Loyset Compère

Loyset Compère

Loyset Compère (* um 1440/45 in der Diözese Arras oder im Hainaut (Hennegau); † 16. August 1518 in Saint-Quentin) war ein franco-flämischer Komponist, Sänger und Kleriker.

Inhaltsverzeichnis

Das Leben

1440/45–1474

Nach Jean Molinet (1435–1507), der Compère gut kannte, entstammt der Komponist von einer Familie aus Saint-Omer ab. Ein Mailänder Dokument von 1476 führt ihn als Kleriker aus Arras auf, das in der Nähe von Saint-Omer liegt. Dessen ungeachtet sicherte ein Erlass Karls VIII. von Frankreich im April 1494 Compère die französische Nationalität zu und erwähnte sogar ausdrücklich, dass Compère aus dem Hennegau stammte. Dieser offensichtliche Widerspruch ist nicht geklärt.

Über Compères Ausbildung ist nichts bekannt. Vielleicht stand er in den 1460er-Jahren in Verbindung mit dem französischen Königshof, denn seine früheste Komposition Puis que si biene (vor 1465) befindet sich in einer Handschrift, die das Repertoire der französischen Hofkapelle überliefert. Auf eine Verbindung zu Cambrai weist Compères Motette Omnium bonorum plena, die vielleicht anlässlich der Weihe der Kathedrale von Cambrai am 5. Juli 1472 oder anlässlich eines Treffens des französischen und burgundischen Hofes am 16. und 17. Oktober 1468 in Cambrai entstanden ist. Compères Motette, die bereits das Werk eines reifen Meisters ist, zitiert Hayne van Ghizeghems bekannte Chanson De tous biens plaine.

Mailand 1474–1477

Dokumentarisch fassbar wird Compère erstmals in Mailand. Die Herzöge von Mailand pflegten enge Beziehungen zum französischen Königshof, und so verwundert es nicht, dass Herzog Galeazzo Maria Sforza sich am 23. November 1472 brieflich an Johannes Ockeghem mit der Bitte wandte, ihm bei der Rekrutierung von Sängern für seine seit 1471 im Aufbau befindlichen Hofkapelle behilflich zu sein. Zu den verpflichteten Sängern gehörte Compère. Am 15. Juli 1474 wurde er als ein neues Mitglied der Hauptkantorei der Kapelle verzeichnet. Sein Name taucht auch in Listen vom 30. März und 4. Dezember 1475 auf. Der bedeutendste Kollege Compères war Gaspar van Weerbeke.

Im September 1476 bemühte sich der Herzog, für Compère ein Benefizium an Saint-Georigio-de-Catasijs in Pavia zu erlangen, das aber bereits vergeben war. Nach der Ermordung des Herzogs am 26. Dezember 1476 endete Compères Karriere in Mailand. Am 7. Januar 1477 beschloss der Hof, die Kapelle zu verkleinern. Ein Dokument vom 6. Februar 1477 nennt Compère unter denen, die man entlassen hatte.

Frankreich 1477–1494

Compère ging, begleitet von Jehan Fresneau, nach Frankreich. Vielleicht fand er einige Zeit Anstellung am Hof von Herzog Jean II. von Bourbon († 1488) in Moulins. Anlass für diese Vermutung gibt der auffällige Umstand, dass Compère drei Gedichte des Herzogs vertont hat. Diese Hypothese ist jedoch durch keinen dokumentarischen Hinweis untermauert.

1486 diente Compère jedenfalls in der von Johannes Ockeghem geleiteten Kapelle des französischen Hofes. Eine päpstliche Bulle vom 28. Juli 1486 nennt ihn einen Kleriker aus der Diözese Arras und chappelain ordinaire et chantre des französischen Königs.

In einem Dekret Karls VIII. von Frankreich vom April 1494 wurde nostre cher und bien amé chappelain ordinaire et chantre de nostre chapelle maistre Loys Compère, natif du pays de Haynault, nach Einreichung einer humble supplicatcion die französische Nationalität bestätigt, die er offensichtlich vorher nicht besessen hatte, und ihm damit zugleich der Besitz jener Benefizien in Frankreich zugesichert, die ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied der königlichen Kapelle verliehen worden waren.

Von Juni 1492 bis zum Mai 1493 war Compère Kleriker an Notre Dame in Paris, einer Kirche, an welcher der König gern verdiente Mitglieder seiner Kapelle unterbrachte. Hier wurde Compère am 2. März 1493 zum Priester der Kathedrale geweiht und tauschte kurze Zeit später zwei Benefizien an Notre Dame und Sainte-Trinité in Montlhéry gegen eine Pfründe in Voyenne (Diözese Laon) ein.

