- Politische Ideologie
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Eine politische Ideologie (auch: Ideologismus, siehe -ismus) ist eine Weltanschauung, die eine systematische soziale, politische und wirtschaftliche Organisation des menschlichen Lebens befürwortet.[1] In ihr spielen neben theoretischen Überlegungen auch praktische moralische Elemente eine wichtige Rolle. Eine Ideologie möchte die Welt nicht nur erklären, sondern auch beeinflussen, sodass Ideologien Ausdruck verfestigter politischer Normen und Einstellungen mit einem normativen Gestaltungsanspruch sind. Sie motivieren also das politische Verhalten der Menschen.
Alltagssprachlich wird der Ausdruck Ideologie häufig abwertend und synonym zu „subjektiv“ verwendet, um eine nicht geteilte Weltanschauung anzufechten. Dagegen ist der hier verwendete wissenschaftliche Ideologiebegriff wertneutral und geht davon aus, dass alle Menschen in ihren politischen Werturteilen von ihren Weltbildern (Religion, Ideologie etc.) geprägt sind. Nur selten wird man sich dieser eigenen Voreingenommenheiten bewusst.
Zu unterscheiden ist die Ideologie selbst von den zumeist durchaus heterogenen Theoretikern, auf die diese sich beruft. Meist werden nur die Grundelemente der politischen Theorien von politischen Wortführern genutzt, um die vertretene Bevölkerungsgruppe zu einer durchsetzungsfähigen sozialen Bewegung zu einigen. Das Ausmaß des Theoriegebäudes ist dabei in den einzelnen Ideologien sehr unterschiedlich. Während etwa der Nationalsozialismus sich kaum ausgefeilter Theorien bedient, sind die liberalen und sozialistischen Theoretiker und Vordenker auf die sich die entsprechenden Bewegungen berufen sehr zahlreich.
Wichtige politische Ideologien, die sich in Europa bereits im 19. Jahrhundert in Folge der Französischen Revolution und dem Aufkommen der sozialen Frage entwickelten und bis heute bestimmende Hauptströmungen darstellen, sind der Liberalismus, der Konservatismus und der Sozialismus/Kommunismus. Weitere wichtige politische Ideologien sind etwa der Nationalismus, der Faschismus und der Nationalsozialismus.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Die seit dem 17. Jahrhundert in Intellektuellenkreisen diskutierten liberalen und demokratischen Ideen führten zu einer sich zeitgleich entwickelnden konservativen Gegenposition. Durch die und nach der Französischen Revolution änderte sich die politische Debatte tiefgreifend. Die ganze Bevölkerung (Alphabetisierungsgrad war bereits sehr hoch) wurde politisiert. Hinzu kam die durch die industrielle Revolution entstandene soziale Frage. Diese löste die veralteten ständischen Sozialstrukturen auf und führte zur allmählichen Herausbildung industrieller Arbeitsformen, eines neuen Arbeitsethos (vgl. Max Webers Protestantische Ethik), zu einer starken Bevölkerungszunahme und Massenarmut (Pauperismus). Die Bekanntheit politischer Ideen und der Wille der neuen politisch-sozialen Bewegungen, ihre Interessen durchzusetzen, führte zum Entstehen der ersten politischen Ideologien.
Kurzdarstellung der historisch grundlegenden politischen Ideologien
Liberalismus
Wichtige Theoretiker, aus deren Konzepten der Liberalismus seit Ende des 18. Jahrhunderts seine politischen Forderungen ableitet, sind Thomas Hobbes, John Locke, Charles de Montesquieu, Adam Smith, Immanuel Kant, Jeremy Bentham, John Stuart Mill, Alexis de Tocqueville, im 20.Jahrhundert Friedrich August von Hayek, John Rawls, James Buchanan und Robert Nozick.
Die wichtigsten Prinzipien des Liberalismus sind das Recht auf Selbstbestimmung, die Freiheit gegenüber dem Staat und die Beschränkung politischer Macht sowie die Selbstregulierung der Wirtschaft auf der Basis des Privateigentums.[2]
Ausgehend von dem in der Aufklärung prominenten Konzept des Individualismus entfalteten die liberalen Theoretiker die grundlegenden Ordnungsvorstellungen der modernen liberalen Demokratie: Volkssouveränität, Gewaltenteilung, Wahlen, das Repräsentationsprinzip, Religionsfreiheit, Toleranz und das Rechtsstaatsprinzip. Als zentrale ökonomische Prinzipien entstanden die Idee von der Vertragsfreiheit, des freien Marktes, der Freihandel und der freie Wettbewerb.
Träger des Verlangens nach solcher politischer Veränderung und damit z.B. des Aufhebens der noch bestehenden feudalen Einschränkungen wird zunächst das aufstrebende Bürgertum, welches sich zuerst in England entwickelt. Dort durch die Glorious Revolution und in den USA durch die Bill of Rights und die amerikanische Unabhängigkeitserklärung werden die liberalen Ideen als Erstes umgesetzt (erster Verfassungsstaat).
Die Verelendung großer Bevölkerungsschichten im Zuge der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert stellt den Liberalismus vor große Probleme und führt zur Entwicklung der Strömung des Sozialliberalismus (John Stuart Mill, in Deutschland Friedrich Naumann, gegenwärtig John Rawls). In der Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich der Neoliberalismus bzw. Ordoliberalismus (Walter Eucken, Ludwig Erhard), der einen Ordnungsrahmen für die Wirtschaft sowie sozialstaatliche Eingriffe fordert und das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft entwickelte.
