Marie Kahle

Marie Kahle
Abbildung Marie Kahles im Bonner Walk of Fame

Marie Kahle (* 6. Mai 1893 in Dahme als Marie Gisevius; † 1948 in London) war eine wegen Hilfe für jüdische Mitbürger zur Zeit des Nationalsozialismus Verfolgte. Ihre Erlebnisse in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus veröffentlichte sie 1945 in einem Bericht unter dem Titel What would you have done?.

Inhaltsverzeichnis

Hilfe für jüdische Mitbürger

Marie Kahle war verheiratet mit dem Orientalisten Paul Kahle. Die Familie lebte mit ihren fünf Söhnen in Bonn. Am 10. November 1938, in der Reichspogromnacht, wurde auch das Geschäft der Nachbarin Emilie Goldstein verwüstet. Als Marie Kahle zusammen mit ihrem Sohn Wilhelm der Jüdin beim Aufräumen des Geschäfts halfen, beobachtete sie dabei ein Polizist. Der Beamte nahm ihre Personalien auf und meldete den Vorfall weiter.

Von anderen Hilfsaktionen Marie Kahles zugunsten jüdischer Mitbürger bekamen weder die Polizei noch die Gestapo etwas mit. So verbarg Frau Kahle einen jüdischen Studenten in ihrer Wohnung, bevor sie ihm in einem Bonner Krankenhaus eine Zufluchtsstätte besorgen konnte.

Verfolgung

Am 17. November 1938 erschien im NSDAP-Blatt Westdeutscher Beobachter ein Hetzartikel mit der Überschrift „Das ist Verrat am Volke/ Frau Kahle und ihr Sohn halfen der Jüdin Goldstein bei Aufräumarbeiten“. Nach dem Erscheinen des Artikels erlebten die Familienmitglieder zahlreiche Repressalien. Paul Kahle wurde vorzeitig entlassen, ihr Sohn Wilhelm wurde von der Universität verwiesen und ein Gestapo-Mittelsmann legte Marie Kahle nahe, durch einen Selbstmord ihre Familie zu retten.

Im März 1939 gelang es Marie Kahle, mit ihrem Sohn Wilhelm über Holland nach London zu fliehen. Ihr Mann folgte im April mit den anderen Söhnen.

Was hätten Sie getan?

1945 veröffentlichte Marie Kahle in London ihr Buch What would you have done?, in dem sie ihre Erlebnisse in Bonn und die Flucht ihrer Familie schildert. Es dauerte mehr als 50 Jahre, bis das Buch ins Deutsche übersetzt wurde. Eine französische Ausgabe unter dem Titel Tous les Allemands n'ont pas un coeur de pierre liegt seit 2001 vor.

Marie Kahle starb 1948 im Alter von 55 Jahren. Ihr früher Tod war auch Folge eines Leidens, das durch die psychische und physische Erschöpfung während der Nazizeit ausgelöst wurde.

Ehrung durch die Stadt Bonn

Eine Straße im Bonner Bundesviertel trägt heute den Namen „Marie-Kahle-Allee“. Ursprünglich gab es den Vorschlag, die 1938 nach Walter Flex benannte[1] Straße nach Marie Kahle umzubenennen. Das wurde von der Stadt abgelehnt. Dann wurde eine abgelegene Straße in einer Siedlung in Ückesdorf vorgeschlagen. Das lehnten der letzte lebende Sohn Marie Kahles, John, und seine Frau ab. Letztendlich wurde im Jahr 2000 die „Trajektstraße“ nach Marie Kahle benannt.

Auf Beschluss des Rates der Stadt Bonn ist die vierte Bonner Gesamtschule seit dem Schuljahr 2010/11 nach Marie Kahle benannt.

Marie Kahle gehört zu den Bonner Persönlichkeiten, deren Porträt seit 2005 in der Bonngasse, dem Bonner „Walk of Fame“, eingelassen ist.

Literatur

  • Marie Kahle: What would you have done? The Story of the Escape of the Kahle Family from Nazi Germany, London 1945.
  • Marie Kahle / Paul Kahle: Was hätten Sie getan? Die Flucht der Familie Kahle aus Nazi-Deutschland / Die Universität Bonn vor und während der Nazi-Zeit. Bouvier, Bonn 1998, ISBN 3-416-02806-6.
  • Uta Gerhardt, Thomas Karlauf (Hg.): Nie mehr zurück in dieses Land. Augenzeugen berichten über die Novemberprogrome 1938, List Verlag 2011, ISBN 978-3-548-61012-2.[2]

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Straßenkataster der Stadt Bonn
  2. Der Band enthält bereits 1939/40 von Edward Hartshorne und anderen gesammelte Berichte. Bericht von Maria Kahle Seiten 129-132 sowie Urteil der Universität Bonn gegen Wilhelm Kahle Seiten 233f.

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