Lettische Mythologie

Lettische Mythologie

Die lettische Mythologie gehört zur baltischen Mythologie und weist viele Gemeinsamkeiten mit der litauischen Mythologie auf. Sie gründet sich in erster Linie auf die sehr zahlreichen archaischen lettischen Liedtexte Dainas, sowie auf andere Gattungen der lettischen Folklore.

Geschichte

Im früheren Livland herrschte vom 13. Jh. bis zum ersten Weltkrieg eine deutschbaltische Oberschicht, die sich kaum mit der Stammbevölkerung mischte. Die lettischen Bauern und Fischer waren an ihren Stand der Leibeigenen gebunden. Das lettische Schrifttum wurde erst seit der Reformation (Anfang des 16. Jahrhunderts) von der deutschen Obrigkeit allmählich entwickelt, und zwar von den deutschen Pastoren, die den lettischen "Quatschliedern", "Bauergeschichten" und "Aberglauben" bestenfalls keine Achtung schenkten, häufiger aber feindselig und gewalttätig gegenüber standen, sofern sie diese halbwegs verstanden (siehe Hexenverfolgung). So wurden die lettischen Dainas, Märchen und Traditionen bis zur Mitte des 19. Jh. nur mündlich überliefert. Es gibt nur wenige frühere schriftliche Aufzeichnungen, die jedoch belegen, dass zumindest die Form der Dainas sich bereits im 13. Jh. herauskristalisiert hatte und seitdem nicht mehr verändert wurde.

Die fast ausschließlich mündliche Überlieferung bewirkte einerseits, dass die Inhalte individuell verändert werden konnten, so dass viele Informationen zur lettischen Mythologie letztlich auf unsichere Quellen basieren. Andererseits hatte die sieben Jahrhunderte lange Unterdrückung und die strikte Standestrennung auch eine sehr starke konservierende Auswirkung - wesentlich stärker als bei den Völkern, deren Eliten der Weg zur weltlichen Macht offen stand. Die kulturelle Identität der Letten wurde kaum von der Oberschicht und deren Entwicklungen beeinflusst. Insbesondere die Dainas wurden nicht viel verändert. Sie weisen zwar eine enorme Variantenvielfalt auf; doch die Abweichungen sind meist gering; oft betreffen sie nur Wörterordnung oder unterschiedliche Dialektformen. Der Kern einer Daina wird gerade durch diese Variantenvielfalt umso deutlicher. Wenn man bedenkt, dass es den lettischen Leibeigenen über Jahrhunderte untersagt war, die Grenzen "ihres" Gutsherren zu verlassen, ist solch ein einheitlicher Kern unzähliger in ganz Lettland weit verbreiteter Lieder ein recht sicheres Zeichen ihres großen Alters. In ihrem Brauchtum widerstanden die Letten weitgehend der Christianisierung; es ist ausgeprägt heidnisch und vergleichsweise sehr gut erhalten.

Mit der Aufzeichnung der Dainas Mitte des 19. Jh. durch Krišjānis Barons fing die Unabhängigkeitsbewegung und die Nationsbildung der Letten an; mit der "Singenden Revolution" 1989-1990 gelang es ihnen auch, der sowjettischen Herrschaft in ihrem Lande ein Ende zu setzen. Bereits der deutsche Linguist Gotthard Friedrich Stender, welcher im Jahre 1789 ein lettisch-deutsches Wörterbuch herausgab, bemerkte über die Letten: Keine Feier oder Hochzeit, kein Johannis- oder Erntefest, ja, keine Arbeit, ob auf dem Felde oder am Spinnrad daheim, geschieht ohne das Singen von Liedern, und bis heute hat das lettische Volk eine ausgeprägte Liebe zum Gesang. Die Dainas werden in Lettland bereits im Kindergarten und in Schule unterrichtet. Sie gehören zum lettischen Allgemeinwissen und werden noch heute sowohl bei besonderen Anlässen als auch zum Zeitvertreib (zum Beispiel bei längeren Fahrten) aus dem Stegreif gemeinsam gesungen.

Die wichtigsten matriarchalen Gestalten

  • Saule – die personifizierte "Mutter Sonne"
  • Laima – die Schicksalsgöttin
  • Māra
  • Dēkla
  • Mütterliche Naturgeister: Zemes māte (Mutter Erde), Vēja māte (Mutter des Windes), Meža māte (Mutter des Waldes), Jūras māte (Meeresmutter), Veļu māte (Mutter der Ahnengeister), Lopu māte(Mutter der Nutztiere), Siļķu māte (Mutter der Heringe) usw.
  • Saules meitas – die Sonnentöchter

Die wichtigsten männlichen Gestalten

  • Jānis – die Gottheit des Mittsommerfestes, vgl. auch Litha
  • Dievs – Gott
  • Dieva dēli – Gottes Söhne
  • Pērkons – der Donner
  • Mēness – der Mond
  • Jumis – Gott der Ernte lv:Jumis

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