- Legendre-Polynom
-
Die Legendre-Polynome (nach Adrien-Marie Legendre), auch zonale Kugelfunktionen genannt, sind spezielle Polynome, die auf dem Intervall [-1,1] ein orthogonales Funktionensystem bilden. Sie sind die partikulären Lösungen der legendreschen Differentialgleichung. Eine wichtige Rolle spielen die Legendre-Polynome in der theoretischen Physik, insbesondere in der Elektrodynamik und in der Quantenmechanik.
Inhaltsverzeichnis
Herkunft
Konstruktion orthogonaler Polynome
Für ein Intervall I = [a,b] und eine darauf gegebene Gewichtsfunktion ist eine Folge (Pn) von reellen Polynomen orthogonal, wenn sie die Orthogonalitätsbedingung
für alle mit erfüllt.
Für das Intervall I = [ − 1,1] zusammen mit der einfachsten aller Gewichtsfunktionen können solche orthogonale Polynome mit Hilfe des Gram-Schmidtschen Orthogonalisierungsverfahren ausgehend von den Monomen iterativ erzeugt werden. Die Legendre-Polynome ergeben sich, wenn dabei zusätzlich Pn(1) = 1 gefordert wird.
Legendresche Differentialgleichung
Die Legendre-Polynome Pn(x) sind Lösungen der legendreschen Differentialgleichung
welche auch in der Form
geschrieben werden kann. Die allgemeine Lösung dieser Differentialgleichung lautet
mit den beiden linear unabhängigen Funktionen Pn(x) und Qn(x). Man bezeichnet die Legendre-Polynome Pn(x) daher auch als Legendre-Funktionen 1. Art und Qn(x) als Legendre-Funktionen 2. Art, denn diese sind keine Polynome mehr.
Darüber hinaus existiert noch eine verallgemeinerte Legendresche Differentialgleichung, deren Lösungen zugeordnete Legendrepolynome heißen.
Legendre-Polynome
Das n-te Legendre-Polynom hat den Grad n und ist aus , d.h., es hat rationale Koeffizienten. Für die Legendre-Polynome gibt es mehrere Darstellungsformen bzw. man kann sie rekursiv bestimmen.
Monomdarstellung
Die ersten Legendre-Polynome lauten:
Rodrigues-Formel
Alternative Darstellung
mit
Integraldarstellung
Für alle gilt
Rekursionsformeln
Für die Legendre-Polynome gelten folgende Rekursionsformeln:
Die erste rekursive Formel lässt sich mittels der Substitution n' = n + 1 in folgender, häufig zu findenden Weise darstellen:
Durch Anwendung der Ableitungsregel für Ausdrücke der Art y = xn mit y' = nxn − 1 = nx − 1y, bzw. y(m) = (n − m + 1)x − 1y(m − 1) ergibt sich folgende rekursive Darstellung der Legendre-Polynome, welche auch die Ableitungen dieser Polynome berücksichtigt:
Die Anfangsbedingungen lauten und .
Bei m = 0 ergibt sich wiederum die weiter oben angegebene Formel mit ihren Anfangsbedingungen.
Eigenschaften
Vollständiges Orthogonalsystem
Man betrachte den Hilbert-Raum , ausgestattet mit dem Skalarprodukt . Die Familie (Pn)n der Legendre-Polynome bildet auf ein vollständiges Orthogonalsystem, sie sind also ein Spezialfall von orthogonalen Polynomen. Normiert man noch (oder ändert man das Skalarprodukt durch Multiplikation von Konstanten ab), so bilden sie ein vollständiges Orthonormalsystem auf V. , wobei δnm das Kronecker-Delta bezeichnet. Dabei bedeutet die Vollständigkeit, dass sich jede Funktion (natürlich im Sinne der von erzeugten Topologie) nach Legendre-Polynomen „entwickeln“ lässt:
mit den Entwicklungskoeffizienten
In der physikalischen oder technischen Literatur wird die Vollständigkeit gern wie folgt als Distributionsgleichung geschrieben:
wobei δ die diracsche Delta-Distribution ist. Eine solche Distributionsgleichung ist immer so zu lesen, dass beide Seiten dieser Gleichung auf Testfunktionen anzuwenden sind. Wendet man die rechte Seite auf eine solche Testfunktion an, so erhält man f(x'). Zur Anwendung der linken Seite muss man definitionsgemäß mit f(x) multiplizieren und anschließend über x integrieren. Dann erhält man aber genau obige Entwicklungsformel (mit x' an Stelle von x). Orthogonalität und Vollständigkeit lassen sich daher kurz und prägnant wie folgt schreiben:
- Orthogonalität: für .
- Vollständigkeit: für alle (im Sinne der L2-Konvergenz).
Nullstellen
Pn(x) hat auf dem Intervall I = [ − 1,1] genau n einfache Nullstellen. Zwischen zwei benachbarten Nullstellen von Pn(x) liegt genau eine Nullstelle von Pn + 1(x).
Allgemeine Eigenschaften
Für jedes und jedes gilt:
Erzeugende Funktion
Für alle , , | z | < 1 gilt
Dabei hat die Potenzreihe auf der rechten Seite für den Konvergenzradius 1.
Die Funktion wird daher als erzeugende Funktion der Legendre-Polynome Pn bezeichnet.
Der in der Physik oft auftretende Term (z. B. in den Potentialen der newtonschen Gravitation oder der Elektrostatik) lässt sich damit in eine Potenzreihe entwickeln für :
Legendre-Funktionen 2. Art
Die Rekursionsformeln der Legendre-Polynome gelten auch für die Legendre-Funktionen 2. Art, so dass diese sich iterativ mit der Angabe der ersten bestimmen lassen:
Hierbei ist für den Logarithmus der Hauptzweig zu verwenden wodurch sich Singularitäten bei und in der komplexe Ebene Verzweigungsschnitte entlang und ergeben.
Weblinks
- Eric W. Weisstein: Legendre Polynomial. In: MathWorld. (englisch)
- J. B. Calvert: Legendre Polynomials (englisch)
Wikimedia Foundation.