Kelmscott Press

Kelmscott Press
The Nature of Gothic von John Ruskin, gedruckt bei Kelmscott Press. Erste Textseite

Die Kelmscott Press war eine englische Privatdruckerei.

William Morris (1834-1896) war nicht nur ein bekannter englischer Dichter, Politiker und Designer, sondern auch Buchkünstler und Buchreformer. Er gründete die Kelmscott Press und war mit seinen Werken, seiner Arbeitsphilosophie und seinen Forderungen an ein schönes Buch richtungsweisend für den Beginn einer neuen Buchkultur und Buchkunstbewegung, die von England aus auch in Deutschland fruchtete.

Inhaltsverzeichnis

Morris' Bindung zur Literatur

Morris wendete sich erst in seinen letzten Lebensjahren der Kunst des Druckhandwerks zu, wobei ihn die Liebe zu Büchern schon seit seiner Kindheit begleitete.

Er wurde in Clay Hall als Sohn wohlhabender Eltern, dessen Vater der soziale Aufstieg geglückt war, geboren und wuchs ab dem 6. Lebensjahr in Woodfard Hall, einem Herrenhaus am Rande des Epping Forest, auf. In dieser ländlichen Umgebung wurde noch an mittelalterliche Sitten festgehalten und das Leben war noch kaum von den aufkommenden sozialen Problemen und industriellen Veränderungen beeinflusst.

Eine enge Bindung baute Morris in seiner Kindheit zu den Ritterromanen von William Scott auf. Die Welt des Mittelalters begeisterte ihn.

Sein Theologiestudium absolvierte er ab 1852 am Exeter College in Oxford. Hier traf er Edward Burne-Jones, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Morris, den das Studium frustrierte, verbrachte viel Zeit in der hervorragend ausgestatteten Bodleian Library und studierte hier alte illuminierte Handschriften und Inkunabeln. Seine Vorliebe für die Lebensweise im Mittelalter wurde begleitet von einem großen Interesse an der gotischen Architektur und der Archäologie. Mittelalterliche Dichter und ihre Werke, wie die von Geoffrey Chaucer, Froissart oder Thomas Malroy, faszinierten ihn Zeit seines Lebens und besaßen eine Vorbildfunktion für ihn.

Durch die Vermittlung von Burne Jones erwarb Morris eine alte Ausgabe des Buches „Morthe d'Arthur“ von Thomas Malroy, das 1485 von William Caxton herausgebracht worden war. Die Erzählungen um den Sagenkreis von König Artus begeisterten ihn und steigerten seine Faszination und Liebe zum Mittelalter.

Schon in Oxford legte er den Grundstock für seine eigene wertvolle Büchersammlung, und sein Stilempfinden begann sich auszuprägen. Während Morris zwar immer wieder auf die alten Sagen um König Artus zurückgriff, galt seine Faszination und Begeisterung unter anderem auch den nordischen Sagen.

Unzufrieden mit der Gesellschaftsstruktur, der sozialen Situation der benachteiligten Arbeiterklasse und dem Verfall des englischen Kunstgewerbes, suchte Morris nach neuen gesellschaftlichen, künstlerischen Werten und philosophischen Ansätzen. Neben den Schriften von John Keats und Thomas Carlyle spielten die des Kunsthistorikers John Ruskin eine besondere Rolle in Morris Leben. In Ruskins Veröffentlichungen fand Morris Reflexionen über das Wesen von Kunst, Definition von Schönheit und deren Voraussetzungen.[1]

Da Morris finanziell abgesichert war, plante er, die Herausgabe eines Magazins, dem „Oxford & Cambridge Magazine“. Für den Druck der Zeitschrift nahm Morris Kontakt zu der seit 1789 bestehenden Chiswick Press auf. Hier wurde noch großer Wert auf die Qualität der Drucke gelegt und eine in Vergessenheit geratene Type, die „Caslon-Type“, für die Typographie verwendet. Morris ließ seine ersten literarischen Werke hier in Druck geben, zum Beispiel „The Defence of Guenevere“ oder „The Life and Death of Jason“.

