Maurice Sendak

Maurice Sendak

Maurice Bernard Sendak (* 10. Juni 1928 in Brooklyn, New York) ist ein amerikanischer Illustrator, Kinderbuchautor und Bühnenmaler. Sendak wurde bekannt mit einem neuen Realismus in der Kinderbuchliteratur, der zunächst auf großen Widerstand gestoßen war.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sendak wurde als jüngstes von drei Kindern von Philip Sendak und Sadie Sendak, geborene Schindler geboren. Sein Großvater mütterlicherseits war Rabbiner, sein Vater stammte aus der polnischen Kleinstadt Zembrova nahe Białystok. Als sein Vater Philip Sendak eine Affäre mit einem Mädchen begann, schickte die Familie ihre Tochter in die USA. Sendak sr. lieh sich Geld und folgte ihr noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach. Bei Ankunft war seine Geliebte bereits mit einem anderen Mann verheiratet und führte ein Delikatessengeschäft am Broadway. Sendak sr. lernte Sadie Schindler, Tochter eines Rabbiners und ebenfalls immigriert, in den USA kennen. Sie war ohne Schulausbildung und sollte in den USA Geld verdienen und später ihre Eltern nachholen. Philip Sendak begann als Schneider zunächst in Ost-New York und dann im jüdischen Viertel von Brooklyn zu arbeiten.

Seit frühester Kindheit an wollte Maurice Sendak Buchillustrator werden. Als ein schwächliches und kränkelndes Kind blieb er oft zu Hause, seine Schwester brachte ihm daher Abenteuerbücher von der Bibliothek mit. Schon als Sechsjähriger zeichnete er mit seinem fünf Jahre älteren Bruder Jack sein erstes Kinderbuch. Im Alter von zwölf Jahren entschied er sich, Zeichner zu werden, nachdem er den Zeichentrickfilm Fantasia (1940) der Walt Disney Studios gesehen hatte. Den Schulunterricht hasste er. Noch auf der Lafayette High School illustrierte er Bücher.

Nach dem Schulabschluss wurde er Dekorateur bei FAO Schwarz, dem größtem Spielzeugladen New Yorks auf der 5th Avenue. Dort las er die Kinderbücher und lernte vor allem die klassischen Illustrationen der britischen Zeichner George Cruikshank und Randolph Caldecott schätzen. Im Abendstudium besuchte er die Art Students League of New York. Die Kinderbuchlektorin des Verlages Harper and Brothers, Ursula Nordstrom,[1] entdeckte 1950 Sendak und förderte ihn. Die Kinderbuchautorin Ruth Krauss sowie ihr Ehemann Crockett Johnson gaben ihm wertvolle Hinweise. In den 1950er und 60er Jahren stießen seine Illustrationen auf den Widerstand von Lektoren, Kritikern und Bibliothekaren. Seine Zeichentechnik, Schatten und Räume mit gekreuzten Linien zu skizzieren, war ihnen „zu europäisch“, was Sendak als „zu häßlich“ interpretiert.[2] Auch an seinem Realismus und der Gewalttätigkeit in seinen Geschichten wurde Anstoß genommen. Erst allmählich setzte sich die Erkenntnis und damit auch die Anerkennung durch, dass das Gewaltsame kein Selbstzweck war, sondern in psychoanalytischem Sinne als Angebot zur Bewältigung und Stärkung der Kinder eingesetzt wurde. Beispielhaft und stilbildend umgesetzt wurde dieses Konzept von ihm im Kinderbuch „Wo die wilden Kerle wohnen“ (Where The Wild Things Are), damit gelang ihm 1963 der Durchbruch auch auf internationaler Ebene. Für Sendak selbst blieb die Hauptperson dieses Buches, der tagträumende Max, seine „liebste Schöpfung“.[3] Im Jahr 2009 kam nach jahrelangen Verzögerungen die Verfilmung des Buches in die Kinos.

Das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Time nannte ihn 1964 den „Picasso der Kinder“.[4] Sein zuletzt erschienenes Buch Brundibar ist eine Adaption der gleichnamigen Kinderoper, die von 1943 bis 1944 im KZ Theresienstadt von Kindern aufgeführt wurde und ihnen Trost spenden sollte. Zu Sendaks Freunden zählen unter anderem der Schriftsteller Tony Kushner und der Graphiker Tomi Ungerer. Neben seinen Illustrationen für Kinderbücher arbeitete Sendak auch an Bühnenbildern für Opernproduktionen.

