- MV-22 Osprey
-
Bell-Boeing V-22 Osprey
Eine CV-22A "Osprey" der USSOCOMTyp: VTOL-Transporter Entwurfsland: Vereinigte Staaten Hersteller: Erstflug: 19. März 1989 Indienststellung: 8. Dezember 2005 Stückzahl: 90 (Stand: Ende 2007) Der V-22 Osprey (deutsch: Fischadler) ist ein Kipprotorflugzeug mit vertikaler Start- und Landefähigkeit (VTOL) und Kurzstart- und Landefähigkeit (STOL). Der Erstflug des Prototyps fand 1989 statt, die Einführung bei der US-Luftwaffe und dem US-Marine Corps erfolgte ab 2005. Das Hauptkonstruktionsmerkmal sind die beiden Rotoren, die ähnlich dem Hubschrauber mit seitlichen Rotoren nebeneinander angeordnet und mitsamt ihrer Triebwerke an den Enden der Tragflächen um die Querachse des Flugzeugs schwenkbar aufgehängt sind. In senkrechter Position der Triebwerke drehen die Propeller horizontal und können so bei Start und Landung Auftrieb wie bei einem Hubschrauber erzeugen. Für den Reiseflug schwenkt das Flugzeug beide Propellergondeln mit den Rotoren um 90 Grad nach vorne und wird zu einem herkömmlichen Turbopropflugzeug mit entsprechender Reisegeschwindigkeit. Zur Sicherheit bei einem Triebwerksausfall sind beide Rotoren mit einer Transmissionswelle verbunden.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Entwicklung des Osprey geht auf die von Bell Helicopters 1951 entwickelte Bell XV-3 zurück. Der nächste Schritt war 1973 die Bell XV-15 von Bell Helicopters. 1981 begann die Definition der Anforderungen für das Joint Services Advanced Vertical Lift Aircraft (JVX) Programm durch das US-Verteidigungsministerium. Im April 1983 wurde das Bell/Boeing-Team durch die US Navy beauftragt, das JVX Flugzeug zu entwickeln und zu bauen. Seitdem ist dieses Flugzeug als V-22 Osprey bekannt.
Die Forderung nach einem solchen Flugzeug ging auf den Fehlschlag der Operation Eagle Claw des amerikanischen Militärs am 24. und 25. April 1980 zurück, als es nicht gelang, die Geiseln aus der von Revolutionsgarden besetzten amerikanischen Botschaft in Teheran zu befreien. In der Aufarbeitung des Einsatzes kam man zu dem Schluss, dass die Operation mit einem Fluggerät wie der V-22 gelungen wäre. Ähnlicher Bedarf zeigte sich beim Combat Search and Rescue, der Bergung von über feindlichem Territorium abgeschossenen Piloten oder eingeschlossenen Truppen. Die Anforderungen an die V-22 wurden jedoch hauptsächlich auf das Marine Corps zugeschnitten, das ein schnelles und bewegliches Gerät für Truppenverlegungen und Nachschub benötigte. Weitere vorgesehene Einsatzfälle waren Verbindungsflüge zu und von Schiffen, sowie im zivilen Bereich der Flugverkehr von und zu Ölbohrplattformen.
In Deutschland wurde das System zusammen mit den Dornier-Werken für die Luftbeweglichkeit des Heeres angeboten. Diese Planungen wurden aber mit dem Ende des Kalten Krieges fallen gelassen.
Am 19. März 1989 fand der Erstflug in Arlington, Texas statt. Die erste Transition (der Übergang zwischen Schwebe- und Horizontalflug oder umgekehrt) wurde am 14. September 1989 durchgeführt. Das erste Serienflugzeug entstand am 5. Februar 1997.
Im Juni 2005 hat die Osprey die letzten Truppentests unter Einsatzbedingungen (OPEVAL – Operational Evaluation) nach Herstellerangaben „zur vollen Zufriedenheit“ abgeschlossen, . Am 28. September 2005 ordnete das Pentagon offiziell die reguläre Serienproduktion an.
Das Programm litt unter mehreren Rückschlägen und Unfällen von Prototypen und Truppenerprobungsmustern. Die Verzögerung wird durch folgendes Zitat veranschaulicht:
„Die V-22 Osprey absolvierte ihren Erstflug am 19. März 1989 und soll 1991 in Dienst gestellt werden.“
– Rogers - Senkrechtstarter
Das Programm ist in den USA stark in der Finanzierung zurückgestuft worden. Am 19. September 2005 wurde die erste CV-22A an die US Air Force geliefert. Ab 3. Juni 2005 stoppte das U.S. Marine Corps die Einführung der Osprey und setzte sie erst ab dem 3. März 2006 wieder fort. VMM-263 ist die erste mit diesem Fluggerät ausgerüstete Marineseinheit und löst schrittweise die Hubschrauber vom Typ CH-46E „Sea Knight“ und CH-53 „Sea Stallion“ ab. Am 22. März 2006 hob zum ersten Mal eine Osprey im Dienst der Marines ab; geflogen wurde sie von Captain Elizabeth A. Okoreeh-Baah.
