Juni 2011
- ↑ Heinz Otto Lamprecht: Opus Caementitium, Römisch-germanisches Museum Köln, Beton Verlag, 5. Auflage, Düsseldorf 1996, ISBN 3-7640-0350-2, S. 129
- ↑ deutsche bauzeitung: Ingenieurporträt Franz Dischinger, S. 70
- ↑ Großmarkthalle Leipzig. In: Structurae.
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