Kölner Klagemauer

Kölner Klagemauer
Klagemauer 1994
Klagemaueraktion gegen atomare Rüstung 2006

Die Kölner Klagemauer (auch „Klagemauer für Frieden“ und „Palästinawand“) entstand Ende der 1980er Jahre auf Initiative Walter Herrmanns am sogenannten Bierbrunnen der Schildergasse. Auf Wäscheleinen aufgehängt, wurde dort auf kleinen Papptafeln die Wohnungsnot und das Leid von Obdachlosen angeprangert. 1991 entstand die „Klagemauer für Frieden“ auf der Domplatte am Südturm des Kölner Doms, unterstützt von der Mahnwache gegen den Zweiten Golfkrieg. Domkirche und das Ordnungsamt versuchten, das Projekt mittels Gerichtsverfahren, Beschlagnahmungen und Räumungen zu verhindern.

Die rund 50.000 Passanten und Unterstützer bis 1997 nutzten diese Form der freien Kommunikation, darunter auch Prominente wie zum Beispiel der Dalai Lama, Ernesto Cardenal, Lew Kopelew oder Klaus Staeck. Sie notierten ihre handschriftlichen Friedenswünsche, Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit oder Anti-Kriegsproteste auf kleinen DIN-A-4-formatigen Papptafeln. 1998 folgte dafür die Verleihung des Aachener Friedenspreises.

Seit einer Neuauflage der „Klagemauer“ auf der Domplatte ab 2004 durch Walter Herrmann widmet sie sich inhaltlich[1] einer Darstellung des palästinensisch-israelischen Konflikts, die mehrfach als verzerrend und einseitig bewertet wurde.[2] Sie wird daher auch Palästinawand[3] genannt. Vertreter der Synagogen-Gemeinde Köln forderten ab 2005 nachdrücklich ein Verbot der Mauer.

Inhaltsverzeichnis

Rechtliche Auseinandersetzungen

Klagemauer im Jahr 2011

1997 wurde die Dauerausstellung auf Betreiben der Stadt Köln von der Domplatte entfernt. Das Oberlandesgericht Köln warf dem Initiator vor, auf „fremdem Grundstück widerrechtlich in die Eigentümerrechte der Stadt Köln“[4] eingegriffen zu haben und stellte das Eigentumsrecht an diesem Ort vor das Recht auf freie Meinungsäußerung. Seitdem wird die Klagemauer in verkleinerter mobiler Form auf- und wieder abgebaut.

Dies wird rechtlich nun als Dauerdemonstration und nicht als Informationsstand gewertet. Damit das Versammlungsgesetz erfüllt wird, sind immer mindestens zwei Personen anwesend. Die auf Papptafeln niedergeschriebenen Kommentare der Passanten, die an einer der drei Stellwände befestigt werden, gelten als Redebeiträge auf einer Demonstration. Diese Rechtsauffassung wurde Walter Herrmann zuletzt 2007 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt, nachdem das Land Berlin 2003 eine von ihm geplante Aktion in Berlin „Gegen die Militärintervention im Irak und anderswo“ nicht genehmigt hatte.[5]

Auszeichnungen

1998 wurden die Initiative und ihre Unterstützer mit dem Aachener Friedenspreis gewürdigt.

Kritik an der Darstellung des Nahost-Konflikts

Zwei Schilder aus dem Januar 2011: Links die Gegenüberstellung von Adolf Hitler und Israel, rechts eine Kritik an der einseitigen Darstellung der Klagemauer

Kritiker, darunter Vertreter der Synagogen-Gemeinde Köln,[6] Henryk M. Broder[7] und Gerd Buurmann[8] werfen den Verantwortlichen vor, durch die einseitige Darstellung des Leides der Palästinenser und die Darstellung der israelischer Politiker als Kriegsverbrecher den Nahostkonflikt verzerrt darzustellen und so antisemitische Ressentiments zu schüren. Israel werde durchgehend als Aggressor dargestellt, von Terroranschlägen durch palästinensische Organisationen hingegen geschwiegen oder diese als verzweifelte Taten von Hoffnungslosen dargestellt. Von den Zielen der palästinensischen Hamas oder auch der libanesischen Hisbollah erführe man an der Klagemauer nichts, deren Antisemitismus werde nicht thematisiert. Die Kritiker werfen den Verantwortlichen somit auch ein Verstoß gegen die eigenen Ansprüche vor, nämlich gegen Krieg und Gewalt zu sein. Offensichtlich toleriere man aber antisemitisch motivierte Gewalt, der Krieg gegen Israel falle nicht unter die eigene Kriegsgegnerschaft.[9] Ein von der Synagogen-Gemeinde im Jahr 2005 gefordertes Verbot der Mauer wurde unter Berufung auf die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit von der Stadt abgelehnt.[6]