Neben dem großen Interesse für alte Manuskripte und deren künstlerische Buchausstattung versuchte Morris sich auch selbst seit 1856 in der Kunst der Kalligraphie. Ebenso wie seine Vorliebe der gotischen Architektur galt, war auch sein Schriftstil ganz an diese Epoche angelehnt. In späteren Versuchen gebrauchte er eine Antiquaschrift. Seine Werke zeigten schon hier eine reiche Buchdekoration. Er schenkte Georgina Burne-Jones, der Ehefrau von Edward, im Jahr 1870 „A Book of Verse“ und später den „Omar Khayyam“. Um 1871 übersetzte er die isländischen Sagen „The Story of the Dwellers at Eyr“ und „Sigurd of the Volsungs“. Seine letzte kalligraphische Arbeit war 1874 die „Oden des Horaz“.

Situation des englischen Buchmarktes

Um die künstlerische Bedeutung der Kelmscott Press und die Qualität ihrer Veröffentlichungen näher zu begreifen, sollte man sich auch mit der Situation des englischen Buchhandels im 20. Jahrhundert auseinandersetzen. Diese Situation stellt auch eine der Voraussetzungen dar, die überhaupt zu der Gründung der Kelmscott Press führten.

Die Industrialisierung beeinflusste nun mehr und mehr die Produktionen des gesamten Kunstgewerbes.
So litt auch der Buchmarkt unter der Verbreitung billiger Massenproduktionen. Der Einsatz neu entwickelter Maschinen, wie der Setz- und Druckmaschine, ermöglichte zwar eine schnellere und günstigere Herstellung der Bücher, führte jedoch gleichzeitig zu enormen Qualitätsverlusten.
Die Traditionen eines handwerklichen Betriebes, Kunst, Schönheit und Qualität gingen verloren, und technische, kommerzielle Aspekte gewannen die Oberhand.

Minderwertiges, dünnes Papier, gewissenloser Umgang mit der Typographie und dem gesamten Textblock, unansehnliche Einbände sowie nicht ausreichende schriftstellerische Leistungen konnten von einer Persönlichkeit wie Morris, dem die Schönheit von Gebrauchsgegenständen und der traditionsreiche handwerkliche Prozess über alles ging, nicht akzeptiert werden.

Privatdruckereien wie die Chiswick Press, kleine handwerkliche Betriebe, die seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts existierten, leiteten eine langsam fruchtende Buchkunstreform ein.
Morris selbst hatte die qualitätsvollen Drucke der traditionsbewussten Chiswick Press, die die Erinnerung an die Vergangenheit der Blütezeit der englischen Druckerkunst aufrechterhielt, kennen gelernt.
Zusammenfassend ist anzumerken, dass es doch gar nicht so seltsam erscheint, dass sich der Dichter William Morris nach seinen unterschiedlichsten Tätigkeiten im Kunstgewerbe und der Politik der Kunst der Buchproduktion und deren Ausstattung zuwandte.

Der Anlass zur Gründung einer eigenen Druckerei

Den Anstoß zur Gründung einer eigenen Druckerei erfuhr Morris durch seinen langjährigen Freund Emery Walker.

Auf der ersten Ausstellung der 1888 gegründeten „Arts & Crafts Exhibition Society“ hatte Walker einen Vortrag über die Geschichte des Druckwesens gehalten. Morris hatte ihm Bücher und Manuskripte aus seiner Sammlung zur Verfügung gestellt und sah nun die Vergrößerungen dieser Schriften aus dem 15.Jahrhundert anhand einer Lichtbildervorführung, zum ersten Mal.

