- Leittextmethode
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Der Begriff Leittextmethode „kennzeichnet ein Ausbildungsverfahren, bei dem Auszubildende bei der Bewältigung von praktischen Aufgaben durch schriftliche Unterlagen - Texte - angeleitet werden.“[1]
Inhaltsverzeichnis
Entstehung der Leittextmethode
Die Leittextmethode ist „nicht in der pädagogischen Theorie, sondern in der betrieblichen Praxis entwickelt“[2] worden. „Die ersten Formen von Leittexten entstanden bei Daimler-Benz in Gaggenau, Mitte der 70er Jahre. Die üblichen Unterweisungen der Ausbilder wurden als Tonbildschauen zusammengestellt. Die Auszubildenden bearbeiteten diese selbständig, gestützt auf einen Text, der mit einem kleinen Test abschloss. Die Testergebnisse zeigten dem Ausbilder, was die Auszubildenden selbst gelernt hatten und wo noch Lücken zu schließen waren.“[3]
Begründet wurde die Entwicklung der Leittextmethode, weil die Einführung der Projektmethode in der betrieblichen Ausbildung „z.T. zu Schwierigkeiten in der systematischen Vermittlung von Grundfertigkeiten“[2] führte. Auf der anderen Seite waren die Unternehmen nicht zufrieden mit der bisherigen 4-Stufen-Methode. Diese hat sich seit „den 30er Jahren in der betrieblichen Berufsausbildung durchgesetzt, und sie gilt auch heute noch vielfach als die wirksamste (häufig auch einzige) Methode zur Vermittlung psychomotorischer Fähigkeiten. Ihre Wurzeln hat sie in den USA, wo im Zuge der Ausbreitung der Fließfertigung nach rationellen Anlernverfahren gesucht wurde, mit deren Hilfe Arbeiter möglichst schnell und zuverlässig sich wiederholende Handgriffe erlernen können.“[4] Die 4-Stufen-Methode wurde zwar in den Jahren immer weiter entwickelt, aber es ließen sich bestimmte Lernziele mit den bisherigen Methoden nicht hinlänglich vermitteln.[5] Diese „bestimmten Lernziele“ werden von den Unternehmen heute als „Schlüsselqualifikationen“ bezeichnet.
Man kann also zusammenfassend sagen, dass die 4-Stufen-Methode dem Zeitalter des Taylorismus angemessen war, während heute, auf Grund des technologischen Wandels in der Produktion, die Leittextmethode „bestimmte Lernziele“ - Schlüsselqualifikationen - vermitteln soll. Facharbeiter sollen heute und in der Zukunft in der Lage sein in Zusammenhängen zu denken.
Die 1987 in Kraft getretene Neuordnung der Elektro- und Metall- Berufe greift dies auch auf. Zwar schreibt der Gesetzgeber keine Unterrichts- bzw. Ausbildungsmethoden vor, sondern nur inhaltliche Vorgaben, aber er sagt im § 3 Abs. 4: „Die ... genannten Fertigkeiten und Kenntnisse sollen so vermittelt werden, dass der Auszubildende ... zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit befähigt wird, die insbesondere selbständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren einschließt.“
Theorie der Leittextmethode
Noch 1987 schrieben die Autoren des Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB): „Sie werden bei der Lektüre dieses Bandes auch feststellen, daß ... eine systematische Begründung und Ableitung des Leittextsystems bisher fehlen.“[6] In der 1991 erschienen 2. Auflage reicht das bibb eine theoretische Begründung nach.
„Das Grundprinzip der Leittext-Methode besteht darin, Auszubildende so anzuleiten, daß sie möglichst viel eigenständig lernen.“[7] „Ein Leittext besteht in der Regel aus
- Leitfragen
- Arbeitsplan
- Kontrollbogen und
- Leitsatz“ (Ebd.)
