- Anonymous (Netzkultur)
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Anonymous ist eine weltweit operierende, dezentrale und selbstorganisierende Bewegung von Netzaktivisten und somit ein Massenphänomen im Internet. Ihre Mitglieder operierten anfangs nur im Internet, durch den Widerstand gegen die Church of Scientology breitete sich die Aktivität auch außerhalb des Internets aus. Heute organisieren sie regelmäßig Demonstrationen gegen Scientology.[1]
Inhaltsverzeichnis
Über Anonymous
Konzept und Auftreten
Die Entstehung von Anonymous begann in sogenannten Imageboards, wo jeder ohne Anmeldung Bilder und Texte einstellen kann. Gibt der Benutzer keinen bestimmten Namen ein, so wird stattdessen "Anonymous", im deutschsprachigen Krautchan auch "Bernd" angezeigt. Dieser Ersatz wandelte sich mit der Zeit und dem Wachstum der Boards zu einer Anrede (häufig als "Anon" abgekürzt) und zu einer eigenständigen Persönlichkeit. Weil die Beliebtheit von Imageboards stieg, wurde die Idee von Anyonymous als ein Kollektiv von namenlosen Individuen zum Internetphänomen. Definitionen neigen dazu zu betonen, dass dieser Begriff nicht mit einer einfachen Definition abgegrenzt werden kann und beschreiben Anonymous eher als einen Sinnspruch erhaltener Qualitäten.
Typisch für Anonymous sind die V für Vendetta-Masken, die ursprünglich das Gesicht des britischen Widerstandskämpfers Guy Fawkes darstellten. Diese dienen sowohl als Erkennungszeichen als auch zur Anonymisierung und im Zuge der Protestaktionen auch zum Schutz vor Verfolgung durch Scientology im Rahmen ihrer Fair Game Policy.[2] Im Internet werden zur Verbreitung von Informationen an die Öffentlichkeit häufig Videos auf YouTube eingestellt.[3]
Motto von Anonymous
Am Ende aller Botschaften von Anonymous und auf deren Internetseiten findet sich folgendes Motto:
Englisch Deutsch - Knowledge is free.
- We are Anonymous.
- We are Legion.
- We do not forgive.
- We do not forget.
- We will be heard.
- Expect us!
- englische Version nach dem "Call to Action"-Video
- Wissen ist frei.
- Wir sind Anonymous.
- Wir sind eine Legion.
- Wir vergeben nicht.
- Wir vergessen nicht.
- Man wird von uns hören.
- Erwartet uns!
- wortgemäße deutsche Übersetzung (auch Wortlaut der deutschsprachigen "Anons")
Struktur
Anonymous besteht größtenteils aus Benutzern auf diversen Imageboards und Internetforen. Zusätzlich wurden zur Organisation verschiedene Wikis und Internetchats aufgestellt, um noch mehr Platz im Internet auszunutzen. Über diese Plattformen werden Proteste wie Projekt Chanology organisiert.[4][5]
Insgesamt ist Anonymous eine lose Verbindung von Internetnutzern, die vor allem auf Webseiten wie 4chan, 711chan, 420chan, Something Awful, Fark oder Encyclopedia Dramatica[6] unterwegs sind. Soziale Netzwerke wie Facebook spielen eher eine Nebenrolle, werden aber zur Bildung von sogenannten Anonymous-Zellen benutzt, die sich dann zu realen Protesten mobilisieren.[7] Anonymous hat keine Anführer oder kontrollierende Instanzen und basiert auf der kollektive Kraft seiner individuellen Teilnehmer und dem Vorteil, dass Informationen über das Internet schnell verbreitet werden können.[8] Websites wie eBaumsworld bestimmen zwar, dass nur Erwachsene ab 18 Jahren die Inhalte betrachten sollten, da es aber keine sichere Möglichkeit gibt, jüngere Kinder zu blockieren, sind auch manche Mitglieder minderjährig.