Italien 1494/95

Im Herbst 1494 begleitete Compère König Karl VIII. auf dessen Feldzug nach Italien. In einem Brief vom 7. Oktober 1494 schrieb Ferrante d’Este an seinen Vater, den musikbegeisterten Herzog Ercole I. d’Este von Ferrara, dass er Compère in Casale Montferrato getroffen habe. Compère entschuldige sich vielmals, nicht in der Lage zu sein, Euer Gnaden mit einigen guten Kompositionen versorgen zu können, denn die Werke, die er bei sich habe, seien alt. Er sagte, dass er in Frankreich seine Bücher zurückgelassen habe, in denen er einige gute neue Kompositionen habe, und er würde sich glücklich schätzen, Euer Gnaden zu befriedigen, sobald er dazu in der Lage sein wird.

Vermutlich verbrachte Compère den Januar 1495 in Rom, als Karl und dessen Truppen die Stadt okkupierten. Die 1495 oder kurz danach ausgeführte Niederschrift einiger repräsentativer Motetten Compères im Chorbuch I-Rvat C.S.15 (Crux triumphans, Propter gravamen, Quis numerare queat, Sile fragor) dürfte auf diesen Aufenthalt zurückgehen. Diese Kompositionen sind entweder in Italien entstanden oder es handelt sich bei ihnen um einige der von Ferrante d’Este erwähnten alten Kompositionen.

Im Juli 1495 war Compère Zeuge der Schlacht bei Fornovo und schrieb zur Feier des französischen Sieges den Chanson Vive le noble roy.

Frankreich 1495–1518

Zwischen dem 30. April 1498 und dem 5. Mai 1500 war Compère doyen an der Kollegiatskirche Saint-Géry in Cambrai, wo er 48 Kanonikern vorstand. Wenigstens seit 1500 besaß Compère das Bakkalaureat des Kirchen- und Zivilrechts. Von 1500 bis 1503 oder 1504 bekleidete er den Posten des Propstes der Kollegiatskirche Saint-Pierre in Douain. Dort hatte er offenbar keinen einfachen Stand; denn 1503 hoben die Herren der Stadt die Immunität des Klosters auf und erkämpften sich mit Gewalt Zugang zum Haus Compères.

Compère gab seinen Posten in Douain zugunsten Pierre Duwez auf, eines früheren Musikers der burgundischen Hofkapelle, der eine Propstei in Condé besessen hatte, die wiederum Josquin Desprez im Mai 1504 übernahm.

Seine letzten Jahre verbrachte Compère an der Kollegiatskirche in Saint-Quentin, wo er seit November 1491 Kanoniker war und eine Gebühr auf ein Benefizium in der Diözese von Coutances gezahlt hatte.

Trotz seiner Pfründe blieb Compère auch nach 1498 der französischen Kapelle verbunden. So komponierte er die Motette Gaude prole regia für den Empfang Philipps des Schönen am 25. November 1501 in Paris. Der Text, ein Gebet an die Heilige Katharina von Alexandria, schildert im Lob der Heiligen die Verbundenheit Frankreichs und Flanderns. Die Motette Sola caret monstris, 1507 komponiert, enthält eine bittere Diatribe gegen Papst Julius II. zugunsten König Ludwigs XII..

Compère starb am 16. August 1518 in Saint-Quentin. Er wurde mit großen Ehren in der dortigen Kollegiatskirche begraben.

Das Werk

Messen, Fragmenta missarum

  1. Missa Alles regretz;
  2. Missa De tous bien plaine;
  3. Missa L’homme armé;
  4. Kyrie und Gloria sine nomine;
  5. Credo 'Mon pére’;
  6. Credo sine nomine.

Motettenzyklen

1. Ave Domine Jesu Christe (Missa de D.N.J.C).

(Umfasst: Ave Domine Jesu Christe, in loco Introitus; Ave Domine Jesu Christe, in loco Gloria; Ave Domine Jesu Christe, in loco Credo; Ave Domine Jesu Christe, in loco Offertorii; Salve, salvator mundi, in loco Sanctus; Adoramus te, Christe, in loco Elevationem; Parce, Domine, in loco Agnus; Da pacem, Domine, in loco Deo Gratias).

2. Hodie nobis de virgine (Missa in Nativitate Deus Noster Jesu Christe)

(Umfasst: Hodie nobis de Virgine, in loco Introitus; Beata Dei Genetrix Maria, in loco Gloria; Hodie nobis Christus natus est, in loco Credo; Genuit puerpera Regem, in loco Offertorii; Sanctum –Verbum caro factum est; Memento, salutis auctor, post Elevationem; Quem vidistis, pastores? In loco Agnus ; O admirabile commercium, in loco Deo gratias).

