Magnetar

Magnetar
künstlerische Darstellung eines Magnetars mit Feldlinien

Ein Magnetar ist ein Neutronenstern, dessen Magnetfeld das 1.000-fache des bei Neutronensternen üblichen Wertes aufweist. Man schätzt, dass etwa 10 % aller Neutronensterne zu dieser Sternklasse zählen. Die Theorie der Magnetare wurde von Robert Duncan und Christopher Thompson entwickelt.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Neutronensterne entstehen beim Kollaps von Sternen einer bestimmten Gewichtsklasse im Rahmen einer Supernova. Sie haben einen typischen Durchmesser von lediglich etwa 10 bis 20 Kilometer und ein extrem starkes Magnetfeld mit einer Flussdichte der Größenordnung 108 Tesla. Diese ergibt sich auf Grundlage der Gesetze der Elektrodynamik, wonach das Produkt aus Sternquerschnitt und Magnetfeld beim Kollaps des Vorläufersterns konstant bleibt.

Aufgrund des Pirouetteneffekts (Drehimpulserhaltung) rotieren Neutronensterne unmittelbar nach dem Kollaps mit Rotationsperioden im Millisekundenbereich. Ein Magnetar entsteht nur dann, wenn die Rotationsperiode unter 10 ms liegt und der Vorläuferstern ein relativ starkes Magnetfeld besaß. Andernfalls entsteht ein gewöhnlicher Neutronenstern bzw. Pulsar. Die Ursache sind Konvektionszonen in der ultradichten Neutronenmaterie, die unmittelbar nach dem Kollaps mit Rotationsperioden von 10 ms rotieren. Rotiert der Gesamtstern schneller, so setzt ein Dynamoeffekt ein, der die enorme kinetische Energie der Konvektionswirbel innerhalb von etwa 10 s in Magnetfeldenergie umwandelt.

Dabei entsteht ein Magnetfeld, das mit 1011 Tesla tausendmal stärker ist als das eines gewöhnlichen Neutronensterns. Die Massendichte, die einem derartigen Magnetfeld über seine Energiedichte in Kombination mit der Äquivalenz von Masse und Energie gemäß E=mc2 zugeordnet werden kann, liegt im Bereich einiger Dutzend kg/mm3. Ein solches Magnetfeld ist so stark, dass es die Struktur des Quantenvakuums verändert, so dass der materiefreie Raum doppelbrechend wird.

Ist die Achse des Magnetfeldes gegen die Rotationsachse geneigt, so wird eine periodische Radiowelle mit einer typischen Leistung im Bereich des 108fachen der gesamten Strahlungsleistung der Sonne abgestrahlt. Die dazu erforderliche Energie wird der Rotationsenergie entnommen, die dadurch innerhalb von 10.000 Jahren weitgehend aufgezehrt wird. Die Rotationsperiode beträgt dann mehrere Sekunden. Gewöhnliche Pulsare werden erheblich weniger gebremst und rotieren daher deutlich schneller.

Strahlungsausbrüche

Man kennt mehr als ein Dutzend Röntgenquellen in unserer Milchstraße, die als Kandidaten für Magnetare angesehen werden. Diese Objekte erleiden in unregelmäßigen Abständen Gamma- und Röntgen-Ausbrüche mit einer Dauer von wenigen Zehntel Sekunden. In dieser kurzen Zeit wird typischerweise soviel hochenergetische Strahlungsenergie freigesetzt, wie die Sonne in etwa 10.000 Jahren im gesamten Spektrum abstrahlt. Diesem kurzen und extremen Strahlungspuls folgt eine mehrminütige Relaxationsphase, in der die Strahlung abnimmt und dabei periodische Schwankungen im Bereich von mehreren Sekunden aufweist, der Rotationsperiode des Magnetars.

Diesen großen Ausbrüchen folgen in den Stunden bis Jahren danach meist weitere kleinere. Man nennt diese Strahlungsquellen daher auch Soft Gamma Repeater (SGR). Eine statistische Analyse dieser Ausbrüche zeigt eine auffällige Verwandtschaft mit der von Erdbeben. In der Tat nimmt man an, dass es sich dabei um Brüche in der äußeren Kruste des Magnetars handelt, die wie bei allen Neutronensternen aus einem Plasma von Elektronen und kristallin angeordneten Eisen- und anderen Atomkernen besteht. Als Ursache dafür werden Kräfte des Magnetfeldes angesehen, die auf diese feste Kruste einwirken.