„Jeder, der will, kann Anonymous sein und auf die Ziele hinarbeiten… Wir haben dieses Programm, mit dem wir alle übereinstimmen und das wir alle koordinieren und ausführen, aber alle arbeiten unabhängig darauf hin, ohne eine Bestätigung zu benötigen. Wir wollen nur etwas hinkriegen, von dem wir denken, dass es getan werden muss…“
– Anonymous, zitiert von Chris Landers in der Baltimore City Paper, 2. April 2008
Da weder eine Führung noch eine Mitgliedschaft im administrativen Sinne existiert, und das Mitwirken deshalb völlig unverbindlich ist, kann man die Struktur auch mit jener einer anarchistischen Jugendbewegung vergleichen.
Projekt Chanology
Die Gruppe erhielt weltweite Aufmerksamkeit der Presse durch das Projekt Chanology, welches den internationalen Protest gegen die Scientology-Kirche unter einem Namen zusammenfasst.[9]
Entstehung
Als ein Scientology-internes Video[10] veröffentlicht wurde, in welchem Tom Cruise unkritisch über sich und Scientology redet, versuchte Scientology das Video auf rechtlichem Wege aus dem Internet zu entfernen.[11] Dies wurde von einigen Nutzern als Zensurversuch angesehen, woraufhin Anonymous erstmals unter diesem Namen öffentlich und medienwirksam aktiv wurde. Ursprünglich griffen Anonymous-Aktivisten die Server von Scientology mittels Distributed Denial of Service-Attacken an, woraufhin Scientology sich vom Sicherheitsdienstleister Prolexic schützen ließ. Anonymous ging danach zu friedlichen Demonstrationen über.[12]
Am 14. Januar 2008 gelangte ein Interview von Scientology mit Schauspieler Tom Cruise ins Internet und wurde auf YouTube hochgeladen. Scientology unterstellte YouTube darauf hin eine angebliche Verletzung des Urheberrechts und forderte die Beseitigung des Videos.[13] Als Antwort darauf formulierte Anonymous das Projekt Chanology.[14]Mitglieder des "Projekt Chanology", die die Aktion von Scientology als Internetzensur bezeichneten, organisierten eine Reihe von "Denial-of-Service"-Attacken gegen Scientology-Websites, Streichanrufe und Scherzpost via Fax zu verschiedenen Scientology-Zentren.[15]
Am 21. Januar 2008 erklärten einige Anonymous-Anhänger, die für die Gesamte Netzgruppe sprachen, ihre Ziele und Absichten in dem auf YouTube hochgeladenen Video "Message to Scientology" und gaben eine Pressemitteilung auf, in der sie "Scientology den Krieg erklärten"; gegen die Scientology-Kirche und das Religious Technology Center. [16] In der Pressemitteilung gibt die Gruppe an, dass die Attacken gegen Scientology weitergehen würden, um so die Redefreiheit zu schützen und die finanzielle Ausbeutung der eigenen Mitglieder durch Scientology zu beenden.[17] Ein neues Video mit dem Namen "Call to Action" tauchte am 28. Januar 2008 auf YouTube auf, das zu Protesten vor Scientology-Zentren am 10. Februar 2008 aufrief.[18] Am 2. Februar 2008 versammelten sich 150 Demonstranten vor einem Scientology-Gebäude in Orlando, Florida und riefen gegen deren Praktiken auf.[19] Kleine Proteste wurden auch in Santa Barbara[20] und Manchester, England abgehalten.[21] Am 10. Februar 2008 demonstrierten zwischen 6'000 und 8'300 Menschen in 14 Ländern gegen Scientology.[22] Viele Demonstranten trugen die bekannten V wie Vendetta-Masken, oder maskierten sich sonstwie, um auf jeden Fall Vergeltungsmaßnahmen durch Scientology zu unterbinden.[23]
Anonymous hielt die zweite Protestwelle am 15. März 2008 in Städten überall auf der Welt, darunter Boston, Dallas, Chicago, Los Angeles, London, Paris, Vancouver, Toronto, Berlin und Dublin. Die weltweite Anzahl wurde wiederum auf 7'000 - 8'000 geschätzt.[24] Die dritte Welle fand am 12. April 2008 statt.[25] "Operation Reconnect" genannt beabsichtigte es, das Aufsehen auf die scientologischen Disconnection-Policy-Praxis von Scientology zu steigern.
