Libertarianismus

Libertarianismus

Libertarianismus ist ein Lehnwort zum amerikanischen „libertarianism“.[1]

In der philosophischen und politischen Literatur ist der Sprachgebrauch uneinheitlich. Einige (insbesondere die neueren) Autoren bevorzugen das Wort Libertarianismus, um die gemeinte Position des Libertarismus genauer zu bezeichnen.[2][3]

Teils wird das englische „libertarian“ ohne Weiteres als „libertär“ übersetzt.[4] [5][6][7]

Die Bezeichnung Libertarianismus wird von einigen Autoren gegenüber dem Begriff Libertarismus gewählt, da auch einige anarchistische Positionen als "libertär" bezeichnet werden, die dem „libertarianism“ entgegengesetzte Positionen vertreten, indem sie zum Beispiel die Existenz des Staates ablehnen[8] oder das Privateigentum nicht anerkennen (zum Beispiel Bakunin oder Kropotkin). Das Englische steht vor dem gleichen Abgrenzungsproblem und behilft sich hier teils mit der Bezeichnung „right libertarianism“ im Gegensatz zum „left libertarianism“ oder „libertarian socialism“. Auch im deutschen Sprachraum wird von einem „Linkslibertarianismus“ gesprochen.[9]

Libertarianismus bezeichnet auch den Vorschlag von Peter Niesen, die Ideen von Friedrich August von Hayek ("Die Verfassung der Freiheit") und Robert Nozick ("Anarchy, State and Utopia") unter einem Begriff zusammenzufassen, [10] die aber auch als libertär, (klassisch) liberal, marktliberal oder neoliberal bezeichnet werden.[11] Hayek und Nozick selbst standen dem Ausdruck Libertarianismus reserviert gegenüber und verwendeten ihn nicht als Markenzeichen, tolerierten aber, dass ihre Positionen als „libertarian“ bezeichnet wurden.[11] Hayek sah sich selbst als in der Tradition des klassischen Liberalismus stehend.[12]

Peter Niesen führt als definierende Merkmale des Libertarianismus an[11]:

  1. Als zentrales Interesse den Schutz der individuellen Freiheiten. Dabei steht die freie Verfügung über Privateigentum im Vordergrund, da sich daraus alle anderen Freiheitsrechte ergäben.
  2. Eine marktwirtschaftliche Orientierung die beinhaltet, dass die Interaktion zwischen den Bürgern weitestgehend durch Marktprozesse koordiniert werden und dass ein wesentlicher Teil sozialer Beziehungen selbst aus Tauschhandlungen besteht, die zwanglos und zum gegenseitigen Vorteil ablaufen.
  3. Ein Minimalstaat, dessen einzige Aufgabe es ist, monopolisierendes oder gewalttätiges Verhalten, das Freiheit, Eigentum und Tausch bedroht, zu verhindern und die Erhaltung der ökonomischen Ordnung (Freiheits-, Eigentums- und Vertragsverhältnisse) zu garantieren. Das bedeutet insbesondere, dass er nicht in die Produktionsverhältnisse eingreifen und keine sozialstaatliche Umverteilung vornehmen dürfe.
  4. Beschränkung der politischen Autonomie, da die Handlungsmöglichkeiten demokratischer Institutionen in einem Konkurrenzverhältnis zu den politischen und persönlichen Freiheiten stünden.

Mit diesen Forderungen nimmt der Libertarianismus in Anspruch, „die Tradition des wahren Liberalismus zu vertreten“ und grenzt sich von neuen, egalitären Strömungen innerhalb des Liberalismus (im Sinne von John Rawls) ab.[13] Hayek plädiert allerdings für ein Mindesteinkommen, "unter das niemand zu sinken brauche", diese Mindestabsicherung sei eine selbstverständliche Pflicht der Gesellschaft. [14]

Der Behauptung Niesens, Hayek sei Vertreter einer Minimalstaatskonzeption, widersprechen zum Beispiel Walter Reese-Schäfer [15] und Ingo Pies[16]

Einzelnachweise

  1. Peter Mühlbauer: Es klingt wie eine Mischung aus ‚liberal‘ und ‚pubertär‘, TELEPOLIS, 8. November 2000.
  2. Zur Abgrenzung vgl. Peter Niesen: Libertarianismus, in: Gary S. Schaal/André Brodocz, Politische Theorien der Gegenwart, Band 1, 2.Auflage 2006, S. 72.
  3. Vgl. auch Rolf W. Puster: Libertarianism, in: Hans Jörg Sandkühler (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie, Hamburg 2010, Bd. 2, Sp. 1421a-1425b, der zwar unter dem Lemma „Libertarianism“ schreibt, aber Libertarismus als „geläufige deutsche Entsprechung“ ansieht.
  4. Will Kymlicka: Der Libertarismus, in: ders. (Hrsg.), Politische Philosophie heute, 1996, S. 98-131.
  5. Stefan Blankertz: Das libertäre Manifest - Über den Widerspruch zwischen Staat und Wohlstand, 2. Auflage 2002.
  6. Vgl. auch die Übersetzung von „libertarian“ als „libertär“ (S. 529) in Friedrich August von Hayek: Die Verfassung der Freiheit. Übersetzt von Ruth Temper, Dietrich Schaffmeister und Ilse Bieling, Mohr Siebeck, Tübingen 1991, ISBN 3-16-145844-3.
  7. Vgl. auch André F. Lichtschlag: Libertäre – Abgesang auf eine Bewegung (Online-Version).
  8. Peter Niesen, in: Gary S. Schaal/André Brodocz, Politische Theorien der Gegenwart, Band 1, 2.Auflage 2006, Seite 72.
  9. Vgl. Peter Niesen, in: Gary S. Schaal/André Brodocz, Politische Theorien der Gegenwart, Band 1, 2.Auflage 2006, S. 70, 99 ff.
  10. Frieder Neumann, Gerechtigkeit und Grundeinkommen: Eine gerechtigkeitstheoretische Analyse ausgewählter Grundeinkommensmodelle, LIT Verlag Münster, 2009, ISBN 364310040X, Seite 43
  11. a b c Peter Niesen, in: Gary S. Schaal/André Brodocz, Politische Theorien der Gegenwart, Band 1, 2.Auflage 2006, Seite 70
  12. http://pages.sbcglobal.net/tboas/neoliberalism.pdf S.14
  13. Frieder Neumann, Gerechtigkeit und Grundeinkommen: Eine gerechtigkeitstheoretische Analyse ausgewählter Grundeinkommensmodelle, LIT Verlag Münster, 2009, ISBN 364310040X, Seite 43
  14. Frieder Neumann: Gerechtigkeit und Grundeinkommen: Eine gerechtigkeitstheoretische Analyse ausgewählter Grundeinkommensmodelle. Band 163 von Politikwissenschaft, LIT Verlag Münster, 2009, ISBN 364310040X, S.46
  15. Walter Reese-Schäfer: Politische Theorie der Gegenwart in fünfzehn Modellen. Oldenbourg Lehr- und Handbücher der Politikwissenschaft. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2005, ISBN 3486579304, S.14ff.
  16. Ingo Pies: Ordnungspolitik in der Demokratie: ein ökonomomischer Ansatz diskursiver Politikberatung. Band 116 von Einheit der Gesellschaftswissenschaften. Mohr Siebeck, 2000, ISBN 3161475070, S.259

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