Die größeren Ausbrüche führt man auf großräumige Umordnungsprozesse eines instabil gewordenen Magnetfeldes zurück, wie sie sich qualitativ ähnlich auch auf der Sonnenoberfläche ereignen und dort die so genannten Flares erzeugen. Danach würde die beobachtete hochenergetische Strahlung von einem Feuerball aus heißem Plasma auf der Oberfläche des Magnetars ausgesandt, der für einige Zehntel Sekunden durch das starke Magnetfeld lokal gebunden ist, was Feldstärken über 1010 Tesla erfordert. Die Intensität der ausgesandten Strahlung wird auch damit in Verbindung gebracht, dass die Strahlung diesen Feuerball ungehindert durchdringen kann, da das starke Magnetfeld die freien Elektronen daran hindert, mit der elektromagnetischen Welle zu schwingen.

Man geht davon aus, dass Magnetare nur in den ersten 10.000 Jahren nach ihrer Entstehung solche Ausbrüche erleiden und danach ihre Magnetfelder stabilisiert haben. Der immer noch heiße Neutronenstern strahlt noch einige tausend Jahre weiter als so genannter anomaler Röntgen-Pulsar (anomalous X-ray pulsar, AXP), bis seine Temperatur dafür nicht mehr ausreicht. Möglicherweise beherbergt die Milchstraße mehrere Millionen solcher unauffälliger Magnetare.

Derzeit (2003) sind vier Soft Gamma Repeater und sechs anomale Röntgen-Pulsare bekannt.

künstlerische Darstellung von SGR 1806-20

Am 27. Dezember 2004 um 22:30:26 MEZ wurde ein spektakulärer Strahlungsausbruch („Superflare“) des Soft Gamma Repeaters SGR 1806-20 beobachtet, der sich in Richtung des galaktischen Zentrums der Milchstraße in 50.000 Lichtjahren Abstand befindet. Die auf der Erde eintreffende Leistung von harter Gammastrahlung übertraf für etwa 0,1 s die des Vollmondes im sichtbaren Spektralbereich. Damit handelte es sich hinsichtlich der Strahlungsleistung um das hellste Objekt außerhalb des Sonnensystems, das jemals beobachtet wurde. Innerhalb von 0,1 s wurde soviel Energie abgestrahlt, wie die Sonne in 100.000 Jahren umsetzt. Diese Energie war etwa hundertmal stärker, als die aller Magnetar-Ausbrüche zusammen, die in der Milchstraße jemals beobachtet wurden. Nach etwa 0,2 s ging der Gamma-Blitz in weiche Gamma- und Röntgenstrahlung über. Hätte sich dieser Ausbruch in einem Abstand von 10 Lichtjahren ereignet, hätte er auf der Erde ein Massensterben oder Massenaussterben auslösen können.

Der etwa 30.000 Lichtjahre entfernte Neutronenstern SGR J1550-5418 ist mit einer Rotationsperiode von 2,07 Sekunden der am schnellsten rotierende zur Zeit bekannte Magnetar. Er sendet zusätzlich in rascher Folge Gammastrahlungsblitze aus (es wurden mehr als einhundert Blitze in weniger als 20 Minuten registriert), wie Beobachtungen mit dem Fermi Gamma-ray Space Telescope zeigen. Beobachtungen mit dem Röntgenteleskop des Satelliten Swift zeigen außerdem, dass der Neutronenstern von kreisförmigen Strahlungsechos umgeben ist. Offenbar reflektiert Staub in seiner Umgebung einen Teil der Strahlung der Gammastrahlungsblitze.[1]

Es gibt mindestens eine Quelle mit raschen Gammastrahlen-/Röntgenausbrüchen, deren Magnetfeld zu schwach für einen Magnetar ist. SGR 0418+5729 verfügt über ein Magnetfeld von nicht mehr als 7 * 1012 Gauss und zeigte während eines Ausbruchs Pulsationen mit einer Periode von 9,1 Sekunden. Auch die beobachtete Verlangsamung der Rotationsgeschwindigkeit von SGR 0418+5729 spricht für eine Magnetfeldstärke weit unterhalb der 1014-15 Gauss, die bei der Definition eines Magnetars zu Grunde gelegt werden. Die ungewöhnliche Kombination von pulsierenden Gamma-/Röntgenausbrüchen und einem schwachen Magnetfeld könnten die Folge einer Akkretion aus einem zirkustellaren Ring auf einen rotierenden Quarkstern sein[2].

Literatur

  • Chryssa Kouveliotou, Robert C. Duncan, Christopher Thompson: Magnetare. Spektrum der Wissenschaft, Mai 2003, S. 56-63, ISSN 0170-2971
  • Cees Bassa (et al.): 40 years of pulsars - millisecond pulsars, magnetars and more. American Inst. of Physics, Melville 2008, ISBN 978-0-7354-0502-8

Weblinks

 Commons: Magnetar – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Magnetar – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Wissenschaft Aktuell: Gamma-Feuerwerk mit Röntgen-Echo, 11. Februar 2009
  2. Rachid Ouyed, Denis Leahy, Brian Niebergal: SGR 0418+5729 as an evolved Quark-Nova compact remnant. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2011, arXiv:1012.4510v2.

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