Am 17. Oktober 2008 sagte ein 18-jähriger Anhänger von Anonymous aus, er würde sich für die Beteiligung an den Internetattacken auf Scientology vom Januar 2008 schuldig bekennen. [26]
Die Proteste dauerten an und nahmen einen Vorteil aus den Medienevents wie der Tom Cruise-Film Walküre, als man einen Protestort wählte, um den Umgang mit dem Protest zu reduzieren.[27]
Ziele
Anonymous beschränkt sich in seinen Forderungen lediglich auf das Verbot der Church of Scientology und deren und deren Praktiken und Institutionen. Der Glaube der Scientologen oder andere Organisationen sollen dabei nicht angegriffen werden.
Reaktion der Church of Scientology
Scientology reagierte auf den neuen „kopflosen“ Gegner ohne Führung und veröffentlichte kurz nach den Denial of Service-Attacken ein Video, in dem sie behaupteten, sie erhielten tausende von Morddrohungen, Bombendrohungen und belästigende Telefonanrufe.[28] Das Video ist fast Hollywoodreif inszeniert.[29] Angeblich sollen Anonymous-Mitglieder innerhalb von weniger als drei Wochen 8.931 belästigende Anrufe getätigt, über 3,6 Millionen bösartige E-Mails verschickt (was über 31 E-Mails pro Sekunde bedeuten würde) und mehr als 114 Millionen mal auf die Website zugegriffen haben (wobei der letzte Wert im Bezug auf die Denial of Service-Attacken realistisch erscheint).[30]
Auf das Video antworteten Anonymous mit Witzbotschaften, die das Video "Anonymous Exposed" aufgrund seiner maßlosen Übertriebenheit veräppelten.[31][32] Auch die von Scientology geäußerten Behauptungen in deren Antwort-Videos, Anonymous habe einen Führer, oder gefälschten Videos von angeblichen Anonymous-Aussteigern wurden eher belustigt aufgenommen.[33]
Prominente Befürworter
Die Diplom-Volkswirtin ist sozialdemokratische Politikerin in Deutschland (ehemals SPD und WASG) und Leiterin der beiden Gremien Arbeitsgruppe Scientology und Oberste Landesjugendbehörde. In einem auf YouTube erschienen Interview befürwortet sie gegenüber Anonymous die Proteste und fordert zum Fortfahren mit friedlichen Protestaktionen auf, die sie selbst für sehr wirksam hält. Schließlich seien aus ihrer Sicht die um einiges verstärkten Aussteigerzahlen aus den USA wohl mit der dort höheren Aktivität von Anonymous zu assoziieren. Von der Jugendbewegung habe sie das erste Mal durch positive Resonanzen durch Ex-Scientologen erfahren. Jedoch kann sie bei Anonymous auf Grund von Zeitmangel nicht mitwirken.
Eher unklar ist das Verhalten des bekannten Schauspielers aus den USA, Will Smith. Dieser betonte gegenüber Anonymous und den Medien[36], dass er zum einen kein Scientologe sei und zum anderen die Aktionen von Anonymous befürworte. Trotzdem ist seine Position eher diffus, denn ebenso hat er auch schon der Scientology-Organisation Spenden überwiesen, spielte eine aktive Rolle in der Gründung einer von Scientologen geleiteten Schule und verteilte an einem Schauspielset in Hollywood Gutscheine für Auditings.[37]
Einzelnachweise
- ↑ Internet-Bewegung gegen Scientology geht auf die Straße
- ↑ Anonymous vs. Scientology: Tom Cruise signiert Maske
- ↑ YouTube als Schlachtfeld für Anonymous gegen Scientology
- ↑ Online group declares war on Scientology
- ↑ War Breaks Out Between Hackers and Scientology -- There Can Be Only One
- ↑ Critics point finger at satirical website - National Nine News (englisch)
- ↑ Anonymous' group declares online war on Scientology (englisch)
- ↑ [http://www.lansinglowdown.com/index.php/blog/entertainment/2008/02/internet_group__ Scientology protestors take action around world - The State News (englisch)]
- ↑ The Times - Hackers Declare War on Scientology
- ↑ Hacker Group Declares War On Scientology: Group Upset Over Church's Handling Of Tom Cruise Video
- ↑ Anonymous vs. Scientology: Unterwanderungsversuche (Update)
- ↑ Anonymous gegen Scientology: Bewegung orientiert sich neu
- ↑ Anonymous hackers take on the Church of Scientology - CNET Networks, Inc.