Im September 2007 wurde die Staffel VMM-263 des Marine Corps, welche mit 10 Ospreys ausgerüstet ist, in den Irak verlegt. Die Staffel ist damit die erste Einheit, die das Flugzeug unter Kampfbedingungen einsetzt.
Im November 2008 verlegte die US Air Force vier Ospreys nonstop (mit Luftbetankung) zu einer Übung nach Mali.
Technik
Die Hersteller betonen immer wieder, dass es sich bei dem Fluggerät nicht um einen Hubschrauber handelt, sondern um ein Propellerflugzeug, das senkrecht starten und landen kann. In der Tat handelt es sich bei den Rotoren nicht um die klassischen verstellbaren Flügel eines Hubschrauberrotors, sondern um „Rotoren ohne zyklische Blattverstellung“. Es sind entweder nur vertikaler Start oder Landung mit ganz hochgeschwenkten Rotoren oder alternativ Short Take Off and Landing mit teilweise geschwenkten Rotoren möglich. Die Kontrolle des Schwebeflugs kann einerseits nur durch die Neigung der Rotoren samt Triebwerkgondel und andererseits nur durch gegensätzliche kollektive Propellerblattverstellung kontrolliert werden. Daraus resultieren unter anderem vergleichsweise lange Reaktionszeiten auf Steuerbefehle.
Einschränkungen
Während der Entwicklungs- und Erprobungsphasen kam es zu mehreren Abstürzen mit Verlusten von Menschenleben, was das Projekt erheblich verzögerte. Bei einem Unfall geriet die Flugmaschine in einen sogenannten vortex ring state, der für Hubschrauber und ähnliche Flugobjekte gefährlich ist: Hubschrauber haben nur Auftrieb, wenn die Rotorblätter ruhige Luft durchschneiden – bewegt sich der Rotor aber durch turbulente oder sich schnell abwärts bewegende Luft, dann sinkt der Auftrieb stark. Dies kann geschehen, wenn das Fluggerät mit geringer Horizontalgeschwindigkeit zu schnell sinkt. Die Rotorblätter „überholen“ dann teilweise die turbulente Luft, die vom Rotor nach unten gedrückt wird. Diese Situation heißt in der Fachsprache auch „settling with power“. Aus diesem Grund ist es Piloten der V-22 verboten worden, bei weniger als 74 km/h (40 Knoten) Horizontalgeschwindigkeit mehr als 240 Meter pro Minute zu sinken. Bell-Boeing erweiterte die Instrumente um eine Warnleuchte und eine akustische Warneinrichtung, die aktiv werden, sollte der Pilot sich diesem kritischen Flugzustand nähern. Obwohl der Hersteller das Gegenteil behauptet, sehen manche Experten darin eine Einschränkung der Flugtüchtigkeit – insbesondere was Kampfsituationen anbelangt.
Unfälle
11. Juni 1991: Boeing Helicopter Flugtestzentrum in Wilmington, Delaware. Durch Stabilitätsprobleme drei Minuten nach dem Start abgestürzt. Totalschaden, ohne ernstlich Verletzte.[1]
20. Juli 1992: Bei der Marine Corps Base Quantico, Quantico, Virginia, stürzte Prototyp Nr. 4 ins Wasser, sieben Besatzungsmitglieder starben dabei. Ursache war ein Feuer in der Antriebsanlage, das bei einem von der Eglin Air Force Base ausgehenden 700-Meilen-Non-Stop-Flug auftrat. Auslöser des Brandes war ein mechanischer Fehler, der nicht durch die grundsätzliche Konstruktion des Flugzeuges bedingt war.
8. April 2000: Eine MV-22 stürzte beim Marana Airport in der Nähe von Tucson während einer Evakuierungsübung (z. B. Geiselbefreiung) ab. Dabei starben 19 Menschen. Es handelt sich um eine der vier in der Marine Corps Air Station Yuma (Arizona) stationierten Osprey. Es wurden bis dahin erst fünf Maschinen nach Serienstandard zur Einsatzerprobung an das Marinecorps übergeben. Im offiziellen Bericht wird gemeldet, dass die Datenauswertung keine mechanischen oder Softwarefehler ergeben hat. Es soll ein Pilotenfehler vorgelegen haben; die Maschine sank zu schnell bei zu niedriger Vorwärtsgeschwindigkeit (250 % der vorgegebenen Rate).
11. Dezember 2000: Während eines Nachttrainings stürzte eine Osprey über einem zehn Meilen von Jacksonville entfernten abgelegenen Waldstück ab, dabei starben vier Marines. Der Absturz wurde durch einen Fehler in der Flugsteuerungssoftware verursacht. Die Software versuchte Probleme fehlerhaft zu kompensieren, die durch ein Leck in einer Hydraulikleitung entstanden waren.
In den Jahren 2006 und 2007 gab es insgesamt sechs Unfälle, jedoch ohne Verletzte.
