- Anguis fragilis
-
Blindschleiche Systematik Ordnung: Schuppenkriechtiere (Squamata) Unterordnung: Schleichenartige (Diploglossa) Familie: Schleichen (Anguidae) Unterfamilie: Anguinae Gattung: Anguis Art: Blindschleiche Wissenschaftlicher Name Anguis fragilis Linnaeus, 1758 Die Blindschleiche (Anguis fragilis) ist eine Echsenart innerhalb der Familie der Schleichen (Anguidae). In Mitteleuropa gehört sie zu den am häufigsten vorkommenden Reptilien. Aufgrund ihres beinlosen, langgestreckten Körpers wird sie nicht selten mit einer Schlange verwechselt. Dieses Missverständnis spiegelt sich sogar im wissenschaftlichen Gattungsnamen wider, den ihr Carl von Linné gegeben hat (Lat. anguis = „Schlange“; das Artepitheton fragilis bedeutet „zerbrechlich“). Ein anderer verbreiteter Irrglaube ist, dass die Blindschleiche blind sei. Der Trivialname wird auf das Althochdeutsche plintslîcho zurückgeführt, was nach allgemeiner Auffassung soviel wie „blendender/blinkender Schleicher“ meint und sich auf das Glänzen der glatten Schuppenhaut sowie die typische Fortbewegung beziehen dürfte. Andere, heute nicht oder kaum mehr gebräuchliche Bezeichnungen lauten „Haselwurm“ und „Hartwurm“.
Inhaltsverzeichnis
Merkmale
Körperbau
Die Blindschleiche hat einen langgestreckten, im Querschnitt kreisrunden Körper ohne Extremitäten und erreicht eine Gesamtlänge von 45 bis maximal 54 cm. Die größten Exemplare finden sich dabei im Osten und Süden des Verbreitungsgebietes. Im Mittel sind die meisten zu beobachtenden Erwachsenen etwa zwischen 35 und 40 cm lang. Der recht kleine, hohe Kopf geht unvermittelt in den Rumpf über. Auch der in einer hornigen Spitze endende Schwanz ist nicht vom Rumpf abgesetzt und oft etwas länger als dieser. Dadurch, dass die Tiere ihren Schwanz an mehreren Sollbruchstellen leicht abwerfen können, haben allerdings nicht wenige vorgefundene Exemplare keinen vollständig erhaltenen Schwanz mehr. Anders als bei Echten Eidechsen wächst nach einer Autotomie der Schwanzabschnitt auch nicht nach; es bildet sich nur ein sehr kurzer, halbkugeliger Stumpf. In manchen Populationen hat mehr als die Hälfte der Erwachsenen keinen vollständigen Schwanz mehr. Für feldbiologische Körpermessungen wird daher die Kopf-Rumpf-Länge – von der Schnauzenspitze bis zur Kloake – bevorzugt. Die Kloake hat bei der Blindschleiche einen quergestellten Spalt.
Die Hautoberfläche besteht aus glatten, runden bis sechseckigen, sich dachziegelartig überlagernden Hornschuppen, die ober- und unterseits des Körpers etwa gleich geformt sind. Auch an der Bauchseite sind davon mehrere Längsreihen vorhanden und die Schuppen sind dort nur geringfügig kleiner als auf der Rückenseite. In der Rumpfmitte umfasst eine Querreihe 24 oder 26 Schuppen; insgesamt weist der Rumpf 125 bis 150 Schuppenquerreihen auf, der Schwanz nochmal 130 bis 160. Unter den Schuppen befinden sich Knochenplättchen (Osteoderme), wodurch sich Blindschleichen viel steifer und plumper kriechend fortbewegen als Schlangen. Die Kopfbeschuppung ähnelt der von Eidechsen; die den Kopf nach hinten begrenzenden Pileus-Schilder sind relativ groß. Die Ohröffnungen sind allerdings meistens ganz unter den Schuppen verborgen. Die relativ kleinen Augen haben bewegliche, verschließbare Lider (bei Schlangen sind diese verwachsen) und runde Pupillen. Die eher kurze Zunge ist breit-zweilappig und läuft nicht in feine Spitzen aus. Zum Züngeln, also zur Aufnahme von Geruchsstoffen, müssen Blindschleichen das Maul etwas öffnen, da sie keine Oberlippenlücke wie die Schlangen haben. Die spitzen, teilweise recht lose sitzenden Zähnchen sind nach hinten gekrümmt; im Zwischenkiefer befinden sich davon 7 bis 9, im Oberkiefer 10 bis 12, im Unterkiefer 14 bis 16.