- ↑ Online group declares war on Scientology - Canwest Publishing (englisch)
- ↑ Anonymous Versus Scientology: Cyber Criminals or Vigilante Justice? - The Legality
- ↑ Scientology and the internet: Internet hackers attack the church
- ↑ Scientology in the Crosshairs - Emory University
- ↑ Anonymous names February 10 as its day of action against Scientology - CNET Networks, Inc.
- ↑ Hackers declare war on Scientologists amid claims of heavy-handed Cruise control - The Guardian accessdate = 2008-02-03
- ↑ Masked Demonstrators Protest Against Church of Scientology - Daily Nexus (englisch)
- ↑ Anti-Scientologists Warm Up for February 10 - Radar Magazine
- ↑ Scientology protest surge crashes websites - News Limited (englisch)
- ↑ Scientology protestors take action around world - The State News
- ↑ Second round of Anonymous v Scientology - News Limited (englisch)
- ↑ Scientology site gets a facelift after protests - News Limited
- ↑ Teenage hacker admits Scientology cyber-attack - Agence France-Presse (englisch)
- ↑ Group bungles protest at ‘Valkyrie’ premiere - Courtney Hazlett
- ↑ Scientology-Video "Anonymous Exposed" mit fragwürdigen Inhalten
- ↑ Weltweite Demonstrationen gegen Scientology
- ↑ Reaktion von Scientology auf das Anonymous-Video
- ↑ Antwort-Video auf "Anonymous Exposed" - Youtube
- ↑ Antwort-Video auf "Anonymous Exposed" - YouTube
- ↑ Angebliches Video eines Anonymous-Aussteigers - YouTube
- ↑ Part 1 von 2 - Interview von Anonymous mit U. Caberta - YouTube
- ↑ "Ich bin kein Scientologe!" Will Smith zu Anonymous
- ↑ Blick-Zeitung; Schwanger durch Scientology
- ↑ 20minuten - Will Smith wirbt für Scientology
Siehe auch
Weblinks
Deutschsprachige Berichte
- Indymedia.ch – Anonymous gelingt Schlag gegen Scientology
- Spiegel.de – Scientology-Hacker will sich schuldig bekennen
- Blick.ch – Hacker erklären Scientology den Krieg
- LinkeZeitung.de – Anonymous gelingt Schlag gegen Scientology
- Gala.de – Ob Scientology den Braten riecht?
- Netzpolitik.de – 4chan und Anonymous vs. Scientology
Berichterstattungen im deutschen Fernsehen
- ZDF heute – Anonymous im ZDF heute journal (14.04.08)
- ARD-Polylux – ARD-Bericht über Anonymous (17.04.08)
- SAT1 – Sat1-Bericht über Anonymous (19.04.08)
YouTube-Videos von Anonymous
- AnonTube – Videoportal der weltweiten Bewegung Anonymous
- Anonymous (1. Video) – Message to Scientology mit deutschem Untertitel
- Anonymous (2. Video) – Call to Action Deutsche Version
- Anonymous (3. Video) – third Video
- Anonymous (4. Video) – Message to Scientology IV
- Anonymous (5.Video) – Message to Scientology July 26th
YouTube-Videos mit Anonymous-Demonstrationen
- Anonymous-Demonstration auf YouTube – 15. März 2008 in Berlin
- Anonymous-Demonstration auf YouTube – 12. April 2008 in Berlin
- Anonymous-Demonstration auf YouTube – 12. Juli 2008 in Wien
- Anonymous-Demonstration auf YouTube – 16. August 2008 in München
- Anonymous-Demonstration auf YouTube – 16. August 2008 in Berlin
Sonstige Videos
Anonymous-Websites
- Knowledge is free.
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