- Anker (Bauwesen)
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Ein Anker ist im Bauwesen ein Bauteil, das eine zugsichere Verbindung (Verankerung) von Bauteilen herstellt. Ein Anker nimmt Zugspannungen auf, die bei Schub entstehen. Anker müssen daher aus Material bestehen, das auf Zug beansprucht werden kann, sie sind also in der Regel aus Holz oder Eisen bzw. Stahl, nicht aus Stein oder Beton (wohl aber aus Stahlbeton). Weitere Anker, die im Tiefbau und in der Geotechnik verwendet werden, sind unter Anker (Geotechnik) aufgezeigt.
Inhaltsverzeichnis
Maueranker
Ein Maueranker ist ein Metallteil (meistens aus Eisen oder Stahl) in einer Wand oder Mauer, das Zugkräfte aufnimmt, die im hinter der Mauer liegenden Bauwerk auftreten. Der Anker besteht eigentlich aus zwei Elementen: Zum einen dem Balken oder der Metallstange, der bzw. die in den Baukörper hineinreicht, welcher mit der Mauer verbunden werden soll. Dieser Balkenanker sichert als ein in die Tiefe des Gebäudes laufender Balken die Verbindung der Wand mit dem Baukörper. (Heute übernehmen meist Ringanker aus Stahlbeton diese Aufgabe.) Zum anderen dem in der Mauer liegenden (Eisen-)Element, das die Verankerung sichert. Bei einem Holzbalken ist der Ankerkopf als ein mit Nägeln oder Schrauben am Balken befestigtes Flacheisen ausgebildet, das mit einer Öse, dem Auge, versehen ist. Durch diese Öse wird ein Ankersplint, der im Mauerwerk eingemauert ist oder außen am Mauerwerk anliegt, hindurchgesteckt. Dieser Ankersplint ist im einfachsten Fall ein Flacheisen, das in der Mitte gestaucht ist, damit es nicht durch die Öse fällt.
Da Maueranker überwiegend offen an der Fassade sichtbar sind, wurden die Ankersplinte an aufwändigeren Bauten kunstvoll zu Zierankern geschmiedet oder als Doppelsplint zu einem Kreuzanker ausgebildet. Oft sind sie auch als Zahlen und Buchstaben in symmetrischer Anordnung geformt, die das Baujahr und den Bauherrn (mit seinen Initialen) erkennen lassen oder sie wurden mit geschmiedeten Ornamenten oder Rosetten verziert. Maueranker sind seit der Antike bekannt und wurden bis in das 19. Jahrhundert sowohl vorbeugend (z. B. bei nachgebenden Baugrund) als auch nachträglich bei schon aufgetretenen Rissbildungen eingebaut. Ein Abkippen beispielsweise einer Fassade vom Gebäude wird so verhindert.
Zuganker, Ankerbalken
Zuganker oder Ankerbalken werden eingesetzt, um die Schubwirkung von Bögen und Gewölben aufzunehmen. Zuganker wurden oft als vorübergehende Sicherung der Gewölbe eingebaut und dann abgesägt, nachdem die Gewölbe durch Aushärtung des Mörtels standfest geworden waren (nachgewiesen in der Kathedrale von Chartres und Westminster Abbey). Bei anderen Bauten beließ man die Zuganker zur Sicherung der Gewölbe im Bau. Vor allem in Backsteinbauten war dies üblich. Im Mittelalter gab es Zuganker aus Holzbalken, aber meist als Kombinationen aus Holzbalken und Flacheisen und Eisensplinten (siehe Maueranker).
Der Ankerbalken eines Fachwerkhauses oder Dachstuhls sichert die durch den Schub der Dachsparren auseinandergedrückten Längswände, indem er die beiden Sparren (das Gespärre) zu einem kraftschlüssigen Dreieck verbindet. Entweder werden die Sparren an ihrem Fuß durch den Ankerbalken direkt verbunden, oder die beiden Ständer, auf denen die Sparren aufliegen, werden verbunden.
Giebelanker
Da ein Giebel nicht im Wandverbund verankert ist, ist er instabil. Bei starker Windlast würde er sofort umkippen. Deshalb wird der Giebel mit einem Giebelanker in der Balkenlage und dem Dachstuhl verankert. Da die Balkenlage parallel zum Giebel verläuft, wird der Giebelanker mindestens über zwei Balken gelegt und mit diesen verbunden. Wird der Giebel mit der Dachkonstruktion verankert, wird er meistens mit den Pfetten verbunden. Diese haben durch Kopfbänder schon eine Längsaussteifung und können den Giebel stabilisieren.
Wenn ein Giebel zeitgleich mit dem Haus entsteht, ist er in der Regel immer mit der Fassade, der Mittelwand und der Rückwand verzahnt gemauert (vertikale Anbindung). Zusätzlich erfolgt dabei eine mehrfache horizontale Anbindung in jeder Deckenebene über mindestens zwei Deckenbalken mit so genannten Flachstahlankern, ohne den direkt am Giebel anliegenden Streichbalken in Anspruch zu nehmen. Voraussetzung ist hier die parallele Balkenlage zum Giebel.
Wirklich frei stehende Giebel entstehen, wenn ein Haus abgerissen wird, zu dem der Giebel ursprünglich gehörte. In einigen Bundesländern war es zugelassen, dass in einer Reihenbebauung einfach stumpf angebaut werden durfte, ohne einen eigenen Giebel dabei mit hochzumauern. Wenn ein Haus mit eigenem, verzahntem Giebel nun weggerissen wird, ohne dass dieser vorher am verbleibenden Nachbarhaus verankert wurde, wird es sehr wahrscheinlich zum sofortigen Einsturz dieses Giebels kommen, wenn dieser vorab von der Abrisssubstanz getrennt wurde und die aussteifende Wirkung der Deckenebenen und Längswände des Abrisshauses wegfällt.
