Liverpool and Manchester Railway

Liverpool and Manchester Railway
Eröffnungsfahrt der L&MR

Die Liverpool and Manchester Railway (L&MR) war eine Eisenbahngesellschaft in Großbritannien. Sie baute zwischen Liverpool und Manchester die erste Eisenbahnstrecke der Welt, auf der sämtliche Züge nach festem Fahrplan und mit Dampflokomotiven verkehrten – im Gegensatz zur älteren Stockton and Darlington Railway, wo anfangs auch Pferdewagen verkehrten. Die Strecke ist noch heute in Betrieb, hat allerdings wegen einer parallel verlaufenden Strecke an Bedeutung eingebüßt.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Die L&MR sollte den kostengünstigen Transport von Rohstoffen und Fertigprodukten zwischen Liverpool und Manchester ermöglichen. Die bestehenden sog. Narrowboat-Kanäle, die Mersey and Irwell Navigation und der Bridgewater-Kanal, waren im vorhergehenden Jahrhundert erbaut worden. Sie warfen hohe Gewinne ab und ermöglichten den Aufstieg Manchesters zu einem führenden Zentrum der Industrie. Beide Städte waren einer Eisenbahnverbindung gegenüber positiv eingestellt, doch gab es Opposition von Grundstücksbesitzern entlang der geplanten Route der Eisenbahn.

Als ursprüngliche Promotoren gelten Joseph Sandars, ein reicher Getreidehändler aus Liverpool, und John Kennedy, damals Besitzer der größten Spinnerei in Manchester. Sie waren von den Schriften von William James beeinflusst, einem Landvermesser, der mit Grundstücksspekulationen reich geworden war. James hatte die Entwicklung der Bergwerksbahnen und der Lokomotivtechnologie in Nordengland mitverfolgt und schlug ein Schienennetz vor, das alle Teile des Landes miteinander verbinden sollte.

Am 24. Mai 1823 gründeten Unternehmer aus Liverpool und Manchester die Liverpool and Manchester Railway Company. In Liverpool zeichneten 172 Personen 1979 Aktien, in London zeichneten 96 Personen 844 Aktien. 15 Aktionäre mit 124 Aktien stammten aus Manchester, 24 Aktionäre mit 286 Aktien aus anderen Teilen des Landes. Der Herzog von Sutherland war mit 1000 Aktien beteiligt. Somit gab es insgesamt 308 Aktionäre mit 4233 Aktien.

William James und Robert Stephenson führten die ersten Vermessungen durch. Die Arbeit war jedoch mangelhaft, da sie wegen des Widerstands von Grundbesitzern nur heimlich und durch unerlaubtes Betreten der Grundstücke erfolgen konnte. Später machte Robert Stephenson eine Geschäftsreise nach Südamerika und James musste Insolvenz anmelden. Aus diesem Grund ernannte die Gesellschaft 1824 George Stephenson zum neuen Ingenieur. George Stephenson überließ wegen Arbeitsüberlastung einem Angestellten die Überprüfung der Vermessungen. Als das Parlament 1825 die Gesetzesvorlage zum Bau der Strecke beriet, stellte sich heraus, dass die Berechnungen ungenau waren, woraufhin das Projekt abgelehnt wurde.

Anstelle von Stephenson, dessen Ruf gelitten hatte, ernannte die Gesellschaft nun George und John Rennie als neue Ingenieure. Diese engagierten Charles Vignoles als Vermesser. Die geänderten Pläne erhielten im Mai 1826 die Zustimmung des Parlaments. Die genehmigte Strecke wich den Grundstücken der Gegner des ersten Projekts aus, würde nun jedoch mitten durch das Moor Chat Moss führen. Die Besitzer der Mersey and Irwell Navigation wehrten sich zunächst gegen eine Überbrückung ihres Kanals und forderten, dass der östliche Endpunkt in Salford sein solle. Im letzten Moment änderten sie ihre Meinung, nachdem ihnen bei der geplanten Brücke ein Zugang für ihre Karren versprochen wurde. Die Endstation kam somit in Manchester an der Liverpool Road zu liegen.