Kernelement für die theoretische Begründung des BIBB ist das Modell der vollständigen Handlung. Dieses Modell der vollständigen Handlung stellt „idealtypisch dar, wie z.B. ein Facharbeiter einen kompletten Arbeitsauftrag ausführt.“[8] Wenn nun das „gewünschte Verhalten des Facharbeiters mit der vollständigen Handlung beschrieben werden kann, soll die Ausbildungsmethode entsprechend strukturiert werden.“[9]
Eine vollständige Handlung lässt sich nach ihrer Meinung in 6 Stufen aufteilen. Damit nun jeder Auszubildende eine vollständige Handlung durchführt, kommt „es für eine effektive Ausbildung darauf an, für jede einzelne der sechs Stufen eine Strategie zu wählen, die sicherstellt, dass jeder Auszubildende sowohl innerlich wie äußerlich vollständige Handlungen ausführt. Diese sind
- zur Information
- die Bearbeitung von Leitfragen
- zur Planung
- die Erstellung schriftlicher Arbeitspläne
- zur Entscheidung
- ein Fachgespräch mit dem Ausbilder über die Arbeitsplanung und die Beantwortung der Leitfragen
- zur Ausführung
- die Durchführung einer praktischen Aufgabe
- zur Kontrolle
- die Selbst- und Fremdkontrolle anhand von Kontrollbögen (Soll - Ist Vergleich)
- zur Auswertung
- ein weiteres Fachgespräch über die Kontrollergebnisse und die Möglichkeiten der zukünftigen Fehlervermeidung.“[9]
Die Autoren unterscheiden innere und äußere Abläufe einer vollständigen Handlung. „Während sich die äußeren Abläufe relativ leicht sicherstellen lassen, liegt das pädagogische Problem vor allem in der Strukturierung und Sicherstellung der inneren Abläufe, die ja in besonderer Weise für die Vollständigkeit der Handlung wichtig sind. Die Leittextmethode löst dieses Problem, indem sie auch diese inneren Abläufe quasi nach außen verlegt. Dies geschieht, indem das, was sonst nur gedacht wird, während der Ausbildung aufgeschrieben werden muß.“[10]
Durch den inneren Ablauf (besser: die vollständige Handlung) erhoffen sich die Autoren des bibb, dass sich im Kopf des Auszubildenden „semantische Netzwerke“ bilden. Amerikanische Forscher (Rummelhart, Lindsay und Norman) gehen davon aus, „daß im Gehirn Begriffe im Zusammenhang mit ihrer Verwendung gespeichert werden.“[11] Wenn nun die Auszubildenden durch den äußeren Ablauf - die sechs Stufen - zu „inneren Fragen ... in der Informationsphase“[12] oder „durch die Notwendigkeit der schriftlichen Arbeitsplanung“ (Ebd.) angeregt werden, „kann gleichzeitig der Aufbau leistungsfähiger semantischer Netzwerke erwartet werden.“ (Ebd.)
Kritik
Die Frage, die sich die Leittextmethode gefallen lassen muss, ist: Wie selbständig lernen die Auszubildenden denn wirklich mit der Leittextmethode? Wenn man nämlich etwas genauer hinschaut, ähnelt die Leittextmethode der 4-Stufen-Methode und damit der programmierten Unterweisung.
Wenn man aber fordert, dass der zukünftige Facharbeiter selbstverantwortlich Handeln und zur kritischen Reflexion fähig sein soll, genügt die Leittextmethode den Ansprüchen an eine fortschrittliche Berufsausbildung nicht. Diese sollte wenigstens die folgenden Merkmale aufweisen:
- „Betrachtung des Lernenden als aktiv Handelnden.
- Einbringung der ganzen Persönlichkeit, d.h. Beteiligung von Kopf, Herz und Hand (vgl. Pestalozzi).
- Erarbeitung von Handlungsergebnissen mit Gebrauchswert.
- Schülermitbestimmung bei der Gestaltung von Handlungsprozessen (Planung, Durchführung, Auswertung)
- Orientierung an Erfahrung und Interesse der Schüler.
- Schaffung von Motivation durch sinnvolle Aufgaben (Handlungsziele, Handlungsprodukte).
- Verringerung der Ortsgebundenheit, Abkehr von Fächertrennung zugunsten ganzheitlicher, objektbezogener Lernprozesse“[13]
Ausblick
Die Neuordnung der Berufe, die 1998 mit dem Mechatroniker startete und sich aktuell (2009) auf fast alle Berufe erstreckt, setzt nicht mehr auf die Leittextmethode, sondern auf das Lernfeldkonzept. Dieses Modell soll ganzheitlicher sein.