Die Extremitäten sind vollständig zurückgebildet; lediglich bei den Embryonen sind zunächst noch vordere Beinrudimente nachweisbar, die aber später verschwinden. Bei den erwachsenen Tieren weisen nur kleine Reste eines Schulter- und Beckengürtels an der Wirbelsäule auf die phylogenetische Abstammung von beintragenden Vorfahren hin.
Färbung und Zeichnung
Im „Jugendkleid“ haben Blindschleichen eine sehr kontrastreiche Farbgebung und Zeichnung. Auf der silberweißen oder goldgelben Oberseite verläuft vom Hinterkopf – dort verbreitert oder gegabelt – bis zur Schwanzspitze eine schwarze Linie („Aalstrich“; manchmal kann dieser auch unterbrochen sein oder ganz fehlen). Die Flanken sind ebenso wie die Bauchseite schwarz und damit scharf von der Oberseite abgesetzt. Mit zunehmendem Alter kann sich das Schwarz in graue, blaue oder bräunliche Töne aufhellen. Die Iris ist bei den Jungtieren dunkelbraun.
Die Körper der erwachsenen Tiere haben eine variable Grundfärbung aus oberseits Braun-, Grau-, Gelb-, Bronze- oder Kupfertönen. Diese Grundfärbung ist durchsetzt mit mehr oder weniger deutlichen dunklen Punkten und Linien oder auch zeichnungslos. Manchmal weisen sie zudem den dorsalen Aalstrich der Juvenilphase auf, wobei sich dieser nun verbreitert hat. An den Seiten finden sich oft vier bis sechs dunkle Längsstreifen, die wiederum miteinander verschmelzen können, und die eine farbliche Trennung zwischen der Rückenseite und den Flanken bewirken. Die Bauchseite ist bleigrau bis schwarz. Aufgrund vielfältiger Punkt- und Linienzeichnungsmuster wurden diverse Varietäten der Blindschleiche beschrieben und benannt; diese haben aber taxonomisch keine Bedeutung. Eine Besonderheit ist das Auftreten blau getüpfelter Individuen; fast immer sind dies ältere männliche Tiere. Auch Melanismus und andere Farbanomalien kommen bei der Art hin und wieder vor. Die Iris adulter Blindschleichen ist rötlichgelb.
Geschlechterunterschiede
Eine Unterscheidung von Männchen und Weibchen ist anhand mehrerer Merkmale möglich, aber nicht in allen Fällen eindeutig. Als primäres Geschlechtsmerkmal verfügen die Männchen über ausstülpbare Hemipenes. Auch ist ihr Kopf etwas breiter und hat größere Pileus-Schilder. Unter den längsten und schwersten Blindschleichen finden sich dagegen überwiegend weibliche Tiere. Bei trächtigen Weibchen zeichnet sich der verdickte Rumpf gegen den Schwanz ab. Hinsichtlich der Färbung fällt auf, dass Weibchen in vielen Fällen eher die Kennzeichen der Jugendfärbung behalten, also den Aalstrich auf der Rückenmitte, die scharfe Farbgrenze an den Flanken und die dunkle Unterseite. Bei den Männchen ist der Farbkontrast zwischen der Oberseite und der (weniger dunklen) Unterseite dagegen oft nicht so stark ausgeprägt; sie wirken dadurch gleichmäßiger gefärbt. Auch hat eine Mehrheit von ihnen keinen dorsalen Aalstrich mehr.