Streckenbau

Viadukt über den Sankey Brook

Da die Rennies inakzeptable Forderungen stellten, wurde erneut George Stephenson zum verantwortlichen Ingenieur ernannt, zusammen mit seinem Assistenten Joseph Locke. Aufgrund früher gemachter negativer Erfahrungen mit Bauingenieuren setzte Stephenson Vignoles' Entlassung als Vermesser durch.

Die Strecke war 56,327 km lang und war für damalige Verhältnisse eine beeindruckende ingenieurtechnische Leistung. Sie begann am Hafen von Liverpool und führte im 2057 m langen Wapping Tunnel unter dem Stadtzentrum hindurch nach Edge Hill. Nach dem Tunnel folgten ein 3,219 km langer und bis zu 21 m tiefer Einschnitt durch den felsigen Hügel Olive Mount sowie ein bis zu 21 m hoher Viadukt mit neun Bögen zu 15,24 m über das Tal von Sankey Brook. Das größte Hindernis stellte jedoch die 7,644 km lange Durchquerung des Chat Moss dar. Da es sich als unmöglich erwies, das Moor trockenzulegen, ließ Stephenson eine große Anzahl Geflechte aus Holz und Besenheide im Moor versenken und errichtete auf dieser Unterlage einen Damm.

Insgesamt wurden 64 Brücken und Viadukte errichtet, die alle aus Backstein bestanden - mit einer Ausnahme: An der Water Street in Manchester bauten William Fairbairn und Eaton Hodgkinson eine Brücke aus gusseisernen Trägern, damit die darunter verkehrenden Fahrzeuge genügend Platz hatten. Die Strecke wurde doppelspurig gebaut. Es existierte keine sichere Methode, eine Strecke eingleisig zu betreiben, da der Telegraf noch nicht erfunden war. Außerdem gingen die Verantwortlichen von Beginn weg davon aus, dass das erwartete Verkehrsaufkommen zwei Spuren rechtfertigen würde.

Zunächst wollte man ganz auf Lokomotiven verzichten und die Strecke mit Hilfe von 21 ortsfesten Dampfmaschinen betreiben. Um zu prüfen, ob auch Lokomotiven in der Lage wären, Steigungen zu überwinden und um eine geeignete Lokomotive für diese Strecke zu finden, schrieben die Direktoren der L&MR auf Drängen von George Stephenson einen Wettbewerb aus, der als das legendäre Rennen von Rainhill (engl.: The Rainhill Trials) in die Geschichte einging. Sieger der Testfahrten wurde Robert Stephensons Lokomotive The Rocket.

Eröffnung

Nachbildung der Planet
Ehemaliger Bahnhof Liverpool Street in Manchester

Die Eröffnung der Strecke erfolgte am 15. September 1830, doch wurden die Feierlichkeiten durch einen Unfall überschattet. Der Politiker William Huskisson, Parlamentsabgeordneter des Wahlbezirks Liverpool, stieg während eines Zwischenhalts bei Newton-le-Willows aus, um den Herzog von Wellington, den damaligen Premierminister, durch dessen Fenster zu grüßen. Als er auf dem parallelen Gleis stand, unterschätzte er die Geschwindigkeit der herannahenden Lokomotive The Rocket und wurde von dieser erfasst. Man koppelte die Lokomotive Northumbrian vom Zug des Herzogs ab und George Stephenson fuhr den schwer verletzten Huskisson nach Eccles, wo dieser verstarb.

