- Lykophron (Sophist)
-
Lykophron war ein griechischer Philosoph der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts v. Chr., der die Gleichheit aller Menschen vertrat und die Aufgabe des Staates darin sah, dass sich durch ihn die Menschen gegenseitig ihre Rechte garantieren. Seine Art der Diskussion politischer und sprachphilosophischer Themen machte ihn zu einem Vertreter der Sophistik.
Die einzigen Quellen für Lykophrons Ansichten sind mehrere kurze Angaben in den Schriften des Aristoteles. So nennt dieser in seiner Rhetorik Lykophron, Gorgias aus Leontinoi und dessen Schüler Alkidamas als Vertreter eines schwülstigen und umgangssprachlichen Stils (Rhet. 1405b-1406a); dies und die an anderen Stellen referierten philosophischen Auffassungen Lykophrons legen es nahe, auch in ihm einen Schüler des Gorgias zu sehen.
Platon spricht im zweiten der von ihm erhaltenen Briefe sehr geringschätzig von einem Lykophron am Hof Dionysios’ II. von Syrakus (314d). Da auch Gorgias aus Sizilien stammte, würden Zeit und Ort zu dem von Aristoteles genannten Lykophron als Schüler des Gorgias passen.
In Aristoteles’ Politik wird Lykophron mit dem Satz zitiert, das Gesetz bedeute „einen Bürgen gegenseitigen Rechts“ (engyetes allelois ton dikaion, 1280b10, Übers. F. F. Schwarz), womit er zu einem Theoretiker des Gesellschaftsvertrags würde. Für Aristoteles lässt diese Auffassung die Aufgabe des Gesetzes außer Acht, die Bürger zur Tugend zu erziehen – in der Ablehnung Lykophrons, falls beide denselben meinen, ist er sich mit Platon einig. Dieser hatte im Staat die Position einiger Sophisten, dass der Staat die Rechte der Schwachen gegen die Starken schützen müsse, als unzulässige Machtausübung dieser Schwachen kritisiert: nur „durch das Unvermögen, Unrecht zu tun, sei (das Gerechte) zu Ehren gekommen“ (359b, Übers. F. Schleiermacher).
Karl Popper, der in Die offene Gesellschaft und ihre Feinde Lykophron gegen Platon und Aristoteles als Repräsentanten seiner eigenen liberalen Auffassungen heranzieht, bestreitet zum einen die Unmoralität des Anliegens der Schwächeren. Zum anderen sieht er die Stärke von Lykophrons Formulierung darin, dass dieser den Gesellschaftsvertrag nicht historisch herleitet, da solche Herleitungen regelmäßig scheiterten.
In einem aristotelischen Fragment Über die Vornehmheit der Geburt wird Lykophron mit der Aussage zitiert, in Wahrheit gebe es keinen Unterschied zwischen hoch und niedrig Geborenen, und aller Glanz der hohen Geburt sei hohl (Fr. 91 Rose).
In der Physik erklärt Aristoteles, Lykophron habe dafür plädiert, auf die Kopula ist zu verzichten, um logischen Paradoxien der eleatischen Schule zu entgehen. In seiner Metaphysik schließlich heißt es, Lykophron zufolge sei die Wissenschaft „ein Zusammen-sein von Wissen und Seele“ (synousian ... tou epistasthai kai psyches, Met. 1045b10, Übers. F. F. Schwarz), wobei synousia, „Zusammen-sein“ auch eine sexuelle Konnotation hat.
Für Popper ist Lykophrons politische Theorie „der passendste Ausdruck der humanitären und gleichheitlichen Bewegung des Perikleischen Zeitalters“ (Die offene Gesellschaft Bd. 1, S. 163).
Literatur
- Wilhelm Capelle: Die Vorsokratiker. Kröner, Stuttgart 1968, ISBN 3-520-11908-0.
- Christof Rapp: Die Vorsokratiker. Beck, München 1997. ISBN 3-406-38938-4.
- Diels/Kranz: Die Fragmente der Vorsokratiker. 6. Auflage. Berlin 1952.
- Heinz Hofmann: Lykophron der Sophist. In Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Supplement-Band XIV, 1974, Sp. 265–272.
- W. K. C. Guthrie: A History of Greek Philosophy. Bd. 3: The Fifth-Century Enlightenment. Cambridge 1969.
- Karl R. Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. 2 Bde. München 1980.
Weblinks
Kategorien:- Vorsokratiker
- Philosoph (Antike)
- Grieche (Antike)
- Geboren im 5. Jahrhundert v. Chr.
- Gestorben im 4. Jahrhundert v. Chr.
- Mann
Wikimedia Foundation.