Marguerite Yourcenar

Marguerite Yourcenar

Marguerite Yourcenar (* 8. Juni 1903 in Brüssel; † 17. Dezember 1987 in Bar Harbor, Mount Desert Island, Maine, USA) war das Pseudonym der unter dem Namen Marguerite Antoinette Jeanne Marie Ghislaine Cleenewerck de Crayencour geborenen Schriftstellerin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Marguerites Mutter stammte aus belgischem Adel, der Vater aus französischem. Marguerites Mutter starb noch im Kindbett, so dass deren beste Freundin Jeanne de Vietinghoff in den ersten Jahren aus der Ferne als eine Art Patin figurierte. Von großer innerer Stärke und ungewöhnlicher Ausstrahlung, selber Schriftstellerin, wurde sie zur „erträumten Mutter“ und zum Idol Marguerites. „Ihre Mutter … ist für mich zu einer Legende geworden, zu einer Legende, die mein Leben beeinflusste“, schreibt Marguerite 1983 an Egon von Vietinghoff. Die Halbwaise wuchs im französischsprachigen Wallonien auf und begann schon als Jugendliche mit dem Schreiben. Nach dem Tod ihres Vaters führte sie ein Nomadenleben und war bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fast ständig auf Reisen. Aber auch bis ins hohe Alter reiste sie häufig in Europa, Asien und Afrika.

Erste Aufmerksamkeit erregte sie 1929 mit Alexis oder der vergebliche Kampf, zu dem sie sich einerseits durch den Mann von Jeanne, den äußerst sensiblen Pianisten Conrad von Vietinghoff inspirieren ließ, andererseits verschleierte[1] sie hinter ihrem Pseudonym (einem fast perfekten Anagramm) und hinter der männlichen Hauptfigur die Offenlegung ihrer eigenen homoerotischen Gefühlswelt. Man muss sich dabei die gesellschaftliche Situation von damals vergegenwärtigen, in der ein anderer sich zu seinen Gefühlen bekennender Schriftsteller französischer Sprache, André Gide, mit seinem Buch Corydon 1923 gerade einen Skandal ausgelöst hatte.

Wie auch in mehreren ihrer folgenden Werke, in denen die Thematik des Ehepaars Jeanne und Conrad (die auch ihre eigene ist) variiert wird, zeigt sie sich in subtiler, jedoch prägnanter Sprache als Meisterin der Verflechtung von „Dichtung und Wahrheit“ sowie des gekonnten assoziativen Verwirr- und Versteckspiels. Selbst Biografen haben Mühe, in der nicht ganz vollendeten Familientrilogie (s.u.) die Wünsche, Träume und Projektionen der Schriftstellerin einerseits und die Fakten andererseits auseinander zu halten und berücksichtigen gelegentlich zu wenig, dass Marguerite Yourcenar keine Berichterstatterin war, sondern aus dem realen Leben tiefgründige Literatur machte. In ihrer Biografie schreibt Josyane Savigneau: „Wie viel an diesem Durcheinander ist Absicht?“ … „Wirklich interessiert hat sie an ihrem Leben nur, was einen Vorwand zu literarischer Umformung liefern konnte.“ In einigen Werken verarbeitete Marguerite Yourcenar auch ihre unerfüllte Liebe zu homosexuellen Männern.[2] 1937 lernte sie Grace Frick kennen, eine amerikanische Professorin, mit der sie bis zu deren Tode 1979 zusammenlebte.

1936 veröffentlichte sie das Prosagedicht Feuer, 1939 folgte der Roman Der Fangschuss. Mit Kriegsbeginn ließ sie sich in den USA nieder, 1947 erhielt sie die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Von 1942 bis 1953 unterrichtete sie vergleichende und französische Literaturwissenschaften am Sarah Lawrence College in New York. Mit dem Roman Ich zähmte die Wölfin von 1951, einer fiktiven Autobiografie des römischen Kaisers Hadrian, gelang ihr der Durchbruch zu internationaler Beachtung. Für dieses Buch bekam sie den Prix Feminina Vacaresco und bis 1989 wurde fast eine Million Exemplare verkauft. 1968 folgte der Roman Die schwarze Flamme.