Sendak, dessen Kinderlosigkeit und enge Beziehung zu seinen Hunden schon lange Thema in Interviews und Artikeln war, erwähnte erstmals 2008, dass er schwul sei, und bis zu dessen Tod 2007 für 50 Jahre mit dem Psychoanalytiker Eugene Glynn zusammengelebt hatte. Seinen Eltern habe er dies nie mitgeteilt: „All I wanted was to be straight so my parents could be happy. They never, never, never knew.“ Auch hätte ein Coming Out der Karriere eines Kinderbuchautors in den 1950er und 1960er Jahren geschadet.[5] Tony Kushner hatte Sendaks Beziehung zu Glynn schon 2003 in einem Zeitungsbeitrag im Guardian erwähnt.[6]

Werke (Auswahl)

Sendaks Gesamtwerk beläuft sich mittlerweile auf über 100 Bücher.[3]

  • 1956: Kenny's window
  • 1960: The Sign on Rosie's Door. Deutsche Ausgabe: Das Schild an Rosis Tür, übersetzt von Ute Haffmans. Diogenes, Zürich 1976.
  • 1963: Where The Wild Things Are. Deutsche Ausgabe: Wo die wilden Kerle wohnen, übersetzt von Claudia Schmölders. Diogenes, Zürich 1967, ISBN 978-3-257-00513-4.
  • 1965: Hector Protector, and As I Went Over the Water: Two Nursery Rhymes. Deutsche Ausgabe: Hektor Protektor und als ich über den Ozean kam, übersetzt von Hans Manz. Diogenes, Zürich 1971.
  • 1967: Higglety Pigglety Pop! or, There Must Be More to Life. Deutsche Ausgabe: Higgelti Piggelti Pop! oder Es muss im Leben mehr als alles geben, übersetzt von Hildegard Krahé. Diogenes, Zürich 1969, ISBN 978-3-257-00525-7.
  • 1970: In the Night Kitchen. Deutsche Ausgabe: In der Nachtküche, übersetzt von Hans Manz. Diogenes, Zürich 1971, ISBN 3-257-00537-7.
  • 1976: Some Swell Pup
  • 1977: Seven Little Monsters. Deutsche Ausgabe: Die Geschichte von den sieben kleinen Riesen, übersetzt von Gerd Haffmans. Diogenes, Zürich 1975, ISBN 3-257-00574-1.
  • 1981: Outside Over There. Deutsche Ausgabe: Als Papa fort war.´Diogenes, Zürich 1984, ISBN 3-257-00641-1.
  • 1985: In Grandpa's House. Deutsche Ausgabe: In Großvaters Haus.
  • 1993: We Are All in the Dumps with Jack and Guy: Two Nursery Rhymes with Pictures
  • 2002: Mit Tony Kushner: Brundibar. Deutsche Ausgabe: Brundibar, übersetzt von Mirjam Pressler. Gerstenberg, Hildesheim 2004, ISBN 3-8067-5073-4.

Illustrationen zu Else Holmelund Minariks [7] Reihe «Der kleine Bär»

  • deutsche Ausgabe 1959 – Der kleine Bär
  • Der kleine Bär auf Besuch
  • deutsche Ausgabe 1961 – Vater Bär kommt heim, Sauerländer, Düsseldorf, ISBN 978-3-7941-0026-2.
  • deutsche Ausgabe 1962 – Der kleine Bär und seine Freundin
  • Ein Kuss für den kleinen Bären, Sauerländer, Düsseldorf, ISBN 978-3-7941-0264-8.

Illustrationen

  • Charlotte Zolotow: Herr Hase und das schöne Geschenk (Mr. Rabbit and the Lovely Present), Diogenes, Zürich, ISBN 978-3-257-00815-9.
  • Robert Graves: Das Zauberbuch (Big Green Book)
  • Schau, was ich tu mit dem Schuh
  • ETA Hoffmann: Nussknacker und Mausekönig. cbj, 120 S., gebunden, ISBN 978-3-570-13040-7.

Auszeichnungen

Zitate

Es sollte mehr ernsthafte Bücher für Kinder geben. Es ist erniedrigend für ein Kind, wenn man so schreibt wie für einen Idioten. Ich glaube, man kann alles für Kinder schreiben, viel freier als für Erwachsene, denen man zu viele Lügen erzählen muss.

Maurice Sendak [4] vgl.: [2]

Die Kindheit ist ein schrecklicher Zustand. Man kann sich nicht wehren. Es ist immer ein Wunder, dass wir überleben und erwachsen werden.

Maurice Sendak, 2004 [2]

Literatur

  • Selma G. Lanes: The Art of Maurice Sendak, Harry N. Abrams, New York 1980.
  • Reinbert Tabbert (Hrsg.): Maurice Sendak. Bilderbuchkünstler. Bouvier, Bonn 1987.
  • Tony Kushner: The art of Maurice Sendak. 1980 to the present. Abrams, New York 2003, 223 S., ISBN 0810944480.

Weblinks

Interviews

Einzelnachweise

  1. Susan Heller Anderson: Ursula Nordstrom, 78, a Nurturer Of Authors for Children, Is Dead. In: New York Times vom 12. Oktober 1988.
  2. a b c „Wo die Wilden Kerle wohnen. Zu Besuch bei Kinderbuchautor Maurice Sendak“, SWR2, 28. Dezember 2004, S. 1.
  3. a b „Weil Max mit leerem Magen ins Bett musste“, Die Welt, 10. Juni 2008.
  4. a b Unheimliche Zuge. In: Der Spiegel. Nr. 16, 1970, S. 222 (13. April 1970, online).
  5. Patricia Cohen: Concerns Beyond Just Where the Wild Things Are. In: The New York Times vom 9. September 2008.
  6. Tony Kushner: Tony Kushner celebrates Maurice Sendak, an old friend. In: The Guardian vom 6. Dezember 2003.
  7. Else Holmelund Minarik, englische Wikipedia.

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