Kathedrale von Norwich

Kathedrale von Norwich
Die Kathedrale der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit in Norwich
Gesamtansicht der Kathedrale
Westfassade

Die Kathedrale der Heiligen und Ungeteilten Dreifaltigkeit, offiziell: "The Cathedral Church of The Holy Trinity"[1] von Norwich in Norfolk bietet das beste Bild einer normannischen Kathedrale - mit Ausnahme des Perpendicular-Gewölbes. Die Hauptbauzeit liegt zwischen 1096 und vor 1145. Trotzdem ist die Kirche gut erhalten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die angelsächsische Vorgeschichte des späteren Baues ist weitgehend ungeklärt. Es hatte diverse Verlegungen des Bischofssitzes gegeben. Dabei ist es auch zu Fällen von Simonie gekommen, also zum Ämterkauf, von der aber der Papst die Absolution erteilte, möglicherweise ebenfalls gegen Geld.

Nach der normannischen Eroberung der Insel vollzog sich die Entwicklung in schnellen Schritten. Begonnen wurde der Kirchenbau für ein neu gegründetes Benediktinerkloster durch Herbert de Losinga, Bischof von East Anglia. Dieser hatte 1094 den Bischofssitz von East Anglia nach Norwich verlegt; zwei Jahre später wurde mit dem Bau der Kirche begonnen. Bereits am 24. September 1101 fand eine erste Weihe statt. 1119 war wahrscheinlich der Chor mit seinen Kapellen fertig und das beidseitige Querhaus, das ebenfalls Kapellenanbauten nach Osten besaß. Für die Mitte des 12. Jahrhunderts wird die Vollendung des Schiffes und des Vierungsturmes unter Herberts Nachfolger Everard (Bischof 1121-1145) angenommen.

Ab 1272 wurde an der Südseite der Kirche einen zweigeschossigen Kreuzgang angebaut; 1430 war er vollendet. Bemerkenswert ist die sog. „Prior’s Door“, die Pforte aus dem Ostjoch des südlichen Seitenschiffs zum Kreuzgang hin. In ihrem Spitzbogenfeld reihen sich sieben vollplastische Heiligenfiguren in Ornamentnischen aneinander.

Architektur

Die Kathedrale besteht aus einem extrem langen Langhaus (einschiffig) von 14 Jochen mit Emporen (Gesamtlänge 140 Meter), einem ausladenden Querflügel mit ursprünglich je einer Ostapsis und einem Chor mit Chorumgang. Die Kathedrale erhielt 1446-72 im Längsschiff zusammen mit dem Querschiff statt der bisherigen romanischen Flachdecke aus Holz ein Fächer-Stern-Gewölbe mit 15 Rippen pro Pfeiler und 329 figurengeschmückten und bemalten Schlusssteinen, die Szenen des Alten und Neuen Testaments wiedergeben.

Die Wände des Mittelschiffs zeigen eine klare Gleichwertigkeit von Arkaden- und Emporengeschossen. Sowohl die Arkaden- wie auch die Emporenpfeiler sind umgeben von zahlreichen vorgelegten, schlanken Diensten, doch ohne eigentlich strukturelle Funktion, nur als wirksame Belebung der Mauerflächen.

Typisch normannisch ist die Aufspaltung der dicken Mauern in zwei Schalen durch schmale Laufgänge in den Obergeschossen. Diese Aufspaltung wird entscheidend für die Entwicklung der Gotik. Das weitausladende Querschiff hat nach Osten abgehende Kapellen. Der mächtige Vierungsturm ist innen offen, die Obergeschosse sind spätromanisch, der hohe Steinhelm gotisch. Die Seitenschiffe sind als Umgang um das Chorhaupt geführt. Solche „Umgangschöre“ wurden später für die gotischen Kathedralen vorbildlich. Sie waren im 10. Jahrhundert an den südfranzösischen Pilgerkirchen ausgebildet worden. In der Normandie und in England traten sie dagegen seltener auf. Einzigartig sind die hier in Norwich an den Chorumgang angefügten Kapellen in Rundbauweise. Die spätgotische Scheitelkapelle, die Lady Chapel (14. Jahrhundert), stürzte im 17. Jahrhundert ein; die heutige stammt aus dem 20. Jahrhundert und ist eine Gedenkstätte für die Toten des Royal Norfolk Regiments.

In der Spätgotik wurden um 1362 die Fenster des Chores erneuert und stark erhöht. Gleichzeitig wurde der Chor mit Strebepfeilern abgestützt.

Unter Bischof Lyhart wurden dann 1446 bis 1472 die flachen Holzdecken im Mittelschiff und im Querhaus durch das heutige Fächergewölbe ersetzt. Die Westfassade erhielt ein großes Stirnfenster im Perpendicular-Stil mit spätgotischem „Tropfenmaßwerk“ (drop-tracery).