Die Schönheit und Vollkommenheit in den Proportionen der mittelalterlichen Schriften beeindruckte Morris. Mit diesem Bewusstsein, um die Schönheit der Schriften, entwickelte sich nun der Wunsch Morris’, eine eigene schöne Schrift zu entwerfen und damit verbunden die Idee der Gründung einer eigenen Druckerei. Nach seiner Tochter May soll er nach dem Vortrag folgendes geäußert haben: „Kommen Sie, Walker, lassen Sie uns eine neue Schrift entwerfen!“.[2] Somit wird in der Literatur der 15. November 1888 als eigentlicher Gründungstag der Kelmscott Press genannt, obwohl die erste Veröffentlichung der Druckerei erst im Januar 1891 erschien.

Obwohl Walker das Angebot einer Partnerschaft mit Morris ablehnte, blieb er als bedeutender und wichtiger Berater mit der Kelmscott Press in Kontakt.

Zwischen den Jahren 1888 – 1891 bemühte sich Morris um die Entwicklung einer neuen Schrift, die seine Anforderungen erfüllen sollte.

Welche Forderungen stellte Morris an ein schönes Buch?

Morris stellte in Zusammenarbeit mit Walker seine buchästhetischen Grundsätze und Forderungen an ein schönes Buch 1893 schriftlich in der Jahresschrift der „Arts & Crafts Exhibition Society“ vor. Die Lesbarkeit der Schriften war eine seiner wichtigsten Forderungen. Er bemängelte die graue Wirkung der gedruckten Werke seiner Zeit und forderte einen klaren schwarz-weiß Kontrast auf der Seite. Dieser sollte durch Buchstaben mit klarer Strichstärke erreicht werden (seine erste entwickelte Schrift war eine romanische Antiqua, die Golden Type, angelehnt an die Schrift von Nicolas Jenson), im Gegensatz zu den in Mode gekommenen Schriften mit lineraren, spitzen Serifen und starken Strichstärkenunterschieden der Grund- und Haarstriche (Klassizistische Antiqua wie Bodoni und Didot). Weiterhin sollte der Abstand zwischen den Wörtern, gerade so groß ausfallen, daß sich die Wörter klar voneinander trennen lassen. Auch der Zeilenabstand sollte so gering wie möglich sein, um ein kompaktes Satzbild zu erzeugen. Bei seinen Überlegungen ließ er sich von der mittelalterlichen Typografie inspirieren.[3]
Aber nicht nur die Abstände von Buchstabe zu Buchstabe, sondern auch von Wort zu Wort[4] sollten gleichmäßig bemessen werden und eine Mindestgröße der Schrift festgelegt werden. Die kleinste Schriftgröße legte er bei 12 pt (Cicero (Maß)) fest, bei kleinen Büchern konnte aber auch eine Größe von 10 pt (Korpus (Maß)) gewählt werden.[5] Ein harmonisches Erscheinungsbild müsste angestrebt werden und das Ziel sein. Das Verhältnis des Textes und seiner Rahmung, den Rändern, sollte ein harmonisches Bild erzeugen und seine Stellung auf dem Papier wohl bedacht werden.
Eine weitere Forderung von Morris war, dass nicht nur die einzelne Seite eines Buches hervorgehoben wird, sondern die Einheit der Doppelseite im geöffneten Zustand des Buches zu erreichen.
Neben der Entwicklung einer lesbaren Schrift, die die Schönheit des Buches unterstreicht, konnte auch die dekorative Buchausstattung diese Schönheit noch erhöhen. Der Buchschmuck, wie Ornamente und Illustrationen, sollte aber nach Morris nicht die Schrift überwuchern oder derart ausgeprägt sein, dass der Leser vom Inhalt eines Buches abgelenkt wird. Für die Produktion schöner Bücher spielten für ihn auch die Farbigkeit der Druckertinte, die Qualität des Papiers sowie der Einband eine wesentliche Rolle. Die Kelmscott Press versuchte die Einheit von Type und Ornamentik, Satz und Bild wieder[6] herzustellen und für Morris konnte jedes Buch ein Kunstwerk sein, wenn nur die Schrift gut ist und seiner gesamten Gestaltung genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird.[7]