Versionen
MV-22A
Die USMC-Version MV-22A ist für den Transport von Truppen, Ausrüstung und Versorgungsmaterialien ausgelegt und kann von Schiffen oder von unbefestigten Flugplätzen an Land aus eingesetzt werden. Um an Bord eines Schiffes platzsparend verstaut zu werden, kann diese Version die Tragfläche um 90 Grad drehen, sowie die Rotorblätter einklappen. Sie benötigt damit nur eine Hangarfläche von 19 m x 5,6 m.
HV-22A
Die HV-22A werden durch die US-Marine für Such- und Rettungseinsätzen, sowie zur Unterstützung der Schiffsversorgung eingesetzt.
CV-22A
CV-22A sind für Spezialeinsätze des teilstreitkräfteübergreifenden United States Special Operations Command (USSOCOM) vorgesehen (z.B. long range SAR).
Insgesamt ist der Erwerb von 458 Flugzeugen geplant. Dieses Kontingent verteilt sich wie folgt auf US-amerikanische Teilstreitkräfte: 360 für das US Marine Corps, 48 für die US Navy und 50 für die US Air Force. Die Kosten belaufen sich auf etwa 68 Millionen US-Dollar („Flyaway“), bzw. 86 Millionen US-Dollar (Systempreis)[2].
V-22 sollten beim Marine Corps den CH-46 Sea Knight und den CH-53 Sea Stallion ersetzen, beim Special Operations Command einige Versionen der H-53, H-47, H-60 und der Lockheed C-130.
Technische Daten
- Besatzung: 2 Piloten
- Abmessungen:
- Länge: 17,48 m
- Höhe: 6,63 m
- Höhe Seitenstabilisator: 5,28 m
- Höhe Rotornabe: 6,63 m
- Flügelspannweite: 13,97 m
- Rotordurchmesser: 11,58 m
- Massen und Zuladung:
- Leergewicht: 15.032 kg
- VTOL Startmasse max: 21.546 kg
- STOVL Startmasse max: 24.948 kg
- Überführungsstartmasse max: 27.443 kg
- 24 voll ausgerüstete Soldaten oder 12 Tragen
- Innenlast max.: 9.072 kg
- Außenlast max.: 6.804 kg
- Effektives Innenvolumen: 24,3 m³
- Treibstoffkapazitäten[3][4]:
- V-22 Basiskapazität: 4.284 l
- V-22 2 interne Zusatztank im Laderaum mit je 3.028 l
- V-22 4 externe Tanks mit je 280 l
- CV-22 Außentank (CFT): 4.784 l
- MV-22 Außentank (CFT): 5.481 l
- Triebwerke:
- 2 an schwenkbaren Gondeln befestigte Rolls-Royce AE 1107C-Liberty; je 6,150 shp/ 4,6 MW
- Flugleistungen
- Geschwindigkeitsbereich: 83 km/h bis 584 km/h (45 kn bis 315 kn) (level forward flight TAS)
- Einsatzgeschwindigkeit (in 1.000 m): 275 kn / 509 km/h
- Höchstgeschwindigkeit (in 5.000 m): 305 kn / 565 km/h
- Dienstgipfelhöhe: 7.925 m
- Standardflughöhe: 3.441 m
- Schwebeflughöhe max.: 4.331 m
- Steigrate (vertikal / schräg): 5,5 m/s / 11,8 m/s
- g-Limit: +4 / -1
- Reichweiten[5]:
- Amphibische Angriffsoperation: 935 km
- 4.500 kg Nutzlast, VTOL: >650 km
- 2.700 kg Nutzlast, VTOL: >1.300 km
- 4.500 kg Nutzlast, STOVL: >1.760 km
- Überführung: 3.890 km
Einzelnachweise
- ↑ Unfall 1991
- ↑ USAF - FY 2009 Budget Estiamates, Februar 2008
- ↑ Paul Jackson, Kenneth Munson, Lindsay Peacock: Jane's All the World's Aircraft 2004-2005. Jane's Information Group, 2004, ISBN 0710626142.
- ↑ http://0x4d.net/files/AF1/R11%20Segment%2013.pdf
- ↑ Paul Jackson, Kenneth Munson, Lindsay Peacock: Jane's All the World's Aircraft 2004-2005. Jane's Information Group, 2004, ISBN 0710626142.
Siehe auch
- Bell XV-3
- Bell XV-15
- Vorgänger Grumman C-2 bzw. CH-53 / MH-53
- Bell-Agusta BA609 (ziviles Luftfahrzeug ähnlicher Bauart)
- Liste von Flugzeugtypen
Weblinks
- Offizielle Homepage des V-22 Osprey
- http://www.combataircraft.com/aircraft/cv22.asp
- Abschlussbericht zum V-22 Programm (*.pdf / engl.)
- The Special Osprey: Impact on special Operations Doctrine / Thomas J. Trask School of Advanced Airpower Studies Juni 1996 (engl.)
- http://www.globalsecurity.org/military/systems/aircraft/v-22.htm (engl.)
- V-22 Osprey ab Herbst 2007 im Irakeinsatz (Spiegel online)
Wikimedia Foundation.