Ausstattung

  • Die Kirche weist acht Altäre auf, an denen noch heute im Wechsel Gottesdienste gehalten werden.
  • In der St. Lukas-Kapelle steht ein mittelaterlicher Taufstein mit Abbildung der sieben Sakramente. Er stammt aus der Kirche St. Mary in the Marsh, die im 16. Jahrhundert zerstört wurde.
  • Ebenfalls in der St. Lukas-Kapelle findet man das „Despenser Retable“, ein fünfteiliges Altarretabel aus dem späten 14. Jahrhundert, benannt nach dem damaligen Bischof von Norwich, Henry Despenser (1369-1406), der wohl den Auftrag für diese Gemäldefolge der Passion und Auferstehung Jesu gab. Abbildung
  • In der Jesus-Kapelle haben sich, wie auch an anderen Stellen der Kathedrale, Reste mittealterlicher Freskenmalerei erhalten. Hier wird auch das Altarretabel „Verehrung der Heiligen Drei Könige“ gezeigt, das im 15. Jahrhundert der deutschen Künstler Martin Schwartz malte. Aus der gleichen Zeit stammt ein Gemälde auf Holz in der St. Andrew-Kapelle.
  • In der Bauchon-Kapelle steht eine modere Marienstatue von John Skelton. Ein Gemälde von John Opie stellt die neutestamentliche Szene „Jesus im Tempel“ dar. Ein modernes Glasfenster zeigt Benediktiner-Heilige.
  • Das Chorgestühl zeigt geschnitzte Miserikordien aus dem 15. und 16. Jahrhundert, die Szenen aus dem mittelalterlichen Alltagsleben darstellen; drei sind im 20. Jahrhundert hinzugefügt worden. Abbildungen
  • Das Bibel-Lesepult in Form eines Pelikans, der sein Junges mit seinem eigenen Blut füttert (ein Symbol für Jesus Christus), stammt aus dem Mittelalter; es war nach der Reformation im Garten des Bischofs vergraben worden und wurde später wiederentdeckt. Abbildung
  • Vor dem Hochaltar liegt in einer mit einer Steinplatte abgedeckten Gruft der Gründer der Kathedrale, Bischof Herbert de Losinga.
  • Hinter dem Hochaltar haben sich steinerne Teile eines mindestens 1200 Jahre alten Bischofsstuhls erhalten.
  • Im südlichen Chorumgang sieht man eine romanische Steinplastik, die wahrscheinlich den hl. Felix darstellt, der East Anglia missionierte.
  • Sakralgegenstände aus Silber und Gold aus der Diözese Norwich werden im „Reliqiengewölbe“, einem Obergeschoss des nördlichen Chorumgangs, präsentiert; bis zur Reformation konnten hier die Reliquien von Heiligen verehrt werden. Abbildung

Sonstiges

  • Außerhalb der Kirche befindet sich südlich an der St. Saviour-Kapelle, die östlich an den Chor angebaut ist, das Grab der britischen Krankenschwester Edith Cavell, die 1915 von Deutschen hingerichtet wurde, weil sie in Belgien Kriegsgefangenen zur Flucht verhalf. Lageplan

Literatur

  • Harry Batsford, Charles Fry: The Cathedrals of England, 7th Edition, B. T. Batsford Ltd., London 1948
  • Marcel Durliat: Romanische Kunst („L'art roman“). Herder Verlag, Freiburg/B. 1983, ISBN 3-451-19402-3, S. 497.
  • Hermann Fillitz: Das Mittelalter I (Propyläen-Kunstgeschichte; Bd. 5). Propyläen Verlag, Berlin 1990, ISBN 3-549-05105-0, S. 201 (Nachdr. d. Ausg. Berlin 1969).
  • Martin Hürlimann: Englische Kathedralen („English Cathedrals“). 3. Aufl. Atlantis-Verlag, Zürich 1956.
  • Werner Schäfke: Englische Kathedralen. Eine Reise zu den Höhepunkten englischer Architektur von 1066 bis heute (DuMont Kunst-Reiseführer). Dumont Verlag, Köln 1983, ISBN 3-7701-1313-6, S. 236, Abb. 75, 78.
  • Rolf Toman (Hrsg.): Die Kunst der Romanik. Architektur, Skulptur, Malerei. Könemann Verlag, Köln 2004, ISBN 3-8331-1039-2, S. 238 (Nachdr. d. Ausg. Köln 1996).
  • Gang durch die Kathedrale von Norwich. (Faltblatt o. J., dt.)

Weblinks

 Commons: Kathedrale der Heiligen Dreifaltigkeit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Galerie

Einzelnachweise

  1. Harry Batsford, Charles Fry: The Cathedrals of England, S. 64
52.631871.30101

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