Ungeachtet des tragischen Ereignisses erwies sich die L&MR als sehr erfolgreich. Wenige Wochen nach Eröffnung verkehrten die ersten Ausflugszüge und Postzüge. Ab Sommer 1831 wurden Zehntausende zu den Pferderennen in Newton befördert. Obwohl das erlassene Gesetz die Benutzung der Strecke durch Private (nach Bezahlung einer Maut) erlaubte, entschloss sich die Gesellschaft schon zu Beginn dazu, die Züge ausschließlich selbst zu betreiben. Die Kanalgesellschaften wiederum senkten ihre (zuvor teils überhöhten) Frachtpreise und in den meisten Fällen wurde die längere Transportzeit noch akzeptiert. Tatsächlich fuhr der erste Güterzug erst im Dezember 1830, nachdem die leistungsstärkere Lokomotive Planet in Betrieb gesetzt wurde. Weit über den Erwartungen war hingegen der Erfolg beim Personentransport. Die Reise per Zug war günstiger, schneller und komfortabler als auf der Straße.

Der Tunnel vom Bahnhof Liverpool Lime Street nach Edge Hill wurde 1836 fertiggestellt. Wegen des steilen Gefälles hielten die aus Richtung Manchester kommenden Züge zunächst alle in Edge Hill, wo man die Lokomotiven abkoppelte. Anschließend rollten die Züge von Bremsern überwacht hinunter zur Lime Street. Auf dem Rückweg wurden die Waggons an einem Seil von einer stationären Dampfmaschine hinaufgezogen. Am 30. Juli 1842 begannen die Arbeiten an der Streckenverlängerung von der Ordsall Road zum neuen Bahnhof Manchester Victoria. Nach der Eröffnung am 4. Mai 1844 wurde der ursprüngliche Bahnhof an der Liverpool Street geschlossen.

Weitere Entwicklung

Da die L&MR eine der ersten Eisenbahnen überhaupt war, mussten beim Betrieb zunächst viele Erfahrungen gesammelt werden. Es gab nur wenige Unfälle, fast immer durch Unachtsamkeit der Passagiere verursacht. Die L&MR führte Signale ein: Rot für „Halt“, Grün für „Vorsicht“ und Weiß für „freie Fahrt“. Andere Bahnen in Großbritannien und den USA folgten in den frühen 1840er Jahren diesem Beispiel. Später setzte sich die heute übliche Farbkombination Rot-Gelb-Grün durch. 1845 ging die L&MR in der Grand Junction Railway auf, die wiederum ein Jahr später Teil der London and North Western Railway wurde.

Die ursprüngliche Strecke ist heute noch in Betrieb, allerdings ist ihre Bedeutung gesunken. Die weiter südlich verlaufende, im Jahr 1873 vom Cheshire Lines Committee erbaute Route über Warrington hat ein weitaus größeres Verkehrsaufkommen. Heute verkehren auf der L&MR stündlich Schnellzüge von Northern Rail zwischen Liverpool Lime Street und Manchester Piccadilly und weiter zum Flughafen Manchester. Northern Rail betreibt auch einen stündlich verkehrenden Regionalzug, der an allen Bahnhöfen hält. Dieses Angebot wird zwischen Liverpool und Earlestown durch einen stündlich verkehrenden Regionalzug ergänzt, der weiter nach Warrington fährt. Zwischen Warrington, Earlestown und Manchester verkehren außerdem stündlich Regionalzüge von Arriva Trains Wales, die von Chester und der North Wales Coast Line her kommen.

Siehe auch

Literatur

  • Robert E Carlson: The Liverpool and Manchester railway project 1821-1831. David and Charles, Kelley, 1978. ISBN 0-678-05540-8.
  • Anthony Coulls: Railways as World Heritage Sites = Occasional Papers of the World Heritage Convention. ICOMOS 1999, S. 19ff.
  • Frank Ferneyhough: Liverpool and Manchester Railway, 1830-1980. Robert Hale Ltd, London 1980. ISBN 0-7091-8137-X.
  • Simon Garfield: The Last Journey of William Huskisson. Faber and Faber, 2002. ISBN 0-571-21048-1.

Weblinks


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