Margarete Heymann

Margarete Heymann

Margarete Heymann-Marks (* 10. August 1899 in Köln; † 11. November 1990 in London) war eine deutsche Keramik-Künstlerin jüdischer Abstammung und Bauhausschülerin, die in den 1920er Jahren durch ihre schlichte moderne Gebrauchskeramik international bekannt wurde. Sie gründete in Marwitz (Brandenburg) 1923 eine eigene Keramikwerkstatt, die sie 1933 aufgeben musste. Sie emigrierte 1936 nach England und begann dort eine neue Firma mit ihrer Keramikproduktion zu errichten. Ihre Entwürfe wurden als Greta-Pottery weltweit bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Seit 1920 war Grete Heymann-Marks Schülerin der Keramikklasse im Bauhaus Weimar, Teilnehmerin der Vorklasse von Johannes Itten, sowie ab 1921 Mitglied der Bauhaus Werkstatt in Dornburg/Saale und Teilnehmerin an Lehrveranstaltungen von Paul Klee und Georg Muche. Sie gründete 1923 zusammen mit ihrem Mann Gustav Loebenstein und dessen Bruder Daniel Loewenstein die Haël-Werkstätten für Künstlerische Keramik in Marwitz (Brandenburg) nördlich von Berlin. Der mittelständische Betrieb wurde im In- und Ausland für seine künstlerisch hochwertigen Produkte bekannt und exportierte in die USA. 1930 beschäftigte der Betrieb 120–160 Mitarbeiter. Grete Heymann-Loebenstein musste den Betrieb ab 1928 alleine führen, da ihr Mann und sein Bruder bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen waren. In der Folgezeit konnte der Betrieb die Weltwirtschaftskrise gut überstehen und expandierte. So wurde ein neues Bürogebäude und ein neuer Brennofen angeschafft.

Nach ihrer Machtergreifung bedrohten die Nationalsozialisten Grete Heymann. Der Angriff bezeichnete ihre Kunst in einem Vergleich mit den Arbeiten Hedwig Bollhagens als entartet und minderwertig. Sie bemühte sich deshalb ihren florierenden Betrieb, dessen Wert 300.000 RM überschritt, zu verkaufen. Am 1. Juli 1933 wurde der Betrieb vorübergehend stillgelegt, nachdem Grete Loebenstein von einem ihrer Mitarbeiter bei der NSDAP als Staatsfeind denunziert worden war. Die Akte weist Beschuldigungen wegen "Verächtlichmachung und Herabminderung der deutschen Staatsautorität, sowie wegen minderwertiger Behandlung ihrer bisherigen Arbeiter" auf. [1] Die Akte enthielt auch den Hinweis, dass es leicht möglich wäre, die Produktion wieder aufzunehmen. Grete Heymann-Loebenstein flüchtete vor der drohenden Gestapo-Haft nach Bornholm. Gleichzeitig wurde ihr gesamter Warenbestand im Werte von 10.000 RM beschlagnahmt. Anschließend wurde von seiten der insolventen Firma Vordamm-Velten erheblicher Druck ausgeübt. Es kam zur Arisierung des Betriebes unter Federführung des NSDAP-Mitgliedes, Generalsekretärs und Gleichschaltungsbeauftragten des Reichsstandes des deutschen Handwerks Dr. Heinrich Schild, der den Grund und Boden für 45.000 RM am 26. April 1934 erwarb. Er bemühte sich sofort, die Keramikkünstlerin Hedwig Bollhagen als künstlerische Leiterin einzusetzen, die den Betrieb unter dem Namen HB-Werkstätten für Keramik am 1. Mai 1934 eröffnete; sie wird langjährige Freundin des Schild genannt. Nach dem Krieg, bei der Enteignung 1946 durch die Russische Verwaltung, führte sie den Betrieb weiter und wurde nach der Wiedervereinigung wieder die Besitzerin. Schild führte zunächst die Produktion weiter unter Verwendung der Muster von Grete Loebenstein für bis zu 50% seiner Produktion, die er bereits 1934 auf der Leipziger Frühjahrsmesse präsentieren konnte. Noch in den 1960er Jahren stellte Hedwig Bollhagen nach eigenen Angaben einzelne Designs von Grete Loebenstein her. Zum Beispiel wurde das bekannte Service Norma, eine Kreation von Grete Loebenstein, in den HB-Werkstätten produziert. Schild floh 1946 in den Westen und errichtete in Nordrhein-Westfalen einen neuen Betrieb, er begann eine Politikerlaufbahn und wurde Bundestagsabgeordneter.

Grete Loebenstein emigrierte 1936 nach Großbritannien und bemühte sich um die Errichtung eines neuen Produktionsbetriebes in Stoke-on-Trent. Sie errang erneut hohes Ansehen mit ihren Keramikprodukten, die unter dem Begriff Greta-Pottery bekannt wurden. Jedoch gelang es ihr nicht mehr, an ihren Erfolg, den sie in Deutschland genossen hatte, anzuknüpfen. Ab 1961 war sie in der alten Bundesrepublik als "Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung" anerkannt und bezog 1985 eine Entschädigung für den unter Wert verkauften Betrieb.

Quellenangaben

  1. U. Hudson-Wiedenmann, 2007.

Literatur

  • Margarete Heymann-Marks. in: Keramik und Bauhaus. Ausstellung, Bauhaus-Archiv, Berlin 12. April - 28. Mai 1989. Hrsg. von Klaus Weber u. Daniela Sannwald. Kupfergraben Verlagsgesellschaft, Berlin 1989. ISBN 3-89181-404-6
  • Monika Dittmar, Ursula Hudson-Wiedenmann: Haël-Keramik - wenig bekannt, bei Sammlern hoch geschätzt. Margarete Heymann-Loebenstein-Marks Keramikdesignerin. Haël - Werkstätten für künstlerische Keramik Marwitz. Ausstellung 21. Mai - 17. September 2006, Ofen- und Keramikmuseum Velten. Velten 2006.
  • Ursula Hudson-Wiedenmann: Von den Haël-Werkstätten zur Greta Pottery. Grete Heymann-Marks (1998). in: Vom Salzstreuer bis zum Automobil - Designerinnen. Hrsg. v. Britta Jürgs. AvivA, Berlin 2002, 72-86. ISBN 3-932338-16-2
  • dies.: Ein fairer Preis? Zur Vorgeschichte der HB-Werkstätten in Marwitz – eine Erwiderung. in: Märkische Allgemeine. Potsdam 16. Juni 2007.
  • Astrid von Pufendorf: Erzwungenes Nomadentum. in: TAZ. Berlin 18. November 2000. ISSN 0931-9085
  • Anja Baumhoff: "The Gendered World of the Bauhaus. The Politics of Power at the Weimar Republic's Premier Art Institute, 1919-1931." Peter Lang, Frankfurt 2001, ISBN 3-631-37945-5.
  • Ulrike Müller: Die Bauhaus-Frauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design. Elisabeth Sandmann, München 2009 ISBN 3-938045-36-1

Weblinks


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