Es gibt mittlerweile Verfahren, die es ermöglichen, einen solchen Giebel vor Abriss am verbleibenden Nachbarhaus wirksam zu verankern, ohne dass dabei die Bewohner in irgendeiner Form beeinträchtigt werden. Die Anbindung eines Giebels ausschließlich an die Dachkonstruktion ist nur bei eingeschossigen Häusern üblich und einigermaßen wirksam. Bei mehrgeschossigen Gebäuden erfolgt die Anbindung vertikal durchgehend und in jeder Deckenebene.
Ringanker
Ein Ringanker ist ein ringförmig geschlossenes Bauteil aus Holz oder Eisen, das ein Auseinanderfallen der umschlossenen Bauteile verhindern soll. Es wird bei Kuppeln und Klostergewölben eingesetzt, um den in die Umfassungswände eingeleiteten (Gewölbe-)Schub aufzunehmen. Werden Ringanker aus einzelnen Bauteilen zusammengesetzt, so müssen die Verbindungen untereinander ausreichend Zugspannungen aufnehmen können.
Historische Beispiele
Berühmtes Beispiel einer solchen Konstruktion ist die Kuppel des Doms von Florenz. Ebensolche eiserne Ringanker finden sich aber bereits an der karolingischen Kuppel des Aachener Doms, wahrscheinlich aus der Erbauungszeit (um 800). Die an den Chorpolygonen von gotischen Kirchen auftretenden Schubkräfte des Gewölbes und des Dachstuhls können gleichfalls durch Ringanker neutralisiert werden. Dies wird besonders dann nötig, wenn die Mauern wie seit der Hochgotik üblich durch große Glasflächen in ihrer Widerstandsfähigkeit geschwächt sind. Beispiele finden sich an den Chören der Dome von Köln und Aachen[1] Schließlich sind auch bei Turmbauten die in große Höhe aufstrebenden Mauern durch Ringanker zu sichern, schon bei Bauten auf quadratischem Grundriss, besonders aber bei Oktogontürmen mit spitzen Turmhelmen, die diagonale Kräfte ausüben. Prominente Beispiele sind der Turm des Freiburger Münsters mit mehreren Ringankerlagen und weitere ähnlich konstruierte Beispiele (Turmhelme des Magdeburger Doms). Oft werden Ringanker auch in der denkmalpflegerischen Bautätigkeit zur Ertüchtigung des Baus nachträglich eingebracht oder bei der Rekonstruktion historischer Steinkuppeln als zusätzliche Sicherheit verbaut, so in der Dresdner Frauenkirche. Außerdem werden Ringanker auch eingesetzt, um den Schub von Dachwerken abzufangen.
Bei konventionell gefertigten Häusern (Stein auf Stein) besteht der Ringanker aus Moniereisen, die zum Korrosionsschutz in Beton eingegossen werden. Verwendung finden Ringanker zum Beispiel am Kopf von Mauerwerkswänden, bei Bauten ab zwei Geschossen und Wänden mit vielen großen Wandöffnungen sowie Längen von über 18 Metern, wenn die Baugrundverhältnisse es erfordern. Auch hier stellen sie die Scheibenwirkung der Wand sicher, indem sie im Mauerwerk ein Zugband ausbilden. Gängigerweise wird der Ringanker als geschlossenes Polygon ausgeführt, d. h. umlaufend um das Gebäude, entweder im Deckenrand als Bewehrung in der Deckenscheibe, oder z. B. als eingelegter Blechstreifen in Mauerwerkswänden, daher der Name "Ring"-Anker. Die Funktion der Ringanker in Bauwerken ohne schubsteife Deckenscheiben (z. B. bei Holzbalkendecken) kann auch von den Ringbalken übernommen werden, die dann dafür gesondert bemessen werden müssen.
Litzenanker
Litzenanker sind geotechnische Bauteile, die im Felsbau und in der Böschungssicherung zum Einsatz kommen. Sie bestehen im Allgemeinen aus sieben Drähten aus hochzugfestem Stahl. Sie werden in ein Bohrloch eingeführt und an dessen Grund mit Zementmörtel oder Kunstharz befestigt (verankert). Das luftseitige Ende wird am Bohrlochmund mit Spannvorrichtungen gespannt und mit Keilen und Ankerplatten fixiert. Das Pendant zum Litzenanker ist der Stabanker.
Spundwandanker
Spundwandanker finden bei der Verankerung von dauerhaften oder temporären (weniger als 2 Jahre) Spundwandbauwerken ihre Anwendung. Bei Dauerankern ist der Korrosionsschutz von großer Bedeutung. Die Anker können horizontal als „Totmann“-Konstruktion mit einer Ankerwand oder geneigt als sogenannte Verpressanker eingesetzt werden. Das Ankermaterial ist in der Regel ein GEWI-Stahl.
Literatur
- Otto Gruber: Anker (in der Architektur), in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 1935, Sp. 708-714, Onlineversion.
Einzelnachweise
- ↑ Maren Lüpnitz: Der mittelalterliche Ringanker in den Chorobergadenfenstern des Kölner Domes, in: Kölner Domblatt 62.1997, S. 65-84. Dorothee Hugot: Die Erneuerung des mittelalterlichen Ringankersystems der Chorhalle durch Dombaumeister Dr.-Ing. Leo Hugot und die damit verbundene Öffnung der beiden mittelalterlichen Fenster, in: Berichte des Karlsvereins zur Wiederherstellung des Aachener Doms, 1984, S. 1-22.
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