Die Kelmscott Press

Die Arbeitsaufnahme der Kelmscott Press begann am 12. Januar 1891 in Hammersmith nahe Kelmscott Manor. Neben Edward P. Prince als Schriftschneider stellte Morris William Bowden als Schriftsetzer und Drucker ein. In relativ kurzen Abständen erschienen hier innerhalb von 8 Jahren 53 Drucke. Morris ignorierte das „moderne“ Stilempfinden und wählte die Inhalte seiner Bücher wie auch ihre Ausstattung ganz nach seinen eigenen Vorlieben. Wie schon erwähnt, entstand für Morris ein schönes Buch nicht allein durch das Schriftbild, sondern das Buch sollte als Ganzes wieder neu belebt werden und vom Papier bis zum Bucheinband in sich stimmig sein. So verwundert es nicht, dass Morris eigens für ihn hergestelltes Papier und eine spezielle Druckerfarbe für die Herstellung seiner Bücher verlangte und nutzte. Er verwendete ausschließlich handgeschöpftes Papier aus Leinen, und erst nachdem er sich der Qualität des Papiers vergewissert hatte, bezog er dieses von der Batchelors Papiermühle in Kent. Neben Papier ließ Morris besondere Ausgaben auch auf dünnem Pergament (Vellum) drucken und entwarf unterschiedlichste Wasserzeichen, die die Qualität des Papiers seiner Bücher besonders unterstrichen.

Die damals in England übliche Druckerfarbe hinterließ einen blauen oder rötlichen Unterton und entsprach Morris’ Wunsch nach einem kräftigen schwarzen Farbton nicht. Nach der Vermittlung von Walker bezog er die Druckerfarbe von der Firma Jaenecke aus Hannover. Die spezielle Farbe verursachte auf Grund ihrer Festigkeit Schwierigkeiten bei der Herstellung der Drucke auf den Handpressen, aber Morris konnte sich gegenüber seinen Mitarbeitern durchsetzen und bestand auf deren Nutzung.

Von den 53 Drucken wurden 24 Drucke und 9 Neuauflagen mit der ersten selbst entworfenen Schrift von Morris, der „Golden-Type“, gedruckt.

Die „Golden-Type“ wurde von Morris nach dem ersten Druck benannt, für die man sie verwendete: die „Legenda aurea“ von Jacobus de Voragine nach einer Übersetzung von William Caxton. Als typographische Vorbilder dienten Morris unter anderem die „Plinius“-Ausgabe von Nicolas Jenson und die Schriften von Jakobus Rubeus.
Beide waren im 15. Jh. in Venedig tätig. Die „Golden-Type“ ist eine „Antiqua-Type“. Mit dem Entwurf der „Golden-Type“ versuchte er, die Antiqua seinen Ansprüchen anzupassen. Als Verfechter der Gotik und mit der Vorliebe für wuchtige, kompakte Schriften[8] versuchte Morris die italienische Eleganz der Antiqua mit der Ausdruckskraft der gotischen Schrift zu verbinden.[9]

Nach nur etwa neun Monaten, im Herbst 1891, entwarf Morris eine gotische Schrift und versuchte sie von dem Vorwurf ihrer Unleserlichkeit[10] zu befreien.

The Story of the Glittering Plain or the Land of Living Men. Druck Kelmscott Press. Text von William Morris, Illustrationen von Walter Crane, 1894

Das Ergebnis war die „Troy-Type“; unter ihrer Verwendung wurden insgesamt elf Drucke der Druckerei veröffentlicht. Das erste mit der „Troy-Type“ gedruckte Werk war „The Recuyell of the Historyes of Troy“, ebenfalls nach einer Übersetzung von William Caxton.
Als Vorbild für die „Troy-Type“ wählte Morris aber nicht, wie zu erwarten, die Textura, sondern die unter dem Einfluss der Renaissance entstandene „Gotico-Antiqua“.