Im Januar 2010 wurde an der Klagemauer die Karikatur einer mit einem Davidstern gekennzeichneten Person angebracht, die sich - vor sich ein mit roter Flüssigkeit gefülltes Glas - anschickt ein palästinensischen Kind mit Messer und Gabel zu zerstückeln und zu verspeisen.[10] Gegen diese Darstellung haben der Kölner Theatermacher Gerd Buurmann und weitere Personen Strafanzeige wegen des Verdachts der Volksverhetzung gestellt.[11] “Eine solche Karikatur hat es vor dem Kölner Dom seit dem “Dritten Reich” nicht mehr gegeben”, so Buurmann. “Israel kann und soll kritisiert werden. Aber die Kritik findet dort ihre Grenzen, wo sie sich der Symbole der Nazis und Antisemiten bedient.”[8] Wegen der als antisemitisch empfundenen Darstellung wandten sich Bürgerinnen und Bürger in einer Petition an den Rat der Stadt,[12] dessen Fraktionen sich ihrerseits kritisch mit der Klagemauer auseinandersetzten.[13] Distanzierte bis ablehnende Reaktionen gab es in der israelischen Presse,[14][15] aber auch vom Vorsitzenden des Aachener Friedenspreises, Karl Heinz Otten[16] Die Staatsanwaltschaft wies den Strafantrag zurück.[17] Schließlich erklärte Herrmann in einer schriftlichen Stellungnahmung: „Ich stimme nicht mit der Bildaussage der antiisraelischen Karikatur überein, vielmehr distanziere ich mich von ihr, da sie als antisemitisch aufgefasst werden kann“.[17]

Nach einer Pause von Februar bis September 2010[18] wird die „Klagemauer Palästina“ inzwischen wieder gezeigt. Im Dezember 2010 verabschiedeten Oberbürgermeister, Bürgermeister, sechs Ratsfraktionen, Vertreter der Kirchen und der Synagogengemeinde sowie die Vereine zur Pflege der Städtepartnerschaften mit Bethlehem und Tel Aviv eine Resolution gegen die als einseitig und antisemitisch empfundenen Darstellungen der Klagemauer.[19] Zeitgleich, am 19. Dezember 2010, erschien beim jüdischen Internetmagazin haGalil ein Themenschwerpunkt mit Beiträgen prominenter Kölner Autoren, in denen sie die "Klagemauer" als antisemitisch verurteilen.[20][21]

Literatur

  • Die Kölner Klagemauer für Frieden und Völkerverständigung. Hg. von der Heinrich-Böll-Stiftung. Köln 1997, ISBN 3-89502-065-6
  • Roland Kaufhold (2010): Ein Überzeugungstäter. Ein Kölner Dauerdemonstrant „entdeckt“ den Antisemitismus, in: Die Tribüne H. 194, Nr. 2/2010, S. 40-42.2
  • "Monika Winter (Dez.2010): "Die Hasswand in Köln - Antisemitismus in der Domstadt". Hg. von éditions europarloir (europarloir.de), ISBN 978-2-919765-00-3

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Mahner mit Hang zur Egomanie - Kölner Klagemauer
  2. „Kölner Klagemauer“ - alltäglicher Antisemitismus im Schatten des Doms
  3. Die „Kölner Klagemauer“ - Antisemitismus im Schatten des Doms
  4. zit. nach: http://www.finanztip.de/recht/immobilien/bw054.htm
  5. Online Flyer der Neue Rheinische Zeitung (online) vom 3. Oktober 2007 [1]
  6. a b Gemeindeblatt der Synagogen-Gemeinde Köln, Juli 2005 [2]
  7. Mit Hätz un Siel jejen Israel von Henryk Broder (Link nicht mehr abrufbar)
  8. a b Kölner Stadtanzeiger, Donnerstag, 4. Februar 2010; Seite 30 [3]
  9. MAD Köln: 20 Quadratmeter gegen Israel, 20. März 2008 [4]
  10. Jude verspeist palästinensisches Kind“
  11. Tapfer im Nirgendwo - Volksverhetzung auf der Domplatte
  12. Gegen Antisemitismus in Köln“
  13. Reaktionen mehrerer politischer Parteien und Einzelpersonen aus Köln [5]
  14. „Germany starting to grasp nature of modern anti-Semitism“ Jerusalem Post online, 24. Februar 2010 [6]
  15. „Cologne tolerates 'anti-Semitic’ exhibit [7]
  16. Aachener Nachrichten Online vom 24. Februar 2010 [8]
  17. a b BERICHT/002: Die „Kölner Klagemauer“ im Abseits ideologischer Stigmatisierung (SB), Schattenblick, 17. August 2010
  18. Helmut Frangenberg: „Klagemauer“ am Dom abgehängt, in: Kölner Stadt-Anzeiger am 23. Februar 2010, online
  19. Die Klagemauer-Resolution im Wortlaut in: Kölner Stadt-Anzeiger online, abgerufen am 18. Dezember 2010
  20. Resolution gegen die Kölner Klagemauer « Israel & Judentum
  21. Keine Menschenfeindlichkeit in Köln – auch nicht an der “Klagemauer” « Israel & Judentum

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