Verbreitung
Die Art hat ein westpaläarktisches Verbreitungsgebiet, das den größten Teil Europas und Bereiche von Vorderasien umfasst. Frühere Angaben über Vorkommen in Nordwestafrika werden inzwischen angezweifelt und sollen auf Verwechslungen mit anderen beinlosen Echsenarten beruhen. Es besteht beim Areal der Blindschleiche eine recht große Übereinstimmung mit der Vegetationszone sommergrüner Laub- und Mischwälder der gemäßigten Zone. Innerhalb Europas gibt es ausgedehnte Verbreitungslücken nur in Irland, dem Süden der Iberischen Halbinsel, auf den Mittelmeerinseln und im italienischen Apulien, in Nordskandinavien, im Nordosten des europäischen Teils von Russland und an der Nordseite des Schwarzen Meeres. Im Osten reicht das Areal bis über den Ural bis zum Tobol nach Südwestsibirien und zum Nordwestrand von Kasachstan. Entlang der Südküste des Schwarzen Meeres verläuft ein schmales Verbreitungsband durch die Türkei bis in den gesamten Kaukasus. Ein offenbar disjunktes kleines Teilareal befindet sich an der Südküste des Kaspischen Meeres im Nordiran.
Die Höhenverbreitung reicht vom Tiefland bis in die Hochgebirge oberhalb der Baumgrenze; so werden im Schweizer Graubünden 2100 m NN erreicht, in den österreichischen Alpen maximal 2400 m.
In Deutschland kommt die Blindschleiche als häufigstes Reptil in fast allen Regionen vor; lediglich auf Fehmarn und den Nordseeinseln sowie in küstennahen Marschgebieten fehlt sie. Ein Schwerpunkt der Verbreitung sind die bewaldeten Mittelgebirge. Auch in Österreich und in der Schweiz werden bis auf hochalpine Extremlagen alle Regionen von ihr besiedelt.
Unterarten
Die Blindschleiche wird nach morphologischen Merkmalen traditionell in eine westliche und eine östliche „Rasse“ (Unterart) unterteilt – diese zoogeographische Aufspaltung ist durch die letzte Eiszeit begründet. Die westliche ist die Nominatform Anguis fragilis fragilis, die östliche wird als Anguis fragilis colchicus (bzw. colchica) bezeichnet. Die Grenze zwischen beiden verläuft in einer breiten, nicht immer eindeutig zu definierenden Übergangszone von Finnland über das Baltikum, den Karpatenbogen und die ungarische Tiefebene zum Dinarischen Gebirge. Blindschleichen aus dem deutschsprachigen Raum gehören somit ausschließlich zur Nominatform. Eine Eigenschaft der östlichen Rasse ist, dass blau getüpfelte Individuen wesentlich häufiger anzutreffen sind.
Die Blindschleichen des griechischen Peloponnes und der Ionischen Inseln, die früher als weitere Unterart behandelt wurden, werden mittlerweile als eigene Art, Anguis cephallonicus (bzw. cephallonica), angesehen. Insgesamt gilt die Systematik der Blindschleiche aber noch als unzureichend geklärt, vor allem nach moderner molekularbiologischer Methodik.
Lebensräume
Hinsichtlich der Lebensraumansprüche gilt die Blindschleiche als eurytop, sie nutzt also ohne besondere Spezialisierung eine Vielzahl unterschiedlicher Biotope. Am regelmäßigsten ist sie in lichten Laubwäldern und an deren Rändern, an Hecken, in teilentwässerten Hochmooren und an Moorrändern und an gebüschgesäumten Borstgrasrasen anzutreffen, ferner in Heidegebieten, auf Brachen, Wiesen, an Bahndämmen, Wegrändern, in Parks und naturnahen Gärten der Siedlungsränder; selbst dichte Nadelwälder mit nur kleinräumigen Sonnenflächen genügen ihr manchmal. Die Tiere bevorzugen deckungsreiche krautige Vegetation und eine gewisse Bodenfeuchte; im Hinblick auf die Umgebungstemperatur sind sie etwas weniger wärmebedürftig als viele andere Reptilien. Entsprechend ihrer breiten ökologischen Amplitude kann die Blindschleiche sowohl mit Arten feuchterer Gebiete (wie Waldeidechse und Kreuzotter) als auch mit solchen eher trockener Lebensräume (wie Schlingnatter und Zauneidechse) gemeinsam vorkommen.
