Klassenneid

Klassenneid
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Der Neid
Hieronymus Cock.

Unter Neid versteht man das ethisch vorwerfbare, gefühlsmäßige (emotionale) Verübeln der Besserstellung konkreter Anderer. Ähnlich ist der Begriff der Missgunst. Dieser Begriff ist allerdings insofern weiter gefasst, als er auch das Verübeln der Stellung Anderer umfasst, die im Vergleich zu dem Verübelnden nicht besser gestellt sind; der beobachteten Person oder Gruppe werden in diesem Falle Dinge schlichtweg nicht gegönnt. Fehlt es am ethischen Vorwurf, spricht man auch von Unbehagen gegenüber Überlegenheit, die man selber gerne hätte und nicht zu erreichen vermag. Will man Neid rechtfertigen, so ist eher von einem Streben nach Gleichheit die Rede. Wie andere Gefühle auch, hat der Neid Vorteile für den, der ihn hegt.

Das Gegenteil des Neides ist die Gunst.

Inhaltsverzeichnis

Näheres

Kind neidet den anderen den Murmelbesitz
Der Neid (allegorisches Gemälde von Giotto, um 1300)

Neidisch ist mithin jemand (der „Neider“), den ein Besitztum oder Vorzug anderer - auch unbewusst - kränkt (ein Minderwertigkeitsgefühl auslöst). Das Ziel des Neides ist dementsprechend, den beneideten Vorzug aus der Welt zu schaffen (nicht primär, ihn an sich zu bringen; das wäre dann zum Beispiel Habsucht). Neid kann sich nicht nur auf Besitztümer beziehen, sondern ebenso auf beispielsweise biologisch (Gesundheit) oder kulturell (Schönheit) geprägte Merkmale wie auch direkt auf den sozialen Status (der „Klassenbeste“, der „Torschützenkönig“). In gesteigerter Form kann der Neid für Beneidete gefährlich werden, dem gegenüber er oft verschwiegen wird, wenn er zur Triebkraft feindseligen Handelns wird.

Bewertung des Neides in Religionen

In der Bibel wird Neid an mehreren Stellen verurteilt, zum Beispiel Röm 1,29 EU, 1 Tim 6,4 EU, Tit 3,3 EU, 1 Petr 2,1 EU, Jak 3,14+16 EU, Gal 5,21 EU. Der Neid gehört seit dem späten 6. Jahrhundert zu den sieben Hauptsünden (siehe auch zur Abgrenzung Todsünden) der Römisch-Katholischen Kirche.

Im Hinduismus wird gesellschaftliche Ungleichheit als Folge des individuellen spirituellen Karmas dargestellt und Neid lediglich als das nicht akzeptierte Karma bzw. Schicksal, das der Welt der Kasten entgegensteht. Danach kann nur ein spirituell-esoterischer Aufstieg nach dem Anerkennen des eigenen Karmas erfolgen, der einen in eine höhere Kaste nach einer späteren Wiedergeburt bringt, oder ganz im Jenseits. Als Anti-Neid-Konzept ist der Hinduismus bei den durch das Karma weniger benachteiligten sehr populär und bestimmt so den Großteil der Welt von 850 Millionen Hindus.

Im Islam wird der Neid im Koran erwähnt. Es gilt, ihn als eine schlechte Eigenschaft zu besiegen und damit bei sich selbst anzufangen. Laut dem Propheten Muhammed kann Neid zu Unheil und sogar zum Tode führen. Es existieren Schutzverse und Bittgebete, die mit Gottes Hilfe vor einem Neider schützen.

Sozialneid

Unter Sozialneid versteht man den Neid in einem sozialen Milieu auf eine – auch nur vermeintlich – besser gestellte Gruppierung (Bezugsgruppe). Er kann sich sowohl auf Privilegien als auch auf Besitz beziehen. „Neid“ wird in diesem Zusammenhang auch als polemischer Kampfbegriff gegen Soziale Bewegungen (historisch zum Beispiel gegen die Arbeiterbewegung) benutzt, um den eigenen Vorzug (das eigene Privileg) zu wahren. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, ein Wunsch nach Gleichheit entspränge dem Neid und dieser rühre aus der Unfähigkeit der Neider, durch Leistung den beneideten Vorzug selber zu erringen.

Deutungen des Neides in Evolutionstheorie und Psychoanalyse

Die Evolutionstheorie von François Lelord vertritt die These, der Neid – hier einzig im Sinne eines emotionalen Verhaltens – diene der Optimierung des Überlebens von Gruppen. Die Emotion Neid wäre dann ein biosozial abgestützter Mechanismus im Gruppenleben.