Neben ihren eigenen Romanen, Essays, Theaterstücken und Artikeln veröffentlichte Marguerite Yourcenar Übersetzungen von Romanen, Gospels und Kindergeschichten aus Indien vom Englischen sowie von altgriechischen Gedichten ins Französische.

Marguerite Yourcenar war Vegetarierin und setzte sich gegen die Robbenjagd ein, 1968 gelang es ihr, mit einem Brief an Brigitte Bardot diese für die sehr erfolgreiche Kampagne gegen die Robbenjagd in Kanada zu gewinnen[3].

Sie erhielt viele Preise und Ehrungen. 1970 wurde sie in die Königliche Akademie der französischen Sprache und Literatur von Belgien aufgenommen und am 4. März 1980[4] als erste Frau überhaupt in die renommierte und exklusive Académie française. Außerdem erhielt sie 1983 den Erasmuspreis, der mit 100.000 holländischen Gulden dotiert war, und insgesamt drei Ehrendoktor-Titel, darunter den der Harvard University. Ihr Werk wurde in viele Sprachen übersetzt. Es gibt bereits einige Yourcenar-Biografien mit Übersetzungen in andere Sprachen und mehrere Forschungsinstitute in Europa und in den USA, die sich mit ihr und ihrem Werk beschäftigen.

Zitat

Michel Tournier: Marguerite Yourcenars Genie liegt ganz ohne Frage in der Fähigkeit, jede individuelle Lebensgeschichte in Schicksal zu verwandeln.

Werke

  • Alexis oder der vergebliche Kampf („Alexis ou le Traité du Vain Combat“). Dtv, München 2007, ISBN 3-423-19117-1.
  • Anna, soror ... („Anna, soror ...“). Manholt Verlag, Bremen 2003, ISBN 3-924903-05-0.
  • Chenonceaux, Schloss der Frauen („Le Labyrinthe du Monde“). Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt/M. 1986/91 (3 Bde.)
  1. Gedenkbilder. Eine Familiengeschichte („Souvenirs Pieux“). 1986, ISBN 3-596-25472-8.
  2. Lebensquellen. Eine Familiengeschichte („Archives du Nord“). 1991, ISBN 3-596-10818-7.
  3. Liebesläufe. Eine Familiengeschichte („Quoi? L'Eternité“). 1991, ISBN 3-596-10499-8.
  1. Rendre a César. La petite sirène. Le dialogue dans le marécage. 2003, ISBN 2-07-027939-1.
  2. Électre ou la chute des masques. Le mystère d'Alceste. Qui n'a pas son minotaure. 2003, ISBN 2-07-028048-9.
  • Yes, Peut-Etre, Shaga. 1969.
  • Mishima oder die Vision der Leere („*Mishima ou la Vision du Vide“). Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt/M. 1988, ISBN 3-596-25474-4.
  • Die Zeit, die große Bildnerin. Essays über Mythen, Geschichte und Literatur („Le Temps, ce grand Sculpteur“). Hanser, München 1988, ISBN 3-446-14297-5.

Biografien

  • Michèle Goslar: Yourcenar. „Qu'il eût été fade d'être heureux“. 1998 (auch in spanischer und italienischer Übersetzung).
  • Dietrich Gronau: Marguerite Yourcenar. Wanderin im Labyrinth der Welt. Heyne, München 1992, ISBN 3-453-06079-2.
  • Georges Rousseau: Yourcenar. Haus Publishing, London 2004, ISBN 1-904341-28-4.
  • Michèle Sarde: Vous, Marguerite Yourcenar. La Passion et ses masques. Laffont, Paris 1995, ISBN 2-221-05930-1.
  • Josyane Savigneau: Marguerite Yourcenar. Die Erfindung eines Lebens („Marguerite Yourcenar. L'invention d'une vie“). Dtv, München 2003, ISBN 3-423-13085-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Quellen und Belege für diese Absicht? Belege dafür, ob bzw. wie lang das Pseudonym nicht entschlüsselt war?
  2. Quellen und Belege nachtragen.
  3. Chantai Nadeau: Fur nation: from the beaver to Brigitte Bardot, Routledge, 2001, ISBN 0-415-15874-5
  4. FR-online: Marguerite Yourcenar, abgefragt am 5. März 2010

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