Gerne nutzt sie geschützt gelegene trockene Sonnenplätze, beispielsweise auf Totholz, dunklem Humusboden und Torf oder auf alten Grasbulten, die sich in Nachbarschaft zu etwas feuchteren, aber auch leicht erwärmbaren, nicht zu schattigen Versteckplätzen (Erdlöcher, Hohlräume unter Baumwurzeln, liegendem Holz, Steinen, Plastikfolie oder Blech, Felsspalten, Moospolster, auch Laub- und Komposthaufen oder Brennholzstapel) befinden. An besonders günstigen Versteckplätzen finden sich oft mehrere Tiere gleichzeitig ein.
Lebensweise
Überwinterung
Den Winter verbringen Blindschleichen in Kältestarre bzw. Ruhe in den oben genannten, möglichst frostsicheren Verstecken. Häufig bohren sie sich auch selbst unterirdische Gänge von 15 bis zu 100 cm Länge und verschließen die Öffnung mit Moos oder Erde. Regelmäßig findet die Überwinterung gesellig statt, in Gruppen von 5 bis 30, ausnahmsweise auch über 100 Individuen. Dabei befinden sich die älteren offenbar in größerer Tiefe, während sich die etwas später dazustoßenden Jungtiere mehr in Eingangsnähe aufhalten. Sogar gemeinsame Winterquartiere mit Fressfeinden wie Schlangen sind beobachtet worden. In Mitteleuropa zieht sich die Mehrzahl der Blindschleichen im Laufe des Oktobers in die Unterschlüpfe zurück; heraus kommen sie meistens wieder ab März oder Anfang April (zumindest im Tiefland), wenn die Außenbedingungen dies zulassen.
Tagesaktivität, Nahrung, Fressfeinde
Die Art ist vor allem tagaktiv, zum einen in den Morgenstunden von 4 bis etwa 10 Uhr, zum anderen abends von 18 bis 21 Uhr. Bei feucht-milder Witterung, etwa vor Gewittern oder bei warmem Nieselregen, ist sie auch in der übrigen Tageszeit außerhalb der Verstecke anzutreffen. Möglicherweise werden sehr milde Sommernächte ebenfalls zur Nahrungssuche genutzt. Blindschleichen jagen in erster Linie Nacktschnecken, Regenwürmer und unbehaarte Raupen; ihr nach hinten gekrümmtes Gebiss hilft ihnen beim Festhalten dieser schlüpfrigen Beutetiere. Unter den Schnecken sind besonders Ackerschnecken von Bedeutung als Nahrung, aber auch kleinere Exemplare großer Wegschneckenarten werden gefressen. Zum erweiterten Beutespektrum gehören Asseln und Saftkugler, Heuschrecken, Käfer und deren Larven sowie Blattläuse, Zikaden und Ameisen, ferner kleinere Spinnen. Blindschleichen sind zwar nicht blind, haben aber eine eingeschränkte Sehleistung (unter anderem sind sie farbenblind). Für die Orientierung, auch bei der Jagd, spielen der Geruchs- und der Tastsinn eine wichtige Rolle. Die Beutetiere werden mit den Kiefern gepackt und allmählich im Ganzen verschluckt. Bei einem größeren Regenwurm kann dies bis zu einer halben Stunde dauern.
