Leefbaar Nederland

Leefbaar Nederland

Leefbaar Nederland - LN („Lebenswerte Niederlande“) war eine aus lokalen, ursprünglich liberalen Kommunalparteien als Graswurzelbewegung entstandene populistische und nationalistische Partei der Niederlande, die am 25. März 1999 in Hilversum von dem Vorsitzenden der lokalen Bürgergruppe Leefbaar Hilversum, Jan Nagel, der auch erster Vorsitzender von Leefbaar Nederland wurde, dem Sänger Henk Westbroek, dem Rundfunkmoderator Willem van Kooten, dem Unternehmer Broos Schnetz und dem Journalist Ton Luiting gegründet wurde.

Die Partei wurde auch zum Sprungbrett von Pim Fortuyns politischer Karriere.

Am 27. Juli 2006 wurde bekannt, dass die Partei an den Wahlen der Zweiten Kammer von 2006 nicht teilnimmt [1] und aufgelöst wird. Grund ist eine Überschuldung der Partei. [2]

Lokale Bürgergruppen wie Leefbaar Hilversum, Leefbaar Utrecht, Leefbaar Rotterdam oder Leefbaar Delft sind bestehen geblieben.

Inhaltsverzeichnis

Parteiziele

Ursprünglich hatte die Partei kein klares politisches Profil, sondern war als Protestbewegung niederländischer Bürger entstanden, die mit der festgefahrenen Politik auf nationaler Ebene und den sich zunehmend verschlechternden Arbeits- und Lebensbedingungen unzufrieden waren. Die Aktionen dieser kleinen kommunalen Stadtparteien oder Bürgergruppen waren gelegentlich links, doch meistens deutlich rechtsauslegend, blieben insgesamt diffus und waren in den verschiedenen Kommunen unterschiedlich erfolgreich.

Die Proteste drehten sich hauptsächlich darum, Politik wieder „in die Hände des Volkes“ zu legen und den Bürgern direkten Einfluss auf die Regierung zu ermöglichen, was die etablierten Parteien ihnen genommen habe. Wie die aristokratisch-bürgerliche Elite des 18. Jahrhunderts die politische Ämter unter sich aufgeteilt hätten, so täten dies heutzutage die Berufspolitiker der etablierten Parteien. Um dieses „Parteienkartell“ zu brechen, wollte Leefbaar Nederland den Bürgern die Möglichkeit geben, ihre Bürgermeister, die Volksvertreter und den Ministerpräsidenten direkt zu wählen. Außerdem sollten Gesetze durch Volksabstimmungen korrigiert werden können.

Allerdings waren diese Forderungen in den Niederlanden absolut nicht neu; sie wurden schon 1966 von D66 („Demokraten 66“) thematisiert und teilweise auch von den Linksparteien GroenLinks („GrünLinks“) und der SP („Sozialistischen Partei“). Leefbaar Nederland wollte aber nicht den Linksparteien zugerechnet werden und strebte auch an, „die Berufspoltiker“ und „alle Bürokraten“ zu „entmachten“ sowie die Asylpolitik zu reformieren.

Pim Fortuyn

Programm und Aktivitäten von Leefbaar Nederland blieben oft unbeholfen und vergleichsweise zurückhaltend, denn der Partei fehlte eine publikumswirksame Zentralfigur. Weder Jan Nagel noch die anderen führenden Parteimitglieder waren in der Lage, eine medienwirksame Rolle zu spielen. Jan Nagel hatte aber lange genug im TV-Geschäft gearbeitet, um zu wissen, welche Eigenschaften eine solche Person haben musste und wie sie zu finden war. Im August 2001 fand er den charismatischen Pim Fortuyn, der schon auf dem Parteitag von November 2001 zum Spitzenkandidaten gewählt wurde.