Mit der Verkleinerung der „Troy-Type“ entwarf Morris seine dritte Schrift, die „Chaucer-Type“.
„The Order of Chivarly“ war 1892 das erste Buch, welches mit der „Chaucer-Type“ gedruckt wurde.

Das wohl bedeutendste Werk der Kelmscott Press wurde eine neue Ausgabe der Canterbury Tales von Geoffrey Chaucer.
Fast fünf Jahre lang hatten sich Morris, seine Freunde und Mitarbeiter mit dem Druck und der Ausstattung der „Canterbury Tales“ beschäftigt. Seit 1892 bemühte sich Edward Burne-Jones um die zahlreichen Illustrationen, er entwarf für diese Ausgabe 87 Illustrationen.

Seite aus dem „Kelmscott Chaucer“. Druck Kelmscott Press, Illustration Edward Burne-Jones, Typographie William Morris, 1896

Morris selbst kreierte mehr als 60 Formen der Buchdekorationen, wie Ornamente, Initialen, Bordüren und die Gestaltung der Titelblätter. Der Text verlief zweispaltig auf einer Seite und wurde in den Farbtönen rot und schwarz gedruckt.
Neben einem Entwurf für den Einband von Burne-Jones übernahm Thomas Cobden-Sanderson die Bindearbeiten an den „Canterbury Tales“. Insgesamt wurden 425 Exemplare auf Papier und 13 auf Pergament gedruckt.

Bedeutend ist es, noch einmal hervorzuheben, dass Morris zwar alte Schriftmeister des 15. Jahrhunderts studierte, jedoch stellt keine seiner kreierten Schriften eine Kopie dar. Viel eher versuchter er den Glanz der vergangenen Epoche wieder neu zu beleben und dem Geist des Mittelalters nachzuspüren. Bekannte Meister, an deren Schriftkunst er sich unter anderem orientierte, waren neben Rubeus und Jenson auch Schöffer und Zainer.

Morris schuf nicht das moderne Buch, sondern erneuerte das schöne Buch, the ideal book, indem er auf die typographischen Gesetze, die das 15. Jh. gefunden und ausgebildet hatte, zurückgriff und sie zu neuer Geltung erhob. Und diese Gesetze haben sich wieder durchgesetzt - das ist sein unbestreitbarer und bleibender Verdienst.[11]

Charakteristisch für die Drucke der Kelmscott Press sind die entwickelten Typen, die Illustrationen in präraffaelitischer Manier, gotisierende Initialen und breite Bordüren.
Insgesamt hatte Morris für die Kelmscott Press über 600 Muster für die reiche Ausstattung seiner Bücher entworfen. Zu der Fertigstellung einer weiteren vierten Schrift von Morris kam es aufgrund seines Todes am 3. Oktober 1896 nicht mehr.

Die Kelmscott Press wurde noch bis 1898 weitergeführt, begonnene Produktionen wurden abgeschlossen.

Einfluss der Kelmscott Press

England

In der direkten Nachfolge der Kelmscott Press in England wurden eine Vielzahl von privaten Druckereien gegründet. Diese Bewegung trägt die englische Bezeichnung „Private Press Movement“.

Zum Beispiel gründete Emery Walker zusammen mit T. J. Cobden-Sanderson die „Doves Press“ und blieb auch weiterhin ein wichtiger Berater für weitere Druckereien und unterstützte ihre Gründer. Wie auch Morris das Bild seiner Veröffentlichungen bestimmte und sich nicht vom damaligen Zeitgeschmack beeinflussen ließ, so gestalteten auch die Gründer der neuen Druckereien das Erscheinungsbild ihrer Ausgaben und ihre Inhalte ganz nach ihren Vorlieben. Dennoch hatte Morris seinen Weg der Buchkunstreform demonstriert, nämlich durch die Konzentration, Wiederbelebung und Verbreitung von Anregungen vor allem süddeutscher und italienischer Drucke der Zeit um 1500.[12]