3. Missa Galeazescha (Missa de Beata Maria Virgine)

(Umfasst: Ave virgo gloriosa, in loco Introitus; Ave, salus infirmorum, in loco Gloria; Ave, decus Virginale, in loco Credo; Ave, sponsa verbi summi, in loco Offertorii; O Maria, in loco Sanctus; Adoramus te, Christe, in loco Elevationem; Salve, mater salvatoris, in loco Agnus; Virginis Mariae laudes, in loco Deo Gratias).

Magnificat-Vertonungen

  1. Magnificat I toni;
  2. Magnificat IV toni (nur Esurientes);
  3. Magnificat VI toni (I);
  4. Magnificat VI toni (II);
  5. Magnificat VII toni;
  6. Magnificat VIII toni (nur Esurientes).

Motetten

  1. Ad honorum tuum Christe;
  2. Asperges me Domine;
  3. Ave Maria, gratia plena;
  4. Crux triumphans;
  5. Gaude prole regia /Sancta Catharina (1501);
  6. O admirabile commercium;
  7. Officium de cruce (In nomine Jesu);
  8. O genetrix gloriosa;
  9. Omnium bonorum plena (Sängergebet) (vor 1474);
  10. Paranymphus salutat virginem;
  11. Profitentes unitatem;
  12. Propter gravamen;
  13. Quis numerare queat / Da pacem (wahrscheinlich aus Anlass des Friedens von Ètaples (3. November 1492) oder des Bündnisses zwischen Papst Alexander VI. und Karl VIII. am 15. Januar 1495);
  14. Sile fragor;
  15. Sola caret monstris /Fera pessima (1507);
  16. Virgo caelesti.

Motetten-Chansons

  1. Le corps /Corpusque meum;
  2. Male bouche /Circumdederunt me;
  3. Plaine d’ennuy /Anima mea;
  4. Tant ay d’ennuy / O vos omnes (=O devotz cueurs /O vos omnes.

Dreistimmige Chansons

  1. A qui diraige ma pensée;
  2. Au travail suis;
  3. Beaulté d’ amours;
  4. Bergeronette savoysienne;
  5. Chanter ne puis;
  6. Des trois la plus;
  7. Dictes moy toutes;
  8. Discant adieu a madame (I);
  9. En attendant;
  10. Faisons boutons (Text: Jean II);
  11. Guerisses moy;
  12. La saison en est;
  13. Le grant dèsir d’aymer;
  14. Le renvoy;
  15. Mes pensées;
  16. Ne doibt on prendre (Text: Jean II. Als Kontrafaktur mit dem Text Venite amanti von Angelo Poliziano als Werk Costanzo Festas veröffentlicht);
  17. Ne vous hastez pas (=Adieu a madame (II).);
  18. Pensant au bien;
  19. Pleut or a Dieu;
  20. Pour estre ou nombre;
  21. Puis que si bien;
  22. Reveille toy franc cueur;
  23. Se j’ay parlé (Text: Henry Baude;
  24. Se mieulx ne vient (unter Verwendung einer Chanson von P. Convert;
  25. Se pis ne vient;
  26. Seray je vostre mieulx amée (nicht in Gesamtausgabe, von Fallows als Werk Compères veröffentlicht);
  27. Sourdes regrets;
  28. Tant ha bon oeul;
  29. Tout mal me vient;
  30. Va-t-en regret (Text: Jean II);
  31. Venes regrets;
  32. Vive le noble roy de France;
  33. Vous me faittes morir d’envie (Text: Jean II).

Vierstimmige Chansons

  1. Alons fere nos barbes (vielleicht apokryph);
  2. De les mon getes (= Voles oir une chanson);
  3. Et dont revenes-vous;
  4. Gentil patron;
  5. J’ay un syon sur la porte;
  6. Je suis amie d’un fourrier;
  7. L’aultre jour me chevauchoye;
  8. Mon pére m’a donné mari;
  9. Nous sommes de l’ordre de St Babouin;
  10. Royne du ciel);
  11. Une plaisante fillette;
  12. Un franc archier;
  13. Vostre bargeronette;

Frottole

  1. Che fa la ramacina;
  2. Scaranella fa la galla.

Werke zweifelhafter Echtheit

  1. Ave regina, celorim (anonym, Compère zugeschrieben);
  2. Cayphas (eher von Johannes Martini als von Compère);
  3. Lourdault (eher von Compère als von Ninot le Petit);
  4. Mais que ce fust (eher von Compère als von Pietrequin Bonnel);
  5. O post partum munda (anonym, Compère zugeschrieben);
  6. Sanctus – O sapientia (stilistisch sehr zweifelhaft);
  7. Se non dormi dona (anonym, L.C. zugeschrieben);
  8. Se (Si) vous voulez que je vous face (anonym, Compère aus stilistischen Gründen zuzuschreiben);
  9. Vray dieu quel payne (auch Gaspar Weerbeke, Johannes Japart, Matthaeus Pipelare zugeschrieben).

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