Es werden folgende Überlegungen vertreten:

  1. „Neid“ begünstige insbesondere die Entstehung von Ehrgeiz, um durch eigene Anstrengungen und eigenen Erfolg mit dem „Beneideten“ gleichzuziehen. Dieser positive Wettbewerb erhöhe die Überlebenschancen.
  2. Neid begünstige die Entwicklung von Fairness in einer Gruppe, weil er die Empfindlichkeit für Ungleichheiten innerhalb der Gruppe steigere, damit den Gerechtigkeitssinn [umstritten]. Fairness in einer Gruppe verhindere unnötige Streitereien und daraus folgende Verletzungen. Dadurch erhöhe sich die Überlebenschance der gesamten Gruppe.

Der Zürcher Ökonom Ernst Fehr vertritt die Auffassung, dass eine milde Form des Neides ein emotionales Grundbedürfnis des Menschen sei; diesbezügliche Forschungen zeigten beispielsweise, dass die Befragten es vorzögen, wenn ihre Vermögensverhältnisse zwar bescheiden wären, sich jedoch nicht von denen anderer Menschen unterschieden, als wenn ihr Einkommen höher sei, jedoch niedriger im Vergleich zu den Einkünften Anderer. Dieser neidbedingte Antrieb ende allerdings abrupt beim Erlangen der vorher beneideten Position der Bessergestellten, die erlangte Position werde nun gegenüber Anderen verteidigt und als befriedigend empfunden. Das Gefühl des Neides dient somit primär nur der Befriedigung der eigenen egoistischen Bedürfnisse und weniger einem allumfassenden Wunsch nach Gerechtigkeit. Neid in Form des Verübelns der Besserstellung Anderer bei gleichzeitiger Begehr desselben Status für sich, erfülle damit die Kriterien der Doppelmoral.

Der Psychoanalytiker Rolf Haubl unterscheidet zwischen dem negativen feindselig-schädigenden und depressiv-lähmenden und dem positiven ehrgeizig-stimulierenden und empört-rechtenden Neid, der das Gerechtigkeitsgefühl anrege und auf Veränderung dränge.[1]

Der Neider sieht sich im Vergleich zu dem Beneideten zurückgesetzt. Aber auch der Beneidete fühlt sich durch den Neid meistens bedrängt bzw. diffus gefährdet. Neid ist daher sowohl für den Neider, aber auch für den Beneideten ein im Sinne des psychologischen Egoismus abträgliches Element. Hieraus resultiert seine Missbilligung. Neid kann jedoch auch Freuden bereiten - dem Neider als Schadenfreude, wenn dem Beneideten ein Unglück heimsucht, und dem Beneideten, wenn er sich in seiner privilegierten Position durch den Neid Anderer anerkannt und im Übrigen nicht gefährdet sieht.

Sonstiges

Sogenannte Neidköpfe, meist angebracht an Giebeln, sollten dem Volksglauben nach das Unheil und Böse abwehren. Die bösen Mächte und Geister sollten den Menschen in den damit bedachten Gebäuden nichts neiden und sie damit nicht gegen die Bewohner aufbringen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Stern: "Neidische Augen sind unersättlich"

Literatur

  • François Lelord: Die Macht der Emotionen und wie sie unseren Alltag bestimmen, Piper-Verlag, München/Zürich 2006, ISBN 978-3-492-24631-6
  • Olaf Lippke: Anatomie des Neides, WiKu-Verlag, Duisburg 2006, ISBN 978-3-86553-179-7
  • Rainer Paris: Neid. Zur Politik eines Gefühls, in: Merkur, 2006, S. 1046–1060
  • Helmut Schoeck: Der Neid. Eine Theorie der Gesellschaft, [1966] Herder, Freiburg ²1968
  • Gerhard Schwarz (Hg.): Neidökonomie. Wirtschaftspolitische Aspekte eines Lasters. NZZ-Verlag, Zürich 2000, ISBN 3-85823-859-7
  • Ute Wahner: Neid. Wie wichtig sind Selbstwertbedrohung und Ungerechtigkeitserleben? In: Reichle, B./Schmitt, M. (Hgg.): Verantwortung, Gerechtigkeit und Moral. Zum psychologischen Verständnis ethischer Aspekte im menschlichen Verhalten, Juventa, Weinheim/München 1998, S. 149-162

Weblinks


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