Die Erscheinungsbilder dieser Druckereien orientierte sich aber nicht bindend an den Veröffentlichungen der Kelmscott Press. Wie bei Morris wurde eine enge Beziehung zum traditionellen Handwerk des Druckers, wie die Benutzung der Handpressen, die Kunst des Schriftschneidens und das Drucken und Setzen der Schrift, aufrechterhalten und gepflegt.
Vorbild für einige entworfene Schrifttypen der Druckereien war nach Morris Beispiel die Antiqua von Nicolas Jenson. Ebenso strebten viele Gründer danach, die Einheit eines Buches wieder herzustellen und stimmige Proportionen zu erreichen.
Allen Druckereien gemein war, dass die Ausgaben meist nur für einen kleinen Kreis herausgegeben wurden, für Freunde, Bekannte, Familienmitglieder oder interessierte Bücherliebhaber.

Als Beispiele sind hier unter anderem die „Doves-Press“, die „Ashendene Press“, die „Vale Press“, die „Eragny Press“, oder die „Essex House Press“ zu erwähnen.

Deutschland

Noch vor dem Bekanntwerden von Morris’ Buchkunst in Deutschland hatten Künstler die unbefriedigende Lage des deutschen Buchwesens erkannt und bereits verschiedene Wege zu einer Reform geebnet.[13]

Wie in England kam es auch in Deutschland in Folge der Industrialisierung zu einer Trennung, zwischen den Künstlern und der künstlerischen Beziehung zu ihren Werken.
Erst um die Jahrhundertwende waren Leben und Bedeutung von Morris allgemein in Deutschland bekannt.[14]

Während in England eine Erneuerung der Buchkunst unter dem Einfluss historischer Tendenzen eingesetzt hatte, kam der Stil der Münchner Renaissance, mit wenigen Ausnahmen, nicht über die Nachahmung alter Drucke und deren Kopieren hinaus. Dies ist vermutlich auch ein Grund, weshalb Morris und seine Werke mit der deutlich erkennbaren Vorliebe zur Gotik zunächst keinen Einfluss auf die deutsche Buchkunstbewegung übten.

Die nachfolgende Generation deutscher Künstler suchte nach neuen Richtungen und nach einer Befreiung und Abwendung des kopierenden Historismus. Sie orientierten sich auf ihrer Suche nach einem neuen Stil daher eher an Morris Nachfolgern wie zum Beispiel Walter Crane, Aubrey Beardsley oder Charles Ricketts.

Nach einer in Deutschland einsetzenden illustrativ-dekorativen Periode und die damit verbundene Konzentration auf den Buchschmuck folgte eine Abkehr vom illustrierten Buch.

Die Typographie und ihre künstlerische Funktion standen nun im Vordergrund, ähnlich wie bei den Ausgaben der „Doves Press“, bei denen der Buchschmuck zu Gunsten der Typographie und der Vermittlung des Inhaltes reduziert wurde.
Ganz nach Morris Vorbild erfolgte mit der Minimierung des Buchschmuckes wieder eine Konzentration auf die ganzheitliche Auffassung der Gestaltung von Büchern.

Morris' buchkünstlerischer Einfluss, seine Forderung nach einer einheitlichen Gestaltung und die Wiedervereinigung von Kunst und Handwerk sind unter anderen bei den Arbeiten von Josef Sattler, Melchior Lechter, Heinrich Vogeler oder Friedrich Wilhelm Kleukens neu interpretiert und umgesetzt worden.