Die Blindschleiche hat ihrerseits viele Fressfeinde, darunter Schlangen (insbesondere die Schlingnatter), Säugetiere wie Fuchs, Dachs, Iltis, Hermelin, Igel, Wildschwein und Ratten sowie zahlreiche Vögel (Störche, Reiher, Greifvögel, Eulen, Rabenvögel, Würger). Den Jungtieren stellen zudem Drosseln, Stare, Spitzmäuse, große Laufkäfer, Erdkröten, Eidechsen und junge Schlangen nach. In Siedlungsnähe des Menschen sind vor allem Hauskatzen, Hunde und Hühner eine Gefahr für Blindschleichen.
In Bedrängnis und wenn sie ergriffen werden, winden sich die Tiere hin und her und scheiden dabei oft Harn und Kot ab. Zu Beißversuchen gegenüber dem Angreifer kommt es nur selten. Schließlich kann ein Schwanzstück abgeworfen werden, das dann noch minutenlang heftig zappelt und zuckt. Dies ist vor allem gegenüber Vögeln und Säugern eine effektive Ablenkungsmaßnahme.
Die Morgen- und Abendstunden werden auch zur Thermoregulation genutzt, indem die Blindschleiche ein Sonnenbad nimmt oder sich in der Abenddämmerung auf eine die Tageswärme abstrahlende Oberfläche legt – das sind oft auch Asphaltstraßen und andere Wege, auf denen die Tiere dann in großer Zahl überfahren werden. Wegen der versteckten Lebensweise ist das Wissen zum genauen Tagesablauf einer Blindschleiche noch recht lückenhaft. Dies gilt auch für den Raumbedarf, für Bestandsgrößen und -dichten und andere populationsökologische Fragen.
Fortpflanzung und Individualentwicklung
In Mitteleuropa liegt die Paarungszeit der Art meist zwischen Ende April und Juni. Die Männchen ringen in sogenannten Kommentkämpfen dann oft heftig um die Weibchen, obwohl diese in den meisten Populationen in der Überzahl sind. Die Kontrahenten versuchen sich gegenseitig zu Boden zu drücken, beißen sich und schlingen sich fest umeinander. Bei der Paarung wird das Weibchen in den Kopf oder die Nackenregion gebissen, während das Männchen seine Hemipenes in die Kloake des Weibchens einführt. Die Kopulation kann mehrere Stunden dauern. Mitunter paaren sich Weibchen später noch mit anderen Männchen. Die Tragzeit der Weibchen dauert 11 bis 14 Wochen; anschließend – zwischen Mitte Juli und Ende August, manchmal noch später – werfen sie meist zwischen acht und zwölf Junge (Extremwerte: 2 bis 28). Bei der Geburt befinden sich die 7 bis 10 cm langen Jungtiere in einer sehr dünnen, transparenten Eihülle, die sie sofort danach durchstoßen (Ovoviviparie). Sie wiegen zunächst weniger als ein Gramm und besitzen noch einen Dotterrest.
Vor ihrer ersten Überwinterung wachsen die Jungtiere kaum noch; erst im Jahr darauf legen sie an Länge und Gewicht deutlich zu. Bei einer Gesamtlänge von 12,5 bis 25 cm und einem Lebensalter von drei bis fünf Jahren werden junge Blindschleichen geschlechtsreif. Im Laufe des Wachstums finden jährlich drei bis vier Häutungen während der gesamten Aktivitätsperiode statt. Dabei wird die alte Hautoberschicht von vorne nach hinten zu Wulsten zusammengeschoben und abgestreift. Ein Häutungsvorgang kann ein bis mehr als zwei Wochen andauern.
In Gefangenschaft können die Tiere sehr alt werden; ein Alter von 46 Jahren ist belegt, auch 54 Jahre werden genannt. In der freien Landschaft ist es wegen vieler Fressfeinde und anthropogen verursachter Gefahren aber sehr unwahrscheinlich, dass Blindschleichen so alt werden.