Konservatismus
Zentrale Theoretiker sind Edmund Burke, Juan Donoso Cortés, Joseph de Maistre, Adam Heinrich Müller und Carl Schmitt. Als Ideologie entwickelte sich der Konservatismus als Gegenpol zur Französischen Revolution, Träger waren vor allem die alten Eliten wie der Adel und der Klerus.
Wichtigste Forderung ist die organische Gemeinschaft an dem sich die Politik primär auszurichten hat und dessen Ordnung sich von der Religion her bestimmt. Aber auch aus den als gegeben betrachteten menschlichen Unterschieden (z.B. Rolle der Frau) und den gesellschaftlichen Traditionen. Traditionsbewahrung und langsame gesellschaftliche Entwicklung werden schnellen Veränderungen vorgezogen.
Sozialismus
Neben der Strömung des Marxismus mit deren Gründungsvätern Karl Marx und Friedrich Engels, sowie nachfolgenden Theoretikern unterschiedlicher Ausrichtung, wie Wladimir Lenin, Leo Trotzki oder Mao Zedong existieren auch andere sozialistische Strömungen und Theoretiker. Dabei sind besonders zu nennen Robert Owen, Henri de Saint-Simon, Charles Fourier, Pierre-Joseph Proudhon oder Ferdinand Lassalle.
Im Frühsozialismus (Ende 18. Jahrhundert bis ca. 1848) führt die soziale Frage zu Utopien von neuen politischen wie ökonomischen Gesellschaftsformen. Gleichheit, Freiheit und Solidarität und der Glaube an das Gute in allen Menschen unter entsprechenden gesellschaftlichen Bedingungen sind die zentralen Maxime.
Durch Karl Marx wird im 19. Jahrhundert als Abgrenzung zum Frühsozialismus (utopischer Sozialismus) der so genannte wissenschaftliche Sozialismus begründet. Durch die Arbeitsteilung in der Industriegesellschaft werde der Arbeiter (aus der Klasse der Proletarier) seinem Produkt entfremdet und seine Tätigkeit werde ihm zur Qual. Der damit erwirtschaftete Mehrwert aber wird von einem anderen Menschen (aus der Klasse der Kapitalisten) abgeschöpft. Eine von Menschen gemachte Ungerechtigkeit, die u.a. zur zunehmenden Verelendung des Proletariats führe, die aber veränderbar sei. Nach Marx’ Geschichtstheorie, dem von Engels so genannten historischen Materialismus, wird die Gesellschaftsform des Kapitalismus daher verschwinden, wie die Urgemeinschaft, die Sklavenhaltergesellschaft und der Feudalismus vor ihm. Nach einer proletarischen Revolution solle nach Marx zunächst die Diktatur des Proletariats (Sozialismus) entstehen, in der das Privateigentum an Produktionsmitteln aufgehoben werden soll. Dies solle der Theorie nach schließlich zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaftsform (Kommunismus) führen.
Marx enger Weggefährte Friedrich Engels entwickelte dies weiter zum historischen Materialismus. Lenin, Stalin und Mao Zedong betonten später sehr stark die Rolle der kommunistischen Partei und verfassten Theorien bezüglich des Aufbaus des Sozialismus (siehe auch Dialektischer Materialismus).
Träger der sozialistischen Ideen ist vor allem die Arbeiterschaft, die sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa in Arbeitervereinen und -parteien organisiert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommt es zur Spaltung der zuvor überwiegend marxistisch orientierten Arbeiterbewegung. Der Kommunismus blieb revolutionär, z. B. Oktoberrevolution in Russland 1917. In Westeuropa wandelten sich Teile der anfangs noch revolutionären Sozialisten hin zu einem demokratischen, reformorientierten Sozialismus (Sozialdemokratie).
Ausblick
Nachdem sich mit der Durchsetzung liberal-demokratischer Systeme in den westlichen Industriestaaten und ihrer wohlfahrtsstaatlichen Fortentwicklung viele Forderungen des Liberalismus und der Sozialdemokratie zumindest formal verwirklicht sehen, hat seit den 1980/90er Jahren, auch durch den Zusammenbruch der realsozialistischen Systeme Osteuropas, eine zunehmende Entideologisierung der Parteienlandschaft in den etablierten Demokratien stattgefunden. Zuerst in den neuerlich demokratisierten Transformationsstaaten Osteuropas, in den erstarkenden asiatischen Ländern und seit einigen Jahren auch in Westeuropa finden nationalistische Ideen wieder zunehmend Anklang.
Literatur
- Klaus von Beyme: Politische Theorien im Zeitalter der Ideologien ISBN 3-531-13875-8
- Ulrich Druwe: Politische Theorie. Neuried 1995.
- Hans-Joachim Lieber (Hrsg.): Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart. Bonn 1993.
- Dieter Nohlen: Wörterbuch Staat und Politik. Bonn 1995.
- Mostafa Rejai: Political Ideologies: A Comparative Approach. 2. Aufl. 1995, ISBN 978-1-56324-142-0 (auf Google-Books)
Belege und Anmerkungen
- ↑ O'Brien, Robert; Williams, Marc: Global Political Economy, Palgrave MacMillan: Basingstoke, 3. Aufl. 2010, S. 93
- ↑ http://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=6ACI8N
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