Siehe auch
Liste von Ausbildungsberufen, Liste der Unterrichtsmethoden, Selbstgesteuertes Lernen
Literatur
- Beuting-Lampe, Karin: Auszubildende erobern die Hauswirtschaft: 50 Leittexte von A wie Arbeitsplanung bis Z wie Zimmerreinigung, 2007
- Hans-Dieter Höpfner: Leittexte - ein Weg zu selbständigen Lernen. Wichtige Fragen und ihre Diskussionen zur Einführung in den neuen Bundesländern. Ergänzende Teilnehmerunterlagen. Herausgeber: Bundesinstitut für Berufsbildung, Der Generalsekretär, Berlin, 1991
- Hans-Dieter Höpfner, Reinhard Selka: Leittexte - ein Weg zu selbständigen Lernen. Ergänzende Hinweise und Materialien für Seminare in den neuen Bundesländern. Referentenleitfaden. Herausgeber: Bundesinstitut für Berufsbildung, Der Generalsekretär, Berlin, 1991
Weblinks
- Forum für AusbilderInnen
- Leittextmethode beim Bundesinstitut für Berufsbildung
- Beschreibung und Beispiel eines 'verschlankten' Leittextes
Fußnoten
- ↑ Joachim Rottluff: Die Leittextmethode. In: Pahl, Jörg-Peter, Schulz, Heinz-D. (Hrsg.): Lernen nach der Neuordnung. Wetzlar, 1989, S. 148
- ↑ a b Reinhard Selka u. a.: Leittexte - ein Weg zu selbständigen Lernen. Veranstalterinfo. Herausgeber: Bundesinstitut für Berufsbildung, Der Generalsekretär, Berlin, 1987, S. 5
- ↑ Joachim Rottluff: Die Leittextmethode. In: Pahl, Jörg-Peter, Schulz, Heinz-D. (Hrsg.): Lernen nach der Neuordnung. Wetzlar, 1989, S. 149
- ↑ Johannes Koch, Reinhard Selka: Leittexte - ein Weg zu selbständigen Lernen. Teilnehmerunterlagen. Herausgeber: Bundesinstitut für Berufsbildung, Der Generalsekretär, Berlin, 2. Auflage 1991, S. 30
- ↑ Johannes Koch, Reinhard Selka: Leittexte - ein Weg zu selbständigen Lernen. Teilnehmerunterlagen. Herausgeber: Bundesinstitut für Berufsbildung, Der Generalsekretär, Berlin, 2. Auflage 1991, S. 29
- ↑ Reinhard Selka u. a.: Leittexte - ein Weg zu selbständigen Lernen. Veranstalterinfo. Herausgeber: Bundesinstitut für Berufsbildung, Der Generalsekretär, Berlin, 1987, S. 7
- ↑ Reinhard Selka u. a.: Leittexte - ein Weg zu selbständigen Lernen. Referentenleitfaden. Herausgeber: Bundesinstitut für Berufsbildung, Der Generalsekretär, Berlin, 1987, S. 3
- ↑ Johannes Koch, Reinhard Selka: Leittexte - ein Weg zu selbständigen Lernen. Teilnehmerunterlagen. Herausgeber: Bundesinstitut für Berufsbildung, Der Generalsekretär, Berlin, 2. Auflage 1991, S. 41
- ↑ a b Johannes Koch, Reinhard Selka: Leittexte - ein Weg zu selbständigen Lernen. Teilnehmerunterlagen. Herausgeber: Bundesinstitut für Berufsbildung, Der Generalsekretär, Berlin, 2. Auflage 1991, S. 42
- ↑ Johannes Koch, Reinhard Selka: Leittexte - ein Weg zu selbständigen Lernen. Teilnehmerunterlagen. Herausgeber: Bundesinstitut für Berufsbildung, Der Generalsekretär, Berlin, 2. Auflage 1991, S. 43
- ↑ Johannes Koch, Reinhard Selka: Leittexte - ein Weg zu selbständigen Lernen. Teilnehmerunterlagen. Herausgeber: Bundesinstitut für Berufsbildung, Der Generalsekretär, Berlin, 2. Auflage 1991, S. 39
- ↑ Johannes Koch, Reinhard Selka: Leittexte - ein Weg zu selbständigen Lernen. Teilnehmerunterlagen. Herausgeber: Bundesinstitut für Berufsbildung, Der Generalsekretär, Berlin, 2. Auflage 1991, S. 44
- ↑ Heinz-Dieter Schulz: Handlungslernen - ein didaktisches Konzept in der Berufsausbildung. In: Pahl, Jörg-Peter, Schulz, Heinz-D. (Hrsg.): Lernen nach der Neuordnung. Wetzlar, 1989, S. 89
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