Dieser radikalisierte das Parteiprogramm. Er verband die Kritik am politischen System mit scharfen Angriffen auf die niederländische Asyl- und Einwanderungspolitik und gegen die Grundsätze des Poldermodells. Eine moderne, dynamische und weltoffene Ökonomie wie die der Niederlande benötige keinen altmodischen „Korporatismus“. Arbeitnehmer würden ohne „paternalistische Intervention“ der Gewerkschaften ihre Rechte besser selber vertreten, da diese sich den Eliten der Arbeitgeberverbände und Karrierepoltiker angeschlossen hätten, die sich nur noch um sich selbst und nicht mehr um die wirklichen Probleme des Volkes kümmerten. Dies zeige sich besonders in der Asyl- und Einwanderungspolitik. Durch die mangelhafte Integration der Ausländer sei es in den Großstädten zu Unsicherheit, Verfremdung und Verwahrlosung gekommen, jede Diskussion darüber werde von „der Elite“ jedoch tabuisiert. Wer derlei Missstände anpragere, werde von den (von „der Elite“ ebenso beherrschten) Medien als Rechtsextremist beschimpft und mundtot gemacht.

Um dieses Tabu zu brechen, müsse Artikel 1 der niederländischen Verfassung gestrichen werden, der die Gleichheit aller betont [3] und es ihm beispielsweise erschwere, den Islam als eine rückständige Kultur zu bezeichnen, während umgekehrt ein Muslim ungestraft sagen könne, Homosexuelle seien weniger wert als Schweine. [4]

Diese Äußerungen Fortuyns schockierten nicht nur die Vertreter der anderen Parteien, sondern auch seine eigene Partei, während die Aussagen bei der Bevölkerung offensichtlich auf hohes Interesse stießen. Gleichwohl kam es zum Bruch zwischen Parteivorstand und Spitzenkandidat.

Danach fand Leefbaar Nederland nur mit Mühe einen neuen Spitzenkandidaten: Fred Teeven, einen Staatsanwalt, der sich zwar als Kriminalitätsbekämpfer einen gewissen Namen gemacht hatte, aber kein Charisma besaß.

Wahlen

Bei den Wahlen zur Zweiten Kammer vom Mai 2002 konnte die Partei trotz des vielversprechenden Wahlkampfes nur zwei Sitze erringen, was natürlich an der Trennung von Pim Fortuyn lag, da dessen kurzfristig gegründete eigene Partei, die LPF („Liste Pim Fortuyn“), aus dem Stand heraus 26 Sitze gewann. Gleichzeitig verlor Leefbaar Nederland Dreiviertel seiner Anhänger.

Vor den Wahlen zur Zweiten Kammer vom Januar 2003 entstand erneut Unruhe in der Partei, als die Parteiführung unerwartet Emile Ratelband als neuen Spitzenkandidaten vorschlug, Fred Teeven sich aus der Partei zurückzog und auf einem tumultös verlaufenden Parteitag letztlich die erst 22-jährige Haitske van der Linde als Spitzenkandidatin gewählt wurde. Bei den Wahlen verlor die Partei ihre beiden Sitze, wonach es schließlich immer stiller um sie wurde. In der Ersten Kammer war Leefbaar Nederland nie vertreten gewesen.

An den nationalen Parlamentswahlen 2006 hat sich Leefbaar Nederland nicht beteiligt. [5]

Anmerkungen

  1. http://www.parlement.com/9291000/modulesf/g3ihd999#par2
  2. Mitteilung der Partei vom 8. November 2006: http://www.leefbaar.nl/
  3. Artikel 1 des niederländischen Grundgesetzes (Grondwet) lautet: „Alle, die sich in den Niederlanden aufhalten, werden in gleichen Fällen gleich behandelt. Niemand darf wegen seiner religiösen, weltanschaulichen oder politischen Anschauungen, seiner Rasse, seines Geschlechtes oder aus anderen Gründen diskriminiert werden.“Siehe: http://www.verfassungen.de/nl/verf83-i.htm
  4. De Volkskrant-Interview, veröffentlicht am 10. Februar 2002
  5. http://www.parlement.com/9291000/modulesf/g3ihd999#par2

Weblinks


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