Gefährdung und Schutz
Die Blindschleiche gilt als Kulturfolger und hat lange von Landschaftsveränderungen durch Menschen profitiert, da viele strukturreiche, halboffene Biotope entstanden. In der modernen Zivilisationslandschaft erleidet die Art aber hohe Verluste durch intensive Land- und Forstwirtschaft, Flurbereinigung, Flächenentwässerung, Straßenverkehr, Siedlungs- und Straßenbau, Rekultivierungsmaßnahmen in Abbaugruben, die Mahd von Gras-Stauden-Randstreifen und Wiesen (besonders mit Kreiselmähern), die Beseitigung von Versteckplätzen, das „Aufräumen“ von „unordentlichen“ Böschungen und Ruderalfluren und vieles mehr. In Siedlungsnähe stellt die Anwendung von Pestiziden wie Schneckenkorn eine Vergiftungsgefahr für Blindschleichen dar.
Aus Unkenntnis und Abneigung gegenüber der vermeintlichen Schlange wird die völlig harmlose Blindschleiche auch heute noch in großer Zahl erschlagen oder zertreten, wenn man ihr begegnet. Dies kann lokal durchaus bestandsbedrohende Ausmaße annehmen. Von Hauskatzen werden Blindschleichen und andere Kleinreptilien gejagt und dabei zumindest verletzt. Durch ihr Verhalten, sich auf Wege zu legen, um Wärme zu tanken, fallen sehr viele Blindschleichen dem Verkehr zum Opfer. Dabei werden sie häufig auch von Radfahrern überfahren.
Trotz dieser Verluste ist die Art in Mitteleuropa noch häufig und gilt im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) als ungefährdet.
Gesetzlicher Schutzstatus (Auswahl)[1]
- FFH-Richtlinie: (nicht aufgeführt)
- Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG): besonders geschützt
- Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV): Anlage 1 (besonders geschützt)
Nationale Rote Liste-Einstufungen (Auswahl)[2]
- Rote Liste Bundesrepublik Deutschland: n (nicht gefährdet, nicht geführt)
- Rote Liste Österreichs: NT (Gefährdung droht; Vorwarnliste)
- Rote Liste Schweiz: LC (nicht gefährdet; allerdings Rückgang des Bestands im Mittelland und den Tieflagen der Täler)[3]
Quellen
Dieser Artikel wurde in der Fassung vom 18. Oktober 2008 auf der Grundlage der folgenden Literatur erstellt:
- Rainer Günther & Wolfgang Völkl: Blindschleiche – Anguis fragilis Linnaeus, 1758. S. 617–631 in: R. Günther (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. Gustav Fischer, Jena 1996, ISBN 3-437-35016-1
- Heribert Wolfbeck & Klemens Fritz: Blindschleiche, Anguis fragilis Linnaeus, 1758. S. 619–632 in: Laufer/Fritz/Sowig (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Baden-Württembergs. Ulmer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8001-4385-6
Darüber hinaus werden folgende Einzelnachweise aufgeführt:
- ↑ Blindschleiche bei www.wisia.de
- ↑ Online-Übersicht bei www.amphibienschutz.de
- ↑ Rote Liste Reptilien der Schweiz, 2005 (pdf, online)
Weiterführende Literatur
Zur Blindschleiche liegen außerdem folgende deutschsprachige Monographien vor:
- Wolfgang Völkl & Dirk Alfermann: Die Blindschleiche – die vergessene Echse. Laurenti-Verlag, Bielefeld 2007 (160 S.), ISBN 978-3-933066-33-6
- Hans-Günter Petzold: Blindschleiche und Scheltopusik. Die Neue Brehm-Bücherei, Westarp Wissenschaften, Magdeburg 1995 (102 S.), ISBN 3-89432-473-2
Weblinks
- Fotos der Blindschleiche bei www.herp.it
- Eintrag zur Blindschleiche bei „Reptiles Database“ (Engl.; unter anderem wissenschaftliche Synonyme)
- Informationen und Fotos bei www.reptilien-brauchen-freunde.de
- Blindschleiche in Österreich – Informationen und Fotos bei www.herpetofauna.at
- Blindschleiche in der Schweiz – Informationen und Fotos bei www.karch.ch
- Verbreitungskarte für Europa bei der SEH
Wikimedia Foundation.