Quellen

  1. Hans-Christian Kirsch: William Morris - ein Mann gegen die Zeit. S. 59
  2. Hans-Christian Kirsch: William Morris - ein Mann gegen die Zeit. S. 231
  3. Das Ideale Buch. In: William S. Peterson (Hrsg.): Das Ideale Buch. Essays und Vorträge über die Kunst des schönen Buches von William Morris. S. 70 ff.
  4. Hans-Christian Kirsch: William Morris - ein Mann gegen die Zeit. S. 235
  5. Das Ideale Buch. In: William S. Peterson (Hrsg.): Das Ideale Buch. Essays und Vorträge über die Kunst des schönen Buches von William Morris. S. 72.
  6. Friedrich Adolf Schmidt-Künsemüller: William Morris und die neuere Buchkunst.S. 43
  7. Das Ideale Buch. In: William S. Peterson (Hrsg.): Das Ideale Buch. Essays und Vorträge über die Kunst des schönen Buches von William Morris. S. 69.
  8. Friedrich Adolf Schmidt-Künsemüller: William Morris und die neuere Buchkunst.S. 27
  9. Friedrich Adolf Schmidt-Künsemüller: William Morris und die neuere Buchkunst.S. 28
  10. Hans-Christian Kirsch: William Morris - ein Mann gegen die Zeit. S. 239
  11. Friedrich Adolf Schmidt-Künsemüller: William Morris und die neuere Buchkunst.S. 35
  12. Michaela Breasel: Das "Privat-Press-Movement". S. 61
  13. Friedrich Adolf Schmidt-Künsemüller: William Morris und die neuere Buchkunst.S. 96
  14. Friedrich Adolf Schmidt-Künsemüller: William Morris und die neuere Buchkunst.S. 109
  • Michaela Breasel: Das "Privat-Press-Movement". In: Gutenberg Museum (Hrsg.): Auf der Suche nach dem Idealen Buch. William Morris und die Chaucer–Ausgabe der Kelmscott Press von 1896. Mainz 1996, S. 61–62
  • Hans Eckert: William Morris und die Kelmscott Press: The Works of Geoffrey Chaucer 1896–1996. In: Gutenberg Museum (Hrsg.): Auf der Suche nach dem Idealen Buch. William Morris und die Chaucer–Ausgabe der Kelmscott Press von 1896. Mainz 1996, S. 15–33
  • Hans-Christian Kirsch: William Morris - ein Mann gegen die Zeit. Köln 1983, ISBN 3424007722, S. 25; S. 55–63; S. 228–246
  • Friedrich Adolf Schmidt-Künsemüller: William Morris und die neuere Buchkunst. Carl Wehmer (Hrsg.), Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, Bd. 4, Wiesbaden 1955, S. 22–43
  • Das Ideale Buch. In: Peterson, William S. (Hrsg.): Das Ideale Buch. Essays und Vorträge über die Kunst des schönen Buches von William Morris. Aus d. Engl. übersetzt von Norbert Selting, Göttingen 1986, S. 69–76
  • William Morris über die Ziele, die er bei der Gründung der Kelmscott Press verfolgte. In: Peterson, William S. (Hrsg.): Das Ideale Buch. Essays und Vorträge über die Kunst des schönen Buches von William Morris. Aus d. Engl. übersetzt von Norbert Selting, Göttingen 1986, S. 77–80

Literatur

  • Eva–Maria Hanebutt–Benz: Zur Gestaltung der Bücher der Kelmscott Press. In: Gutenberg Museum (Hrsg.): Auf der Suche nach dem Idealen Buch. William Morris und die Chaucer–Ausgabe der Kelmscott Press von 1896. Mainz 1996, S. 43–60
  • Joseph Riggs Dunlap: The road to Kelmscott. Dissertation, New York 1972
  • Colin Franklin: Printing and the mind of Morris. Cambridge 1986
  • William Morris: A note by William Morris on his aims in founding the Kelmscott Press. Hammersmith 1898
  • William S. Peterson: The Kelmscott Press. Oxford 1991, ISBN 0198128878
  • William S. Peterson: The Kelmscott Press golden legend. College Park 1990
  • William S. Peterson: A bibliography of the Kelmscott Press. Oxford 1984, ISBN 019818199X
  • Will Ransom (u.a.): Kelmscott, Doves and Ashendene. Los Angeles, Calif. 1952
  • Henry Halliday Sparling: The Kelmscott Press and William Morris, master-craftsman. London 1924
  • Aymer Vallance: The art of William Morris. London 1897

Weblinks


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